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Meer und mehr

Kräftiger Wind kitzelt zärtlich meine kleine Nase. Ich stehe alleine auf einer Lichtung. Verlassen, verloren, versagt. Das Leben zieht an mir vorbei. Und ich frage mich: Wohin? Vier Wege führen in den Wald, in den Sand, in das Dorf oder in die Ewigkeit. Der Geruch nach frischen Kiefern saugt sich in mir auf. Auf der nahe gelegenen Dorfstraße düsen bunte Blechboxen vorbei.

Wie gehen wir mit Niederlagen um? In sich hineinfressen, aus sich hinausschreien oder damit leben lernen. Meine Finger werden feucht, wenn ich an letzten Freitag denke. Eigentlich lief doch alles so gut. Aber dann: Die Unaufmerksamkeit, der Fehler, das Scheitern. Ich ärgere mich und würde am liebsten den ganzen Wald mit meiner Wut beschallen. Wieviel Ärger passt in so einen durchschnittlichen Männerkörper? Ist mein Scheitern so tragisch? Es gibt zweite Chancen. Und in anderen Teilen der Welt verhungern die Menschen.

Ob ich keine anderen Probleme habe, frage ich mich. Gerade ist alles im Umbruch, die Welt ist im wilden Wandel. Wie kann man angesichts der Verrücktheit der Welt bestehen? Wie kann ich diesem Planeten noch mit Haltung begegnen?

Schreiben ist erlösend. Ich freue mich auf den Abend. Lebe ich im Augenblick? Ist das mein Problem? Dass ich mich nicht konzentrieren kann?

Der Mensch strebt nach Gewinn, Erfolg, Rendite. In der kapitalistischen Leistungsgesellschaft ist kein Platz für das Scheitern vorgesehen, auch wenn es sich um persönliche Misserfolge handelt, von denen niemand betroffen ist. Ich wundere mich, ob ich mir auch solche klugen Fragen stellen würde, wenn vor zwei Tagen alles anders gelaufen wäre.

Bin ich bereit für das Leben? Neben mir eine glückliche Familie auf Inline-Skates.

Ich werfe einen Blick in das innere Fotoalbum und rekonstruiere das Geschehen. Mein Fehler erschließt sich mir, aber ich kann ihn mir nicht erklären. Ich spüre die Nervosität, die Anspannung, die Realisierung, dass es vorbei ist. Warum bin ich so gottverdammt unentspannt? Kann ich nicht einfach die Augen schließen und das Leben genießen?

Die Sonne lächelt mich an. Ich lächle brav zurück. Es ist der Kopf, der mich mit negativen Gedanken quält, mein Körper bleibt ruhig, der Puls ist normal.

Warum messe ich kleinen Dingen eine viel zu große Bedeutung bei? Ich weiß doch um meine Erfolge, um meine Siege. Was war hier also los?

Es sollte einfach nicht sein. Manchmal sendet das Leben, Gott, das Universum klitzekleine Prüfungen, an denen wir unseren Charakter anzapfen und reifen lassen können.

RUHE jetzt. Es zählen im Leben nicht nur die Errungenschaften, sondern auch, was man aus den Niederlagen macht. Auch wenn es sich hart anfühlt und sich quälend lange zieht. Klingt nach Poesie-Album-Blabla.

Vielleicht war es der falsche Zeitpunkt? Vielleicht sollte ich dadurch vor etwas Größerem beschützt werden.  Ich weiß es nicht, ich kenne Gottes Pläne für mich nicht.

Beim nächsten Mal wird es klappen. Ich weiß, dass ich es kann. Trotzdem hört mein Kopf nicht auf, zu jammern, mir Druck zu machen. Und was ist, wenn es wieder nichts wird? STOPP.

Hauptsache, mir geht es gut. Ich atme frische Luft ein. Ich bin frohen Mutes. Zumindest für eine Sekunde. Geh aus meinem Kopf, negative Gedanken, geh aus meinem Kopf! Sonst kann ich bald gar nichts mehr….

Ich muss damit abschließen. Klar gehört es dazu, dass man blöde Ereignisse erst später verarbeitet, aber so langsam sollte es wirklich aus meinem Kopf gelegt und in eine andere Schublade transferiert werden.

Was wäre wenn, wie wo was warum weshalb-Gedankenspiele haben von nun an keinen Platz mehr. Ich bin doch noch so jung. Ich habe Platz, um mich weiterzuentwickeln. Hört sich an wie jeder x-beliebige Motivationscoach, wtf.

Woher dieses mehr? Immer mehr mehr mehr.

Vor mir baut sich ein Meer auf. Ein Meer aus Weizenfeldern, grimmigen Kiefernwäldern und hellem märkischen Sand. Wo ist das Meer aus Möglichkeiten, an Chancen

Warum lassen wir denjenigen in der Gesellschaft so wenig Platz, die auch einmal scheitern? Auf die Schnauze fallen? Dabei sind, wieder aufzustehen? Warum muss immer alles besser, schneller, teurer, erfolgreicher, effizienter, schneller, rücksichtsloser sein? Das Grundversprechen des Kapitalismus.

Wir fahren so schnell – und lassen alles hinter im Blitztempo uns. Ohne mal in den Rückspiegel zu gucken, wen es vielleicht erwischt hat.

Ich habe genug Raum zum Nachdenken, zur Reflexion, zum Rückzug. Der Wind durchbläst mich wie ein leeres Orgelspiel. Der Natur, dem Vogel, dem Wald ist es egal, ob ich scheitere. Sie sind einfach da und hören mir zu, geben auch keine Gegenantwort. Komisch, dass ich mich in der Natur geborgener fühle als von Menschen. Ich bin ja auch ein Teil von ihr. Ich bin ein Baum, meine Wurzeln greifen tief. Ohhhmmm….

Ich bin mir sicher, es gab einen Grund, warum das nicht geklappt hat. Auch wenn es perfekt gewesen wäre. Andere Menschen hatten auch schon Pech. Ich will keine Angst mehr haben. sondern die Angst beim Haarschopf packen.

Und mit diesen Worten muss ich damit abschließen.

DANKE GOTT.

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