Strafen und körperliche Züchtigungen.

Wie soll ich diesen Artikel nur beginnen. Es fällt mir unheimlich schwer darüber zu schreiben.

Ich bin schockiert!

Immer wieder werde ich mit dem Thema Gewalt und Strafen konfrontiert. Ich habe schon oft darüber nachgedacht, ob ich einen Bericht veröffentlichen kann.
Ich denke, genau wie ich über positive Erlebnisse berichte, steht es mir auch zu über für mich negativ erlebte Situationen zu schreiben.

Dieses Thema ist jeden Tag aktuell und oft sehr belastend für mich, darum habe ich mich entschieden nun darüber zu berichten.

Vorweg möchte ich sagen, dass alles was ich schreibe ausschließlich meine eigene subjektive Wahrnehmung und ich die Tatsachen so beschreibe, wie ich sie erlebt und empfunden habe.

Körperliche Übergriffe sind teilweise fundamentale Eigenschaften der kenianischen Kultur. Ob das gut oder schlecht ist, steht mir nicht zu zu bewerten, jedoch neige ich immer wieder dazu es zu beurteilen. Dies liegt höchstwahrscheinlich daran, dass ich nur die deutsche Kultur zum Vergleich ziehen kann und in dieser Kultur körperliche Züchtigungen schön seit vielen Jahren nicht mehr üblich sind.

Immer wieder erlebe ich es, dass Schülerinnen von morgens bis abends neben einem Baum stehen, dass sie mehrere Stunden auf dem Rasen mit dem Kopf auf einem Backstein liegen, Holz zur Küche tragen oder den Boden mit einem Lappen in der Hand putzen.

Das alles sind die kleineren Züchtigungen für „fehlerhaftes“ Verhalten.
Was bedeutet eigentlich fehlerhaftes Verhalten?

Wenn die Schülerinnen zu spät zum Unterricht kommen, im Unterricht einschlafen, wenn sie ihre Hausaufgaben nicht machen oder wenn sie eine Strafe bekommen.
Ja tatsächlich ist es so, dass wenn eine Schülerin eine Strafe bekommt und ein anderer Lehrer das mitbekommt und nicht gut findet, bekommt die Schülerin die nächste Strafe dafür, dass sie eine Strafe bekommen hat.
Wo ist das die Logik ?
Ist das nicht ein unendliches Spiel ?

Die Schülerinnen der Form 1 und 2 dürfen erst um 21.30 Uhr und Schülerinnen der Form 3 und 4 um 22.30 Uhr ins Bett gehen. Vorher werden sie nicht in die Schlafsäle gelassen.
Am nächsten Morgen müssen sie alle um 5 Uhr aufstehen, um die Schule zu putzen, zu lernen und Hausaufgaben zu machen. Am Wochenende dürfen sie ausschlafen. Das bedeutet sie dürfen bis 6 oder  7  Uhr schlafen.
Und dann wundert man sich, dass die Schülerinnen müde sind. Das kann ich nicht nachvollziehen.
Das bedeutet, dass die Strafen schon vorprogrammiert sind, alleine dadurch, dass die Schülerinnen alle übermüdet sind.

Was mich jedoch veranlasst hat, diesen Bericht zu schreiben, war ein anderer Grund.

Letzten Montag war ich morgens nicht in der Schule, da es mir nicht so gut ging. Emmah kam mich nach dem Unterricht besuchen und erzählte mir, dass sie allen Schülerinnen die Ohren umgedreht hätte, weil ihre Klausuren so schlecht gewesen seien. Einer Schülerin hätte sie jedoch in den Arm gekniffen, da sie eine Verletzung am Ohr gehabt habe.

Schockierend fragte ich nur weshalb sie das gemacht habe, es würde ja wohl reichen, die Schülerinnen auf ihre Fehler hinzuweisen.

Daraufhin entgegnete Emmah, dass die Schülerinnen es so viel besser lernen würden, da sie diesen Fehler dass nächste Mal vermeiden würden. Zudem komme, dass ein Plastikstock viel besser gewesen sei.

Ungläubig fragte ich nach, ob sie wirklich einen Plastikstock meinen würde.

Sie nickte heftig und wiederholte zu meinem Unverständnis, dass sie einen Plastikstock meinen würde, da man damit besser zuhauen könne.

Mir fehlen die Worte und noch immer kann ich es einfach nicht nachvollziehen. Außerdem will ich es auch nicht verstehen, da ich dieses Verhalten absolut verurteile.

Ich habe noch lange Zeit darüber nachdenken müssen. Außerdem habe ich mich auch sehr schlecht gefühlt, da ich nicht dagewesen bin, denn wenn ich da bin, macht Emmah sowas echt selten, da ich sie bisher immer davon abhalten konnte.

Ich beschloss sie am nächsten Tag erneut darauf anzusprechen, da ich es einfach verstehen möchte, was es bringt, Schüler mit Gewalt zu züchtigen.

Sie erklärte mir „andere Länder andere Sitten.“
Diese Antwort hat mich einfach nur sehr verärgert.
Was bitte bringt es, dass Kinder mit Angst lernen ?
Es ist nicht das Fehlverhalten was sie einsehen, wenn sie sich beim nächsten Mal anders verhalten. Es ist die Angst!

Emmah wiedersprach mir, denn sie ist davon überzeugt, dass es was bringt wenn man die Kinder körperlich bestraft.

Ich fragte sie, ob sie denke, dass sich in 50 Jahren was verändern würde.
Darauf wusste sie keine Antwort.
Ich persönlich denke, dass sich einfach nichts verändern kann, wenn sich in der Denkweise der Menschen nichts verändert. Und da viele Menschen, vorallem die ältere Generation, davon überzeugt ist, dass es gut ist Kinder zu schlagen, wird es noch sehr lange dauern, bis sich etwas ändert.

Das stimmt mich unheimlich traurig. Jedoch geben mir die Schülerinnen ein wenig Hoffnung. Als ich die Schülerinnen gefragt habe, ob sie es gut finden, dass sie geschlagen werden und ob sie dieses mit ihren Kindern auch tun würden, sagten die meisten, dass sie dies nicht an ihre Kinder weitergeben wollen.

Jedoch besteht ein weiterer Unterschied zwischen der Denkweise der Männer und der Frauen.

Ich kann leider nichts verändern, ich kann höchstens dazu beitragen, dass die Leute ihr Verhalten hinterfragen.
Es tut mir unheimlich weh und belastet mich auch sehr.

Ich kann nur hoffen und wünschen, dass es sich in den nächsten Jahren bessert.

Eure Meinungen zu diesem Thema interessieren mich, habt ihr Ideen oder Tips, wie ich mit diesem Thema umgehen sollte oder was ich zu einer Veränderung beitragen könnte?
Ich freue mich über jedes helfende Wort.

Danke!

 

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4 Antworten zu Strafen und körperliche Züchtigungen.

  1. Papa sagt:

    Hey. Wir haben ja auch schon öfter darüber gesprochen. Als wir dich besucht haben, haben wir ja einhellig festgestellt das es zwar Autos gibt jeder ein Handy benutzt und die Klamotten auch eher aus Europa kommen als aus der landesherstellung aber ansonsten Kenia (obwohl schon eines de reicheren ostafrikanischen Länder) locker 100 Jahre hinter unserer europäischen Entwicklung hinterher hinkt. Also mach es so wie bisher. Sei da für die Schülerinnen. Wenn es passt Berichte über unsere Werte und Lebensweisen und verzweifle nicht an dem was du erlebst. Es sind eben die hundert Jahre dazwischen. Bussi papa

  2. ulrike Sommer sagt:

    Liebe Johanna,
    dein Bericht ist wirklich sehr ehrlich und darum umso ergreifender.Wir haben ja schon so oft darüber gesprochen und ich denke schon dass du etwas dazu beitragen kannst, in den Köpfen von manchen Menschen welche dir dort begegnen aber vor allem bei Emmah etwas zu bewegen. Aber es wird noch sehr lange dauern, leider.
    Du wirst es hoffentlich im Laufe deines Lebens noch sehen können, dass sich dein großer Einsatz dort in Kenia gelohnt hat, denn

    „Jeder einzelne Wassertropfen wächst zu einem reisenden Fluss heran!!!“

    Es dauert eben seine Zeit aber es ist ein gemeinsamer Anfang, zu welchem du mit deinem unermüdlichen Einsatz beiträgst.

    In Liebe,
    deine Mama

  3. Gabi sagt:

    Meine liebe Johanna,
    ich kann dein Gefühl gut verstehen und nachempfinden. Wie unmenschlich und unsinnig uns so ein Bestrafen erscheint. Aber leider hat Emmah recht,wenn sie sagt andere Länder andere Sitten.
    Ich glaube, du tust schon ganz viel, wenn du so mutig bist,diese Probleme anzusprechen.
    Es wird etwas bewirken, auch wenn es lange dauert. Ich wünsche dir ganz viel Kraft und Hoffnung für alle Begegnungen.
    Sei lieb umarmt! Gabi

  4. Julia sagt:

    Liebe Johanna,

    mit großem Bestürzen habe ich deinen Artikel gelesen. Als ich ein halbes Jahr in Meru war, habe ich nie mitbekommen, dass Emmah Schülerinnen bestraft hat. Damals sind mir die Bestrafungen nur aufgefallen, wenn Schüler schlafend draußen auf der Wiese liegen mussten oder stundenlang neben einem Baum stehend, sich die Zähne putzen sollten. Ich habe dann schon auch nachgefragt, weshalb das so ist und was es bringen soll. Der Sinn hat sich mir leider meist nicht erschlossen. Wichtig ist, dass du nicht aufgibst und das Thema immer wieder, wenn es passend ist, zur Sprache bringst und ich denke, bzw. ich hoffe, dass Emmah auch irgendwann mal anfängt umzudenken. Mit den anderen Lehrern darüber zu reden, stelle ich mir schwierig vor, da deren „Horizont“ eingeschränkter ist als der von Emmah. Schließlich war sie schon mehrmals in Deutschland…
    Ich habe aber auch gemerkt, dass es für die Mädchen wichtig ist, wenn sie eine Vertraute haben, wenn sie merken, dass du anders denkst und sie sich bei dir ausweinen können. Versuche für sie dazusein und ihnen zuzuhören, auch wenn es oft nicht leicht wird. Ich drücke dir die Daumen mit den Problemen und uneinsichtigen Menschen umgehen zu können. Wenn du möchtest, kannst du dich gerne bei mir melden.

    Liebe Grüße
    Julia

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