Ye Dooriyan…
Zum Abschluss mal noch ein Stilbruch. Ein echtes Verbrechen an meinem Gastland. Ein Blogtitel in Hindi. Gäbe es nicht so viele schöne bengalische Wörter? Sie sollen folgen.
Diese Entfernungen.
Eigentlich ein Lied über eine Fernbeziehung.
Aber ich glaube, auch ich führe ab morgen .. eigentlich schon ab heute, eine Fernbeziehung. Crazy-Dhaka, was mache ich nur ohne dich? Hätte ich je gedacht, dass ich schon nach einem verlängerten Wochenende in einer 4Mio Stadt zurückkomme und mich so freue? Freue über die vielen Menschen, die vielen Häuser, die vielen Rikshas, die Staus, die Snackstände alle paar Meter, den Müll, den Duft, den unbändigen Optimismus, die Freude, den Prunk, das ewige Verhandeln um Centbeträge. (Du Schwager [auf Bangla eine ziemlich schlimme Beleidigung] was fällt dir ein für diese Strecke 12 cent zu verlangen? Schon seit 5 Jahren zahle ich für diese Strecke 10 cent und auch wenn du 10min im Stau standest heißt das noch lange nicht dass du Unnützer [noch schlimmere Beleidigung] mir 2 cent mehr abknöpfen kannst!!)
Ich weiß, unsere Beziehung war nicht immer leicht. Aber das lag nicht nur an mir! Diese sinnlosen Diskussionen auf deinen Straßen, die mit „Tell me something positive about Hitler“ anfangen und wo der Gegenüber eigentlich gar nicht versteht was man ihm da gerade zu erklären versucht! Selbst Schuld Dhaka, wenn ich in 9 Stunden ins Flugzeug steige. Wozu brauche ich Kleidergeschäfte und Marktstände und Händler, die man nach einem ROTEN T-Shirt fragt, aber dann nur ein rotes und 254 grüne, blaue, lilablassblaukarierte und sogar durchsichtige gezeigt bekommt? Was kümmert mich da, dass die nur 50 Taka kosten? Und eins musst du dir wirklich mal sagen lassen, Dhaka, Bangladesh: Nein, Selbstbleichungscrème macht einen nicht schöner. Und ja, es ist in der Tat rassistisch, wenn in der Werbung dunkelhäutige Frauen und Männer weder beliebt oder erfolgreich sind, nach Selbstbleichung mit hier beliebiges Markenprodukt eines europäischen oder amerikanischen Konzerns einfügen aber auf einmal DIE Superhelden schlechthin mimen. Außerdem kann man in Deutschland Wasser aus dem Wasserhahn trinken. Ja, da staunst du, was? Und da gibt es ganz viele Schöne Dinge.. Müsli, Brot, Spätzle, Weckle, Schokolade, Straßenbahnen…
Aber reicht das wirklich? Wo kriege ich denn dann nur den schrecklich süßen Schwarztee an der Straßenecke? Weißt du, dass ich fast geheult hätte, als ich heute aus dem Visabüro mit meiner Ausreisegenehmigung kam, gerade die Sonne über dem Betongebäude unterging und ein Bus an der Bushaltestelle, an der ich stand anhielt – einfach so, ohne dass ich schreien, schimpfen, ihm hinterherrennen oder ihn mit irgendwas bewerfen musste? Vielleicht war ja wirklich was im Tee, außer Milch Zucker, Wasser und Teeextrakt…
Was mache ich mit den ganzen tollen Panjabis, in denen man sich so groß und wichtig fühlt? Einfach weiterhin freitags tragen? Wer fährt mich zum Supermarkt, wenn nicht an jeder Straßenecke eine Riksha steht? Wer gibt mir den ultimativen Zuckerschock, wenn nicht bengalische Süßigkeiten – den Namen verdienen deutsche Leichter-Hauch-von-hm-welcher-Geschmack-ah-glaube-soll-sal-nein-doch-äh-vielleicht-süß-igkeiten eigentlich gar nicht? Wo sind die Muezzins, die mich an den Sonnenuntergang erinnern?
Ja, vielleicht bin ich wirklich selbstsüchtig – Deutschland nimmt mich einfach nicht so wichtig wie du, Dhaka.
Du arbeitest Tag und Nacht, hochkonzentriert, mit einem Lächeln auf den Lippen.
Ich verfalle in Klischees.
Eigentlich hasse ich Fernbeziehungen. Ich glaube, auch aus dieser wird nichts. Wer weiß. Bin jedenfalls mal gespannt auf Deutschland…
Es bleiben die guten und schlechten Erinnerungen; in diesem Land, in dem es jedem eine Freude ist, Gäste gerne und herzlich aufzunehmen, in dem jeder hilft, jeder sich kümmert, war es mir eine Ehre, Gast sein zu dürfen. Ich hoffe, ich habe mich anständig verhalten und vielleicht konnte ich ein kleines Bisschen auch zurückgeben. Ich habe viel gelernt, viel über Deutschland erzählt, viele Schulen besucht, Kinder motiviert, Bücher nicht mehr wiedergefunden, Fotos gemacht, Umweltprojekte geplant – und mein Bangla ist eigentlich noch viel zu schlecht 😉
Vielleicht folgt diesem emotionalen Rückblick auch noch mal ein etwas sachlicher, in dem ich was erzähle, was der fleißige Leser dieses Blogs nicht sowieso schon wusste. Danke fürs Lesen!
আমার সোনার বাংলা, আমি তোমায় ভালবাসি
চিরদিন তোমার আকাশ, তোমার বাতাস
আমার প্রাণে বাজায় বাঁশি
ওমা ফাগুনে তোর আমের বোলের ঘ্রাণে পাগল করে
মরি হায় হায় রে
ওমা অঘ্রাণে তোর ভরা ক্ষেতে কি দেখেছি,
আমি কি দেখেছি মধুর হাসি
মা তোর মুখের বাণী আমার কানে লাগে সুধার মত
মরি হায় হায় রে
মা তোর বদন খানি মলিন হলে
আমি নয়ন জলে ভাসি
(Nationalhymne von Bangladesh, erste Zeile hätte fast auch die Überschrift gegeben:
amar sonar bangla, ami tomay bhalobashi – mein goldenes Bengalen, ich liebe dich)
Eigentlich hat die Welt Bangladesh gar nicht verdient.
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