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Angekommen 2

Schließe die Augen, es ist alles ein langersehnter Traum. Ich träume nicht mein Leben, ich lebe einen Traum. Heißt es in so vielen dummen Insta-Reels.

Ich schließe tatsächlich die Augen. Sehe vor mir Momente am Strand, nasser Sand an den Füßen, um die Wellen ein laues Lüftchen. Momente des Jubelschreis im Maracanã-Stadion bei einem Tor von Flamengo, Momente des Fluchens, als die Bürokratie mir wieder ein Bein stellen wollte, Momente des Alleinseins, aber auch des Erstickens auf Samba-Parties und Funk-Tänzen. Brasilianer sind nie allein, es sind immer Menschen, die dir ein höfliches „Tudo bem?“ entgegen bringen? Oh Gott, das liest sich alles schon wie ein Abschied. Wie oft ich bis jetzt meine Herkunft erklärt habe, wie oft ich die Sprachen, die ich spreche, aufgezählt habe, wie oft ich ein Kompliment für mein Portugiesisch bekam. Nie aufdringlich, immer herzlich, respektvoll. Wandern durch grüne Paradiese, Baden in hohen Wellen, Diskussionen über Herzensthemen. Heimweh – bisher Fehlanzeige. Es fühlt sich an, als läge ein goldener Filter auf allem,w as ich mache.

Das liest sich natürlich jetzt alles super positiv und toll, ich will auch nicht ganz auf „heile Welt“ machen. Natürlich gab es auch schon difficulties, Momente, in denen ich frustriert, beispielsweise angesichts eines unnötigen Behördengangs oder bürokratischen Prozesses war, aber dieses Land schafft es auf wundersame Weise, durch ein Lächeln, ein „Tudo bem“ und einen unverwechselbaren Charme wieder alles wettzumachen. Ich war noch nie länger als 3 Wochen außerhalb von Europa, jetzt sind es über 5 Wochen. Und wenn das Taxi mich sanft durch die dunklen und tropischen Straßen von Rio trägt, wenn der Beat im Club dröhnt und die Straßenmusik durch die Gassen ertönt, wenn das Sonnenlicht durch die Berge scheint und meine Nase kitzelt, wenn eine Umarmung, ein weiteres herzliches Gespräch mein Gemüt erheitert, dann weiß ich – kurz gesagt – dass ich am richtigen Ort bin. „Der Tourist reist an die bekannten Orte und geht wieder – der Reise nicht, er bleibt stehen und fragt: „Was ist, wenn ich nicht da bin“? (Zitat Roger Willemsen)

Diese Frage stelle ich mir auch oft: Wie ist das Leben in dieser Stadt, wenn keine Sonne scheint (metaphorisch gesehen!)? Wie ist es, hier krank zu sein? Zum Arzt oder ins Krankenhaus gehen zu müssen? Wird man irgendwann vom Blick auf das Meer müde?

Je länger ich bin und Dinge sehe, erlebe und schmecke, desto dankbarer bin ich. Es ist schön, bei echten Carioca-Freunden eingeladen zu sein zum Churrasco (brasilianische Grill-Party). Diese Erfahrung macht nicht jeder Touri. Und irgendwie bin ich ja kein Tourist – als Austauschstudent ist man immer im „Dazwischen“ – zwischen Tourist/Reisender und Local. Aber ich liebe dieses Dazwischen, es gehört zu meinem Leben irgendwie dazu: Man lebt hier, hat einen Wohnsitz, wenn auch begrenzt. Durch die Hürden der Bürokratie, die Anmeldungen, brasilianisches Bankkonto, Handynummer etc., bekommt man trotz der Schweißausbrüche auch das leise Gefühl, dazuzugehören, Teil dieser neuen Welt zu leben.

Früher gab es doch diese „Conni …“ -Kinderheftchen (nicht das Pferdemagazin), in denen Conny immer irgendwie etwas Neues und Spannendes machte oder erlernte. Conni sucht Kater Mau. Conni kocht. Conni findet einen Freund,

Bezogen auf mein Brasilienabenteuer könnten die Titel von kleinen Mark(i)-Heftchen wie folgt lauten:

1.) Mark geht zum ersten Mal an den Strand in Rio (und merkt, dass er viel zu viel dabei hat).

2.) Mark fährt zum ersten Mal Fahrrad abseits von deutschen Verkehrsnormen.

3.) Mark trinkt die beste und billigste Caipirinha seines Lebens

4.) Mark lernt, warum das Nationaltrikot abseits von Spielen ein gefährliches Zeichen ist

5.) Mark erfährt, warum der Nationalfeiertag hier nicht groß zelebriert wird.

6.) Mark erlebt, wie nah sich Professor und Student hier kommen

7.) Mark entdeckt, dass es in Rio auch Jungfernstrände gibt.

8.) Mark fühlt mehrmals die Funk-Begeisterung.

9.) Mark wird von Verkäufern abgezogen und lernt ein Gefühl für die Preise in Brasilien.

10.) Mark wartet eine Stunde auf den den Bus – und merkt, dass Warten in Brasilien ganz anders funktioniert.
11.) Mark geht zum Grillrestaurant und rollt danach aus dem Restaurant.
12.) Mark erkennt, dass „gleich“ in Rio ein sehr dehnbarer Begriff ist.

13.) Markt lernt, warum man nicht cria zu den cariocas sagt und lernt viele Ausdrücke

14.) Mark versucht, Samba zu tanzen – und tritt dabei dreimal auf denselben Fuß.
15.) Mark diskutiert mit einem Uberfahrer über Fußball und merkt, dass das gefährlich werden kann.
16.) Mark erkennt, warum Brasilianer Mangos und Europäer Kokosnüsse sind.

17.) Mark versteht endlich, warum Flip-Flops hier ein offizielles Alltags-Outfit sind.

18.) Mark entdeckt die Stände mit Açaí – und kann nicht mehr aufhören.

… und viele weitere wären schon in Druck gegangen bzw. folgen noch.

Denn genau das ist ja der Punkt: Das Leben hier schreibt die Geschichten, nicht ich. Ich kann sie nur sammeln, wie Muscheln am Copacabana-Strand. Manche glänzen sofort, andere wirken unscheinbar, bis man sie in der Hand dreht und sieht, wie schön sie eigentlich sind.

Vielleicht werde ich am Ende meiner Zeit hier ein ganzes „Mark in Brasilien“-Heft in der Hand haben – voller kleiner Alltagsabenteuer, voller Missverständnisse, voller großer und kleiner Glücksmomente. Für euch zum Lesen, für mich zum Erinnern.

In den kommenden Wochen möchte ich hier Kurioses und Alltägliches erklären und das Leben in der „Cidade meravilhosa“ in schriftlicher Form erklären. Gar nicht, um irgendwie zu prahlen und wie eine Monstranz vor mir herzutragen, sondern auch, um Eindrücke für mich zu verarbeiten. Ihr werdet also bald Antworten auf die angeteaserten Fragen in den Conni-Titeln finden. Viel Spaß dabei!

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