Tagebuch eines Indienreisenden – Tag 3/2
06.12.2009 – Siliguri, Indien
Der Bus kam schliesslich doch noch. Um die angekuendigten, nachdem urspruenglich Mitternacht ausgemacht worden war, 2:30, nach sieben Anrufen, mit nur zwei unbedeutenden Fehlern: 2:30 indischer Zeit (also 4 Uhr BDST) und es war kein Shah Ali Bus, sondern stattdessen eine Klapperkiste von besorgniserregendem Aeusserem. Nach dreimaligem Nachfragen stellte sich aber heraus, dass der „Lalmoni“-Bus als Ersatz fuer meinen kaputten Shah-Ali Bus fuhr. Also verabschieden von den mittlerweile lieb gewonnenen Rikhshafahrern und Teeverkaeufern und rein in den Bus auf meinen reservierten Platz. Am Fenster. Auf welcher Droge war ich nochmal, als ich mich fuer einen Fensterplatz entschieden habe? Der schoener-Ausblick-aus-„Super-Deluxe-Luxury“-Bus Droge? Tja, ohne Luxusbus, macht das ganze jedenfalls keinen Spass mehr, denn die Fenster und Waende waren undicht – es zog.
Die ganze Nacht – bzw das was nach 4 Uhr noch von ihr uebrig geblieben war – wurde es kaelter und kaelter bis in Lalmonirhat um zehn nach sieben endlich viele Leute ausstiegen und ich einen Gangplatz ergattern konnte. Viel waermer war das auch nicht und so schlug ich in Burimari angekommen auch alle gut gemeinten Warnungen von A und dem Lonely Planet in den Wind, auf keinen Fall Essen anzunehmen, und nahm dankbar den vom Steward wohl aus Mitleid mit dem bibbernden Etwas angebotenen heissen Tee an.
Kurz darauf fiel ich in Ohnmacht und bin erst gerade wieder im Strassengraben nur mit Fueller und Buch noch in der Hand, nackt bis auf die Unterhose wieder aufgewacht – NOT, das ist natuerlich Unsinn, mir geht es blendend. Ganz der Sohn meiner Mutter, bildete ich mir aber die naechste Stunde, die wir in der Bangladesch-Ausreise-Schlange warteten ein, jeden Moment doch noch umzukippen und auch die freundlichen Bhutanesen seien in ein grosses Komplot verwickelt mit dem Ziel, mich auszurauben – sehr lohnenswertes Unterfangen bei einem 2/3 vollen Koffer mit Kleidern und 3000 Takas im Geldbeutel. Kurz darauf lenkte mich die indische Buerokratie aber ab, die mich von Stroh- zu Strohhuette schickte, da niemand was mit meinem Pass geschweigedenn Visum anfangen konnte. Nachdem ich sicher zum zehnten Mal erklaert hatte, dass ich GERMAN und nicht DUTCH bin, obwohl DEUTSCH als Nationalitaet in meinem Pass steht – ja ein E und ein S machen sehr wohl einen Unterschied! – und dass mein verirrtes aegyptisches Visum doch eigentlich voellig irrelevant sei, hatte ich die noetigen zwei Stempel endlich in meinem Pass und war in Indien.
Uhr zurueckgestellt hat der Grenzuebertritt nur eine Stunde gedauert – juhuu…
Ich verwandelte den kuemmerlichen Rest meines bengalischen Geldes in indisches und da natuerlich mal wieder kein Bus aufzutreiben war (danke Lonely Planet & vereinigte zu unnuetzen Zeiten fahrende Busunternehmen) fand sich ein Taxifahrer, der bereit war, mich fuer 300 Rupien die 95km nach Siliguri zu fahren. Nach der Tee-Hypochondriegeschichte kam mir das schon sehr spanisch vor, aber das war erst der Anfang:
Er bot auch noch an, dass ich mir das Taxi mit anderen teile um noch mehr Geld zu sparen. Leider fand sich niemand und so liefen wir zum Haus des Taxifahrers, wo zwei Autos standen und mein Koffer sofort in den Kofferaum geladen wurde. Kurz darauf fuhren wir los und was sich fuer mich anfuehlte, als fuehre der Fahrer zum ersten Mal in seinem Leben, beurteilte dieser als: „Auto geht nicht“, stieg aus, nahm meinen Koffer aus dem Kofferraum und brachte ihn in ein drittes Auto, das hinter einer Strassenbiegung stand. Dies sah ich natuerlich nicht, fuer mich wirkte das ganze eher wie: Fahrer rennt mit meinem Koffer davon!
Da die Tuer abgeschlossen war, krabbelte ich nach vorne und ueber den Fahrersitz nach draussen und rannte dem Fahrer wild rufend hinterher. Nachdem ich mich wieder beruhigt hatte, sass ich jetzt vorne im Taxi, mehr oder weniger entspannt bis wir einen jungen Mann mit einer Glasflasche Betaubungsmittel und einem Taschentuch vom Strassenrand aufgabelten, der sich direkt hinter mich setzte.
Ich sass wie auf gluehenden Kohlen, kramte einen Kugelschreiber aus meiner Tasche um ihn im Notfall als Waffe zu benutzen. Wie erleichtert war ich, als der Mann wieder ausstieg, wie der Zufall es wollte an einer Tankstelle wo gleich drei Leute das Taxi auftankten und ein Muskelmann mit Goldkettchen mich fragte, ob ich alleine reise und ob ich ein auslaendisches Handy dabeihaette. Als das Tanken dann auch schon nach ca. 60 Sekunden vorbei war, brannte irgendwo in den unendlichen Weiten meines Kopfes eine Sicherung durch. Direkt nach der Tankstelle hiess ich den Fahrer wieder anhalten und sah nach, ob mein Koffer noch da lag, wo er hingehoerte. Er war immer noch abgeschlossen und verstaut. Ich sagte dem Fahrer, wir fuehren nun doch alleine, bekam fast einen Anfall, als er die Hauptstrasse entgegen der Ausschilderung verliess („Nur eine Abkuerzung“) und war unendlich froh, endlich hier im Hotel anzukommen.
Habe mit einem amerikansischen Paar aus Kansas City geredet, das hier eine Woche lang ein „Marriage-Seminar“ an einer Mission gibt, lecker gegessen und schaue jetzt Takeshis-Castle auf Hindi. Soviel Dekadenz muss jetzt einfach sein. Gute Nacht, ich gehe jetzt heiss duschen!
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Kugelschreiber als Waffe ist keine schlechte Idee, aber nicht vergessen, die Mine auszufahren! 🙂