Kleines Dorf / Dorf in der Choto-Region
Wo in Bangladesh gibt es eigentlich einen Ort, an dem man Mal in Ruhe schreiben kann? Ich sitze auf den Stufen des Chittagong High Courts, dem wohl ruhigsten Fleckchen Erde an diesem Freitag in einer der drei am Schnellsten wachsenden Städte der Welt. Durch Müllhalden, an geschlossenen Läden und heruntergekommenen Universitätsgebäuden vorbei bin ich diesen Hügel hinaufgestapft, habe mir unterwegs noch einen Stift und eine Flasche Wasser gekauft und werde in der Ruhe nur von vielen netten, aber interessierten Menschen gestört. Überall auf der Welt scheinen Bengalen schon gearbeitet zu haben. Erstaunlich wer unsere Welt am Laufen hält und wem man es am Wenigsten dankt.
„I worked in Malaysia, Kuala Lumpur, KFC. Very nice food. Germanite also KFC ache?“
Die letzten Tage waren ganz dem Urlaub machen und Entspannen gewidmet. Vor allem das Chittagonger Nightlife hat es uns scheinbar sehr angetan, auch wenn das nur in einem unserer Hotelzimmer stattfand. Der Rest meiner „Crew“, Z, T und Zs Onkel sind schon wieder auf dem Heimweg, L arbeitet und ich habe jetzt endlich mal wieder Zeit zum schreiben.
Gestern abend wurde ich der kulturellen Elite dieser mit 4 Mio Einwohnern zweitgrößten Stadt Bangladeschs vorgestellt und durfte der Lesung eines nach Kanada ausgewanderten Philosophieprofessors folgen. Zwar auf Bangla, aber dank zahlreicher Anglizismen, vor allem in der anschließenden Diskussion, verstand ich doch den roten Faden des Gesprochenen. Interessant, wie sich im Grunde die Probleme der deutschen und bengalischen Bildungssysteme ähneln bzw. was Deutschland aus dem partiellen Scheitern des Letzteren lernen könnte. Auch die bangladeschische Regierung strebt nun nach Exzellenz, versteht darunter jedoch gerade die Abkehr von immer kürzeren Studienzeiten mit immer mehr Information. Das neue Ziel heißt: mehr Bildung und echte Wissensvermittlung in der Breite. Selbstkritisch stellten die Anwesenden fest, dass das Bildungsbürgertum und die Intelligenz seit der bangladeschischen Unabhängigkeit zu wenig gegen die voranschreitende Profitorientierung der Bildungseinrichtungen unternommen haben. Die Folgen konnte ich in meinen Schultouren selbst mitansehen. Riesige Unterschiede in Preis und Qualität der Schulen; kein Schüler kann ohne zahlreiche und teure Nachhilfe erfolgreich sein. Deutschland sollte sich wohl noch einmal genau überlegen, ob es mehr „Wahlfreiheit“ für Eltern und deren Kinder schaffen will, wenn dies nur den Reichen und Eliten der Gesellschaft einen Vorteil verschafft.
Auch, dass jede Firma, die etwas auf sich hält, eine eigene Universität, ein eigenes Krankenhaus, eine eigene Zeitung, etc. hat, trägt nicht unbedingt zu einem ausbalanciertem und transparenten Bildungsangebot bei. Bangladesh steht mit seinen mehr als 25 Mio Kindern im Schulalter vor einem riesigen Problem.
Hoffnung gibt u.a., dass alle Gesellschaftsschichten lautstark ihre Meinung äußern – allen voran die Studenten. Erst durch ihre Proteste war es übrigens möglich, die Militärregierung zu stürzen und nach langer Zeit nun wieder zur parlamentarischen Demokratie zurückzukehren (seit einer Woche boykottiert auch die Opposition das Parlament nicht mehr… =) )
So, genug davon. Wie man unschwer erkennt, habe ich solche Veranstaltungen im letzten halben Jahr etwas vermisst. Ich schau mir jetzt dann mal die GI Zweigstelle hier an (heißt „Die Sprache“). Die Überschrift ist übrigens die Übersetzung von „Chotogram“, dem einheimischen Namen für Chittagong. Je nach Aussprache heißt es eines der beiden angegebenen, wobei eigentlich nur der Lonely Planet Ersteres behauptet…
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