Kamerunerin??
Mbembe amos bivoé wam!
Ye one mvoi?
Ich weiß, es ist wirklich eine ganze Weile her, dass ich nichts von mir hören lassen habe. Ich habe inzwischen so viele Überstunden, dass ich eine Woche frei nehmen kann und außerdem ganz viele schöne Erlebnisse und Stunden im Gepäck. Das Leben hier unten schläft auch nicht. Außer sonntags. Wenn man nicht weg gefahren ist, kann man nur entweder in die Kirche gehen, waschen oder Freunde besuchen. Meistens mache ich Freundehopping. Heute aber bisher noch nicht, stattdessen war ich brav arbeiten im Radio. Da ich nächste Woche zwei Kulturveranstaltungen des Goethe-Institutes (wer will, kann ja mal gucken, was bei uns so los ist: www.goethe.de/kamerun) organisiere, die auch angekündigt werden wollen, war ich heute mit der einen Künstlerin bei zwei Radiosendern. Aufregend, aber irgendwie auch Gewöhnungssache, schließlich war ich letzte Woche schon bei mehreren. Alles sehr unterschiedlich organisiert.
In den letzten Wochen war wahnsinnig viel los, ich werde so langsam mehr und mehr kamerunisiert, das habe ich spätestens festgestellt, als ich Mitte letzter Woche mit dem gleichen Taxifahrer wie ganz zu Beginn mitgefahren bin. Mir wäre das wahrscheinlich gar nicht aufgefallen. Als sich jedoch mein Sitznachbar aus Spaß darüber beschwerte, wie ich denn als Weiße auf die Idee kommen könnte, nur 100 F CFA (Kurzstrecke im Taxi, muss man vorher ankündigen und daher die Entfernungen kennen- gelingt mir inzwischen ganz gut) zu bezahlen, meinte der Taxifahrer, das sei schon in Ordnung, ich sei schon vollständig Kamerunerin, er würde von mir gar nicht mehr Geld nehmen wollen. Man würde das schon an meiner Ausdrucksweise hören. Tja, so schnell geht das also. Spätestens seit Freitag bin ich wirklich Kamerunerin, da mir mein gesamtes Hab und Gut morgens um zehn von der Taxi-Mafia abgenommen wurde. Hinterher wurde mir von einem deutschen Kollegen erklärt, dieses Szenario sei eine Masche, jeder der es weiß, weiß es auch zu verhindern. Nun gut, ich jetzt auch. Das Ganze funktioniert folgendermaßen: Man sagt sein Ziel, im Taxi sind schon fünf Leute drin. Deshalb setzt man sich zu dem, der vorne sitzt (ist normal, macht man hier immer, sonst gilt ein Auto nicht als voll.) Dann suchen die Leute im Taxi ein Ablenkmanöver, der Spiegel der gerichtet werden muss oder sonst irgendwas. Bei mir war es der Sitz, der immer nach hinten rutschte und das gesamte Taxi gab mir Tipps, wie ich mich besser hinsetze, wo ich meinen Arm hintun soll und so weiter. Dann meinten sie irgendwann, der Stuhl ginge nicht zu reparieren, ich solle mir ein anderes Taxi suchen. Dort stellte ich dann fest, dass Handy, Fotoapparat, Portmonnee und Kreditkarte weg sind. Sehr ärgerlich, dafür wieder was gelernt. Zum Glück nicht der Pass, den nimmt man nur als Kopie mit. Gott sei Dank habe ich auch wirklich nette Kollegen, die mir die nächsten Wochen erstmal über die Runden helfen, bis die neue Kreditkarte über die Botschaftspost da ist. Auch ein Abenteuer.
Abgesehen von diesem Zwischenfall genieße ich mein Leben hier in vollen Zügen. Vor einigen Wochen waren wir am Wochenende in Mbalmayo, einer kleinen Stadt am Njango in der Nähe von Yaoundé. Die Stadt hat noch viele deutsche Züge, unter anderem eine deutsche Kirche. Nach einem kleinen Rundgang kam ich auf die glorreiche Idee, dass man doch in einer pirogue (die kleinen Fischerboote aus einem ausgehöhlten Stamm) in ein kleines, ca. 18 km entferntes Dorf fahren könnte. Gesagt getan, Problem bestand erstmal nur darin, einen Fischer zu finden, der sich dazu bereit erklärte. Also fragte ich einfach beliebig Leute auf der Straße. Die ersten beiden jungen Herren hatten zwar selbst keine pirogue, meinten aber jemanden mit einer zu kennen. Dorthin machten wir uns auf den Weg. Dessen Boot war leider kaputt, er wusste aber, dass ein Freund eine hat. Der war zwar unterwegs zum Fischen, dessen Frau brachte uns aber zu seinem Bruder. Der sprach zwar leider nur Ewondo, aber meine Ewondokenntnisse reichten inzwischen so weit, zu fragen, ob er uns in das Dorf Ebogo bringen könnte. Und los ging die Reise. Sein Boot war noch in Ebogo, also fuhren wir mit dem Taxi dahin, um dann mit der Pirogue zurückzufahren. Erst noch Benzin in Fantaflaschen holen und los ging es. In Ebogo machten wir erst eine kleine Tour durch den Wald, wo ich das Kind in mir raus lassen konnte und Affe an Lianen spielte. Und dann ging die 35 km lange Tour am Fluss entlang los. Eigentlich schnell getan, weil die Pirogue sogar einen Motor hatte. Nur leider fiel der jeden Kilometer (ohne Übertreibung!) aus. Am Anfang machte man sich noch Sorgen, doch irgendwann hatte man sich dran gewöhnt und genoss jedes Mal die ungewohnte Ruhe und lächelte still in sich hinein, weil unsere Begleiter unheimlich besorgt waren, ins Wasser zu fallen. Kameruner können nämlich grundsätzlich nicht schwimmen und wenn sie sagen, dass sie schwimmen können, dann heißt das, dass sie sich gerade so über Wasser halten. Eine Erfahrung, die ich später noch ausgeprägter machen sollte. Die Fahrt dauerte auf diese Weise um einiges länger als geplant, vor allem, weil wir dann auch noch in einen Strudel kamen und der Motor leider vollständig versagte. Da unsere Pirogue außerdem größer war als die anderen, gab es einige Probleme durch diesen Strudel zu kommen ohne auf Grund zu stoßen. Doch die Fischer rundherum waren hilfsbereit, ich durfte vom Boot heraus deren Pirogue halten, während sie unsere Pirogue durchs Wasser schoben und zogen. Wir als Weiße kamen uns doch sehr hochnäsig vor, so im trockenen Boot zu sitzen, aber glücklicherweise blieben unsere beiden schwarzen Begleiter auch passiv. Kurz vor Mbalmayo fiel der Motor dann komplett aus bzw. zur Hälfte ins Wasser. Ein großartiges Erlebnis trotz oder gerade wegen aller Zwischenfälle, sich so mit dem Boot durch den Regenwald zu schlängeln.
Am Wochenende drauf fuhren die andere deutsche Praktikantin und ich einen Freund in Kribi besuchen – der wahrscheinlich einzige touristische Ort in Kamerun, am Strand. Das Wasser ist wärmer als Badewanne, nur mit mehr Wellen. Samstagnachmittag fuhren wir zu den Chutes de Lobé, den einzigen Wasserfällen der Welt, die direkt (beziehungsweise fast direkt) ins Meer fallen. Natürlich kam Karin auf die Schnapsidee, diese oberhalb zu Fuß zu überqueren. Am Ende waren wir alle sehr nass, aber auch sehr glücklich, hatten wir doch verstanden, wie man einen Wasserfall am besten überquert: fühlen, tasten, nicht auf glitschige Steine treten, sondern nur auf Pflanzen im Wasser, die helfen nämlich, Halt zu finden. Am nächsten Tag fuhren wir in das benachbarte kleine Fischerdorf Londji, idyllisch am Strand gelegen und weil Sonntag war, waren auch alle Boot da und die Kirchen gefüllt. Sofern 400 Menschen die insgesamt sechs Kirchen füllen können. Jedenfalls tönte über all der Idylle ein ständiger mehr oder weniger melodischer Singsang bzw. moralische Lehren über die Sünden des täglichen Lebens. Dafür ist im Gottesdienst bei einer Mindestdauer von drei Stunden ja auch genug Zeit. Manche Leute kommen deshalb auch extra nur zu dem Teil des Gottesdienstes, in dem getanzt wird – nachvollziehbar, auch wenn die Pfarrer verzweifelt versuchen, dagegen anzukämpfen, indem sie die Gottesdienstuhrzeiten immer mal wieder verändern, leider vergeblich, weil sich doch alles herumspricht. Nachmittags, zurück in Kribi, ging es zum Abschied noch mal an den Strand. Ich schwamm mit jemandem (den ich im Wasser getroffen habe), ein ganzes Stück weit raus, woraufhin er mir versicherte, dass ich die einzige Weiße bin, die jemals diesen Fleck Erde beschwommen hätte, weil alle anderen Weißen immer Angst vor dem Meer hätten. Wieder zurück mit Boden unter den Füßen, standen ungefähr 35 Kameruner Männer mit großen Augen im Wasser und fragten mich, wie ich das denn bitte auf die Beine gestellt hätte, ob es da draußen nicht tief sei und ob man da noch stehen könnte. Was ich verneinte und ihnen zeigte, wie Schwimmen funktioniert. Daraufhin versicherten sie sich erstmal, dass ich nicht lüge und meine Beine wirklich nicht den Boden berühren. Dann überlegten sie eine Weile, probierten ein bisschen und meinten dann, das liege an meinem Gewicht, sie seien einfach zu schwer, das Wasser trage sie nicht. Von da an hatte ich für die nächsten drei Stunden 35 Schüler zwischen fünf und fünfzig Jahren. Zumindest einige von ihnen hatten am Ende die Grundzüge verstanden. Leider mussten wir uns dann in Richtung Bus bewegen und die Heimreise antreten. Busfahren ist immer ein besonderes Abenteuer und braucht viel Geduld, Ausdauer und vor allem starke Nerven: wenn vorne die betrunkene Mami mit mir durch den Bus auf Ewondo diskutiert, in der Mitte sich die Männer streiten, wer neben mir sitzen darf und von hinten ständig lautstark Tipps kommen, wie man sich gegen all das wehren sollte, dann muss man doch tief durchatmen, um sich nicht in einen deutschen ICE zu wünschen. Kameruner mischen sich gerne in alles ein und scheren sich nicht darum, ob sie vielleicht andere stören könnten. Dementsprechend hoch ist der Lärmpegel. Meine Ohrstöpsel tun mir gute Dienste, aber all das ist auch eine Gewöhnungssache. Dafür wird man auch einfach überall mit hin genommen, darf alles mit machen und ist immer und überall willkommen. Man tut in Kamerun alles, um dem Gast das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Was andererseits auch jeder Gast erwartet, wenn er bei dir zu Besuch ist und das kann zu jeder Tages- und Nachtzeit und vor allem meistens ohne Ankündigung der Fall sein. Dass man sonntags vielleicht einmal länger als nur bis acht schlafen will, wird als merkwürdige Marotte aufgefasst und jedes Zeichen, dem Gast abends zu zeigen, dass man so langsam ins Bett möchte, wird geflissentlich übersehen. Hier müssen Dinge schon direkt ausgesprochen werden, aber das wird dafür auch nicht als unhöflich angesehen – wer etwas möchte oder nicht möchte, kann das schließlich auch sagen. Aber dass man manchmal das Bedürfnis nach ein wenig Privatsphäre hat, kann sich hier kaum jemand vorstellen, das Leben findet nun einmal quasi öffentlich statt. Heute hat man mir zumindest eine Stunde allein gegönnt, bevor die Nachbarin kam, um eine Fernsehserie zu schauen.
Seit gestern habe ich auch den enorm großen Vorteil, Ehrenmitglied eines Dorfes in der Nähe von Bamenda (Nord-West Provinz von Kamerun, anglophoner Teil des Landes) zu sein. Was mir das nützt, wird sich zeigen. Wie es dazu kam? So wie es mir hier irgendwie meistens geht: ich war auf dem Weg zu einem Freund, da traf ich auf eine Gruppe von jungen, schon ziemlich angetrunkenen Leuten. Meine neugierige Frage, was denn gefeiert würde, wurde ausführlich und sehr kompliziert beantwortet: offensichtlich war einige Jahre vorher jemand aus der Familie gestorben und deshalb wurde ihm zu Ehren jedes Jahr eine mehr oder weniger große Versammlung gemacht, mit eher mehr als weniger Alkohol. Man muss aber auch zugeben, dass es beim Palmwein schnell geht, vor allem bei der Wärme. Als ich das herausgefunden hatte, war ich auch schon mitten drin: Komm doch mit, wir haben nachher Versammlung, die ist größer als die hier. Und wie ich so bin, ändere ich spontan meine Pläne, beziehungsweise verschiebe sie auf später. Und los geht die Wanderung, eigentlich nur ein paar Häuser weiter, aber in Kamerun läuft man nicht schnell, vor allem nicht sonntags. Bei der etwas größeren Versammlung angekommen, wird erstmal Palmwein ausgeschenkt, natürlich mir zuerst, schließlich bin ich Gast. Doch dann gehen die Diskussionen einfach weiter, als wäre ich nicht da. Leider in ihrer Sprache, die mir nicht geläufig ist. So verbringe ich die nächsten eineinhalb Stunden damit, zu versuchen herauszukriegen, um was es geht, ohne ein Wort zu verstehen. Manchmal fällt ein englisches Wort, so wie Zeit- oder Geldangaben, die meisten Volkssprachen haben für Tage, Wochen, Monate und sonstige Zeitrelationen keine Begriffe. Irgendwann hatte ich heraus, dass sich jeden Sonntag alle Menschen aus einem Dorf versammeln, die sich in Yaoundé befinden. Ziel ist es eigentlich, dem Dorf zu helfen, unter anderem einen Brunnen zu bauen und Elektrizität dorthin zu bringen. Bisher habe ich das Gefühl, es bleibt bei den Diskussionen und dem Palmwein, aber vielleicht täuscht der Eindruck auch. Irgendwann war es dann an mir, mich vorzustellen. Nachdem ich mich zuerst entschuldigt hatte, dass ich mich leider nur auf Englisch vorstellen kann und dass ich in Hosen gekommen bin (bei traditionellen Treffen ist es doch noch Regel, im Kleid zu kommen, aber als ich aus dem Haus gegangen bin, wusste ich ja noch nicht, dass mein Sonntag Abend auf einer solchen Versammlung enden würde), wurde ich mit Begeisterung und viel Feierlichkeit aufgenommen und willkommen geheißen. Ich hatte gezeigt, dass ich ihre Kultur akzeptiere, was mit lautem Klatschen und Begeisterungsaufrufen aufgenommen wurde. Jetzt stehe ich also auf der Liste der Ehreneinwohner des Dorfes, dessen Name ich schon wieder vergessen habe und dessen Sprache ich nicht spreche. Aber jeder dort wird mich mit Begeisterung in seinem Haus aufnehmen, wenn ich zu Besuch komme.
Inzwischen ist es so, dass ich, wenn ich morgens aus dem Haus gehe, mehr Zeit als gewöhnlich einplanen muss, weil doch mit jedem, den man auf der Straße trifft, noch ein oder zwei Worte gewechselt werden müssen, bevor es nicht unfreundlich erscheint, darauf zu verweisen, dass man zur Arbeit muss. Und inzwischen kenn ich doch die meisten und gehöre oft schon dazu. Aber ein bisschen fremd bleibt man wohl immer, obwohl das manchmal auch nur das Gefühl ist, in der Runde etwas Besonderes zu sein. Und das muss auch nicht schlecht sein.
Ich grüße und drücke euch alle ganz herzlich und hoffe, dass in Deutschland inzwischen auch der Frühling eingekehrt ist. Jetzt, nachdem sich die Vulkanwolke verzogen hat.
Eure Karin
PS: Wer die Begrüßung leider nicht verstanden hat, bekommt hier gratis noch eine Übersetzung dazu:
Guten Tag meine Freunde!
Wie geht’s?
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Heyhey!
Endlich Nachrichten aus Kamerun – schön! Sehr interessant geschrieben… hoffentlich ist bei dem Schwimmunterricht niemand ertrunken?! 😉
Freu mich schon aufs Zwischenseminar!
LG aus Kenia
Hannes