Vor(ur)teile
Mein Versprechen, mindestens einmal pro Woche von mir hören zu lassen, muss ich wohl oder übel brechen. Zu schnell vergeht meine Zeit in Nigeria. Im Goethe-Institut gibt’s viel zu tun, die Wochenenden sind meistens prall gefüllt und seit neustem gehe ich nach der Arbeit 2-3x pro Woche zum Englischunterricht. Da „kulturweit“ (meine Entsendeorganisation) den Unterricht sponsert, kann ich die Offerte kaum ausschlagen. Falls Euch „kulturweit“ interessiert, findet Ihr hier einen kleinen Beitrag aus dem ZDF.
Das vergangene Wochenende war großartig (bis auf den Umstand, dass meine Kamera den Geist aufgegeben hat). Am Freitagabend habe ich mich mit Solomon und Sofie getroffen. Ich habe versucht nigerianisch zu kochen – mit mehr oder weniger Erfolg. Ich steh total auf Fried Plantains (in Palmöl frittierte Plantanas), allerdings gelingt mir diese Spezialität eher weniger. Der Umgang mit dem Palmöl ist so ne Sache. Idealerweise müssten die Bananen so aussehen (Bild aus dem Internet), meine Version bleibt Euch erspart, da meine Kamera nach nur 8 Wochen… Ihr wisst schon. Ich will mich nicht zum xten Mal darüber aufregen, drückt mir einfach die Daumen, dass ich das Sch… Ding wieder zum Laufen bekomme.

Am Samstagmorgen habe ich meine bisher größte, eigenständig geplante Tour in Angriff genommen: Ein Besuch auf dem Balogun Market auf Lagos Island. Ein unfassbar großer Markt, bekannt für afrikanischen Stoffe, Schuhwerk, Gemüse und und und. Eleonora hat mich neugierig gemacht. Sie hat unzählig viele afrikanische Klamotten. Die meisten sind vom besagten Markt.
Während man in Münster aufs Fahrrad steigt und innerhalb von 10 Min. auf dem Markt ist, gestaltet sich so ein Ausflug hier etwas schwieriger. Zunächst einmal ist Lagos riesenriesengroß, unübersichtlich und die Märkte gelten (angeblich) als Quelle des Diebstahls. Zumindest war Manjusha (meine Englischlehrerin, eine indische Energiebombe) völlig entsetzt, als ich ihr am Freitagnachmittag erklärte, dass ich einen Trip zum Markt plane. Alleine – Oh Gott! Es sei gut, wenn ich keine Angst habe, aber ich solle niemals vergessen in welchem Land ich sei. Was nicht alles sei. Interessanterweise war diese Dame noch nie auf dem Balogun Market, weiß dafür aber ziemlich gut Bescheid. Und dass ich einen Okada-Fahrer meines Vertrauens gefunden habe, konnte Sie auch nicht fassen. Vertrauen SEI gut, aber den Nigerianern solle ich nicht zu viel davon schenken. Warum nicht? Ist ja nicht so, dass ich hier Jedem blind vertraue. Abgesehen davon mach ich das in Deutschland ja auch nicht. Also, warum sollte ich meinem Fahrer Haruna nicht vertrauen? Ich bin von ihm abhängig (Fahrdienste) und er von mir (recht gute Bezahlung). Ist doch ne super Vertrauensbasis. Außerdem sind Okadas viel viel günstiger als Taxis und das Mittel der Wahl, wenn man nicht Stunden über Stunden im Go-Slow (lokaler Ausdruck für Stau) verbringen möchte.
Ähnliche Gespräche wie jenes mit Manjusha erlebe ich hier leider sehr oft. Klar, viele Expatriates leben schon seit Jahrzehnten in Lagos und sind vermutlich genervt von der nigerianischen Willkür und Planlosigkeit, die definitiv nicht zu verleugnen sind, aber manchmal staune ich über das extreme Misstrauen. Ich bin gespannt, welches Urteil ich mir am Ende meiner Zeit bilde. Ich halte Augen und Ohren weiterhin offen.
Um zum Thema zurückzukommen: Ich bin also am Samstagvormittag entspannt mit Haruna zum Balogun Market gefahren. Mein Fazit: Ja, es war anstrengend, überwältigend und chaotisch zugleich und Nein, es war zu keinem Zeitpunkt gefährlich. Chaotisch war es, weil der Markt wirklich riesig ist und ich keine Struktur erkennen konnte. Anstrengend, weil ich 3 Std. lang keinen anderen Weißen gesehen habe und damit absoluten Exotenstatus inne hatte. Jeder und Jede wollte mein „friend“ „sister“ oder „brother“ sein und mir einen „good price“ anbieten. Selbst die kleinsten Kinder haben mich mit „Oibo“ (Weißer/Fremder) oder „money“ angesprochen. Für 100 Meter Stoffmarkt habe ich sage und schreibe 3 Std. gebraucht. Aber weil ich freundlich sein und mir alles ansehen wollte, bin ich überall stehen geblieben und habe mir alles angehört. Auf engstem Raum versuchen die Leute ihren Stoff an den Mann/die Frau zu bringen. In einer Lautstärke –unfassbar! Die Gassen sind teilweise einen Meter breit und total verwinkelt. Ich war froh als ich aus dem Getummel wieder heile herausgekommen bin. Das einzige Foto, das ich vom Markt gemacht habe, ist leider in den Katakomben meiner Kamera verloren gegangen – SorryO wie der Nigerianer sagen würde. Aber da ich am kommenden Sonntag mit den Leuten von „starting point“ (Tanzgruppe aus Deutschland) nochmal zum Markt fahre, kann ich vielleicht 1,2 neue Bilder einfangen. Ein zweites Fazit: Ich habe 8 wunderbar bunte, afrikanische Stoffe gekauft, die in der nächsten Woche allesamt zum Schneider gehen.
Nach dem Marktbesuch habe ich mich dann gleich auf den Weg zum GI gemacht, weil abends das Konzert von Jahcoustix (deutsche Reggae-Band) auf dem Programm stand und ich unser Kulturteam unterstützen sollte. Die Band ist derzeit auf Tour und spielt an 7 verschiedenen Goethe-Instituten in Westafrika. Wir haben einige Bilder mit der Goethe-Kamera gemacht. Es folgen also ein paar Eindrücke vom Konzert und den (doch sehr relaxten!) Jungs!




Apropos relaxen: Am Sonntag hab ichs sehr ruhig angehen lassen und bin mit einigen Ösis zum Strand gefahren. Shanay hat mir einige Bilder von unserem Trip zugeschickt.


Zum Abschluss zeige ich Euch noch ein Bild von Eleonora, Vera und mir. Das Bild ist vor zwei Wochen auf einer Party entstanden. Eine kleine Info an Familie Pelster (insbesondere Linus & Philip): Vera ist das Mädel, das Ihr in der Webcam gesehen habt!

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Ach Linda, ich bin so neidisch und stolz auf Dich. Du machst alles goldrichtig! Und eine Sache ist in Nigeria ganz bestimmt nicht anders als in allen anderen Teilen der Welt, nämlich das schnelle, undifferenzierte Urteil der angeblich so klugen Leute…
Wenn die Kamera sich nicht reparieren lässt, ist das natürlich sehr ärgerlich! Ich würde ihr aber nicht allzu lange hinterher trauern, sondern lieber bald eine neue kaufen. Sonst ärgerst Du Dich vielleicht hinterher darüber, dass Du andauernd Bezug auf fremde Fotos nehmen musst und nicht Deine eigenen Erinnerungen festhalten kannst. Hängt aber wahrscheinlich vom Geldbeutel ab… Ich kann’s Dir jedenfalls nachfühlen.
Ganz viele Grüße aus EF
Mary
Hallo Linda,
es macht wirktlich Spaß deine Berichte zulesen. Ich habe sofort tolle bunte Bilder im Kopf. Also bitte weiter so. Ich freu mich für dich, dass es dir dort so gut gefällt und wünsche dir weiterhin viele spannende Eindrücke und Erlebnisse. Grüße von der Baustelle, die hoffentlich bald keine mehr ist.
Wow! Gut, dass du weiterhin so offen bleibst! Da hier (insbesondere in Bariloche) doch alles noch sehr europäisch ist, hält sich alles in einem anderen Rahmen. Allerdings gibt es auch so ein paar Sachen, die mich verwundern. Beispielsweise gibt es zwei unterschiedliche Arten von Taxen, stinknormale Taxen eben und sogenannte Remisen, die einen höheren Sicherheitsstandard bieten und dementsprechend „teuer“ sind. Das man für knapp drei Euro mit ebendiesen vom einen Ende der Stadt zum Anderen kommt, sei dabei nur kurz erwähnt 😉
Die Argentinier, die das Geld haben sowie die meisten Ausländer fahren eben mit Remisen. In Buenos Aires mag das durchaus auch noch Sinn machen, aber hier auf dem Lande? Manchmal kann man auch übervorsichtig sein, denke ich.