erste Eindrücke
Liebe Freunde,
es ist soweit: ich darf mich nun fast ganz offiziell mit dem Titel Bachelor of Arts bezeichnen. Gut, ich gebe zu, es fehlen noch die letzten Details, wie zum Beispiel das Ergebnis meiner Abschlussarbeit oder ein Zeugnis. Doch dies, wie gesagt, Kleinigkeiten. Nachdem ich vor fast vier Wochen meine Arbeit abgegeben habe, war die Erleichterung groß, doch ein wenig leer fühlte ich mich doch, so ganz ohne das, was mich die letzten Monate beschäftigt hatte. Dafür blieb aber nicht besonders viel Zeit, denn wie immer hatte ich knapp kalkuliert und steckte kurz darauf in den Vorbereitungen für mein nächstes ‚Projekt’: Kamerun. Ich hatte mich letztes Jahr bei Kulturweit, dem Freiwilligendienst des Auswärtigen Amtes, dessen Fokus auf der interkulturellen Zusammenarbeit liegt, beworben und im Dezember erfahren, dass mein Einsatzort Kamerun sei. In den letzten Monaten verbrachte ich dann meine Zeit neben der Bachelorarbeit mit Visum, zahlreichen Impfungen und ähnlichen Reisevorbereitungen. Nach zehn Tagen intensivem Vorbereitungsseminar in Werbellinsee mit verschiedensten Workshops, der Möglichkeit, die anderen Freiwilligen näher kennenzulernen und einem obligatorischen Besuch im Auswärtigen Amt mit Fototermin mit Westerwelle, hatte ich noch einmal drei Tage zum Packen, bevor es endgültig losging. Und so sitze ich nun auf meinem Balkon in Yaoundé, der Hauptstadt von Kamerun und kann es noch nicht so ganz glauben. Eine Stadt, die nie leise ist und in der man quasi nie allein ist. Eine Stadt, die wahnsinnig grün und gleichzeitig schmutzig und eklig ist.
Heute geht mein zweiter vollständiger Tag zu Ende und heute habe ich es endlich mal geschafft, ein bisschen allein und zu Fuß die Stadt zu erkunden. Die Leute vom Goethe-Institut, wo ich die nächsten sechs Monate arbeiten werde, kümmern sich wahnsinnig lieb um mich und besonders die Leiterin will mich am liebsten keinen Schritt allein zu Fuß vor die Tür gehen lassen. So wurde ich bisher vom Fahrer Mister Ali überallhin gebracht. Ali hat inzwischen den Ehrgeiz entwickelt, mich in sämtliche Biersorten Kameruns einzuweisen. So habe ich mich gleich am ersten Abend dazu überreden lassen, noch ein „kleines“ Bier mitzutrinken. Klein ist hier relativ, die Einheitsgröße sind 1-Liter-Flaschen, drunter gibt’s nichts. Aber gut, ich habe mich angestrengt, Ali nicht zu enttäuschen.
Heute wurde ich dann in die Selbstständigkeit entlassen und ich habe mich prompt in der Stadt verlaufen. Schon mal versucht, eine Stadt ohne Stadtplan, ohne Straßennamen und ohne Sonne, nach der man sich richtungsmäßig orientieren kann, zu erkunden? Heute Vormittag gab es nämlich erst einmal einen richtigen tropischen Regenschauer, der laut den wettergeprobteren Leuten im Institut doch ungewöhnlich lang dauerte und dementsprechend die Straßen unter Wasser setzte. Heute Nachmittag war es dafür wieder trocken und ich machte mich auf den Weg. Über meine Hautfarbe bin ich nun auch nicht mehr im Zweifel, nachdem ich ungefähr, und das ist nicht übertrieben, 80 Mal als ‚la blanche’ (die Weiße) bezeichnet wurde. Also nie wieder ein Wort darüber, dass ich so braun sei! Besonders die Männer freuen sich, wenn man ihnen zurück Hallo sagt, sie anlächelt und ihr Angebot, sie nach Hause zu begleiten, dankend und vielleicht etwas bedauernd ablehnt. Nachdem ich also vom Goethe-Institut, das sich in einem der reichsten Viertel Yaoundés befindet, über einige Umwege im Stadtzentrum angekommen war, war das Lächeln auf meinem Gesicht ein wenig eingefroren. Aber das merkte niemand, das Highlight für die Leute auf der Straße scheint es zu sein, überhaupt von einer Weißen angelächelt zu werden. Dann häufen sich die Komplimente unabhängig davon, ob man einen Mann oder eine Frau angelächelt hat. Zuerst hatte ich Angst, dass vor allem die Männer mich anfassen und irgendwie bedrängen würden, doch im Gegenteil: eine gewisse Distanz wird immer gewahrt. Durch mein wenig zielgerichtetes Schlendern durch die Stadt kam ich unglücklicherweise in einen der weniger gut betuchten Vororte der Stadt, ein interessantes, wenn auch unheimliches und etwas beklemmendes Erlebnis. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich nicht lange dort geblieben bin und mich schnell wieder auf den Rückweg gemacht habe. Vielleicht später, wenn ich mich ein bisschen besser auskenne. Höhepunkt des Tages war meine erste Fahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das System ist so praktisch wie einfach: es fahren unzählige Taxis durch die ganze Stadt und man steht einfach am Straßenrand und hat einen suchenden Blick. Als Weiße braucht man den nicht mal, die Taxis fahren sowieso langsam an dir vorbei. Dann rufst du ins Fenster deinen Zielort und entweder der Taxifahrer hält an oder fährt weiter, je nachdem, wohin die anderen Fahrgäste wollen. Meistens sitzt man zu acht in einem Fünf-Mann-Auto. Da kann man nur hoffen, nicht in den Berufsverkehr zu kommen. Normale Entfernungen kosten 200 CFA (also ca. 25 Cent), je weiter und je weniger Fahrgäste umso teurer. Aber das ist Verhandlungssache und letztendlich persönliche Entscheidung des Taxifahrers.
Kamerun auf den ersten Blick erscheint total verrückt: Schweine werden lebendig aufs Dach gebunden und auf diese Weise transportiert, es gibt tatsächlich am zentralen Kreisverkehr eine Straße, die quer durch geht und mit der man die gesamte Runde vermeidet. Diese ist jedoch für den Präsidenten der Republik reserviert und man riskiert hohe Strafen, wenn man die Straße trotzdem benutzt. Ein Frühstück gemeinsam mit zahlreichen bunten Geckos finden hier alle normal, für mich noch ein totales Abenteuer. Auto darf sich hier einfach alles nennen, das vier Räder hat, obwohl ich mir selbst da nicht sicher bin.
Was Kamerun auf den zweiten Blick bedeutet, kann ich noch nicht sagen. Das werde ich die nächsten Wochen erforschen, erleben und diskutieren. Gestern habe ich auf der Abschlussveranstaltung des Frauenfilmfestivals ‚Mis me binga’ den Organisator kennengelernt, der an der Universität Yaoundé I Filmwissenschaften studiert und mir jetzt die Stadt von der seiner Meinung nach richtigen Seite zeigen will. Er kommt aus einem kleinen Dorf im Westen Kameruns und sein Stamm ist dort nach den traditionellen Hierarchien sortiert. So gibt es einen ‚Chef de village’, der sieben so genannte ‚Notables’ hat. Er meinte das Prinzip sei sehr ähnlich zu Jesus und seinen Jüngern, nur dass die mehr waren. Er ist einer von den Notablen und gab zu, dass das nicht so besonders viel Sinn macht, wenn man sich selbst in der Hauptstadt befindet. Aber das ist ein ererbtes Amt. Jedenfalls will er mich demnächst mal mit ins Dorf nehmen. Na, das kann spannend werden.
Ihr seht, ich bin gut angekommen und lebe mich so langsam ein. Noch bin ich die Abende nur kaputt und will einfach nur schlafen. Ich meine, 40 Grad Temperaturunterschied wollen auch erstmal gemeistert werden!! Außerdem das übliche organisatorische Chaos mit Bank und Wohnung und natürlich kommt noch eine Portion Heimweh dazu.
Ich freue mich deshalb immer über Meldungen von euch! Wie zu erwarten, dauert das in Kamerun alles etwas länger und ist etwas komplizierter. Internetverbindung habe ich meistens im Goethe-Institut, wenn da nicht mal wieder alles zusammenbricht. Ich freue mich natürlich auch wahnsinnig über Post!!
Hier meine Kontaktdaten:
Karin Gäbel
c/o Goethe-Institut Kamerun
Bastos
Rue Joseph Mballa Eloumden (Rue 1.077)
1067 Yaoundé
Kamerun
Fotos kommen das nächste Mal, ich bin momentan noch etwas schüchtern mit Fotografieren und muss mich erstmal an die Mentalität hier gewöhnen.
Herzallerliebste Grüße aus dem fernen Afrika!!
Eure Karin
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