Es ist „Winter“ geworden in Cochabamba. Würden sich die Cochabambin@s nicht über zehn Grad in der Nacht beschweren und gäbe es in der Schule nicht den „Winterstundenplan“, der aufgrund dieser bitteren Kälte eingeführt wurde, hätte ich das von selbst wohl nicht bemerkt. Ich erfreue mich nach wie vor an den ca. 30 Grad, die jeden Nachmittag erreicht werden.
Als ich gesehen habe, wann ich hier auf dem Blog den letzten Artikel veröffentlicht habe, konnte ich kaum glauben, dass es nun schon fast drei Monate her ist – so voll war die letzte Zeit, so schnell ist sie vergangen. Hier nun also ein kurzes Life-Update von mir. In nächster Zeit werde ich noch andere, auf ein Rahmenthema begrenzte thematische Artikel zu Bolivien veröffentlichen. Versprochen!
Als ich Anfang letzter Woche aus Santa Cruz kommend in Cochabamba landete, (mein Vater hatte mich zwei Wochen besucht und wir waren gemeinsam durch Bolivien gereist) hatte ich wie so oft in den letzten zwei Monaten nach einer Reise dieses unfassbar schöne Gefühl, wenn ich nach Cochabamba zurückkomme – ein Gefühl angekommen zu sein, fast schon nach Hause zu kommen. Es überrascht mich selbst, wie schnell ich mich nicht nur an meine neue Lebenswelt gewöhnt, sondern sie wirklich ins Herz geschlossen habe.
Das Wichtigste, um sich in einer Stadt angekommen und nicht allein zu fühlen, sind meiner Meinung nach die Menschen, mit der man sie verbindet. Und in dieser Hinsicht kann ich mich wirklich nicht beschweren – im Gegenteil, ich hätte nicht gedacht, dass ich in so kurzer Zeit schon so viele Menschen kennenlernen würde. Nach meiner Kenntnis einzigartig für Bolivien gibt es in Cochabamba einmal pro Woche das Tandem, eine Art Konversationscafé, in dem man sich auf verschiedenen Sprachen unterhalten und so neue Menschen kennenlernen kann. Großartig für mich als Ausländer ist hierbei, dass man dort insbesondere viele Bolivianer*innen trifft, die dazu Lust haben, Menschen aus anderen Ländern kennenzulernen.
Da Cochabamba nur von sehr wenigen Menschen aus anderen Ländern besucht wird, sticht man hier als weißer Europäer den meisten Menschen sofort ins Auge. Selbst auf der Straße, in Cafés oder an der Kasse im Supermarkt habe ich schon erlebt, dass ich gefragt wurde, woher ich denn bin und was mich hier nach Cochabamba gebracht hat. „Cómo es Alemania?“ – diese Frage wird mir so oder so ähnlich in den meisten dieser Gespräche schnell gestellt. Auch, wenn es mit keinem Mal leichter wird, diese Frage in welcher Form auch immer zu beantworten, bin ich jedes Mal aufs Neue beeindruckt von der Offenheit und dem Interesse, mit dem mir die allermeisten Bolivianer*innen begegnen.
Bereits als ich das erste Mal ins Tandem ging, habe ich eine Gruppe von bolivianischen Lingustikstudent*innen kennengelernt, die mich – ich kann es nicht anders sagen – direkt ins Herz geschlossen haben. Man glaubt es kaum, aber hierzu hat auch beigetragen, dass sie alle Französisch studieren und sich sehr darüber freuten, mit mir auch manchmal auf Französisch reden zu können. Schon bald wurde ich von ihnen immer wieder Abends zum Essen oder zum Feiern mitgenommen. In Bolivien ist es üblicher als in Deutschland, sich in sehr großen Gruppen zu treffen, außerdem ist es nicht so starr, wer dabei sein darf und wer nicht. Und so lernte ich sehr schnell sehr viele neue Leute kennen.
Ich hätte niemals gedacht, dass Französisch so eine wichtige Rolle in meinem Alltag hier in Bolivien spielen würde. Kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, wurde ich von den Linguistikstundent*innen zu einem Kochabend mit einer französischen Freiwilligen eingeladen, die an der Universität hier in Cochabamba arbeitet. Schon bald traf ich mich auch so mit A., die mittlerweile zu einer meiner engsten Kontakte in Cochabamba geworden ist. Über sie lernte ich auch nochmal ganz andere, sehr interessante Menschen kennen. Außerdem nehme ich nun, wann immer ich kann, zweimal die Woche an ihren Aktivitäten in der Uni teil, einer französischen Filmprojektion sowie dem „café français“, eine Art Konversationsclub auf Französisch.
Soziale Kontakte sind auch der Schlüssel dazu, immer besser im Spanischen zu werden. Seit ich mehrere Abende pro Woche stundenlang Spanisch spreche und mich auch in der Schule mehr traue, merke ich, wie ich mich fast wöchentlich verbessere. Mit anderen Internationals kann ich nun eigentlich problemlos auf Spanisch kommunizieren. Ich hoffe, dass dies bald auch mit den Bolivianer*innen der Fall sein wird. Insbesondere in größeren Gruppen habe ich das Gefühl, häufig nicht wirklich mitzukommen, gerade bei den Student*innen, die wirklich sehr viel Slang benutzen und in Lichtgeschwindigkeit sprechen. Ich muss mich hier immer sehr konzentrieren, um etwas mehr als die Hauptpunkte zu verstehen. Oft ist es eine frustrierende Erfahrung, so intensiv mit dem Verstehen beschäftigt zu sein, dass man sich de facto nicht am Gespräch beteiligen kann, obwohl man es gerne würde. An doch immer wieder auftretenden Erfolgserlebnisse merkt man trotzdem, dass man sich immer weiter verbessert, so etwa, wenn man nach ein paar Stunden Gespräch auf Spanisch vergisst, dass es sich um eine Fremdsprache handelt oder man einen besonders schönen Satz gebildet hat. Vor ein paar Tagen hat mit eine Ecuadorianerin auf der Durchreise gesagt, dass ich schon den Akzent eines Cochabambinos habe – da war ich echt stolz auf mich.
Außerdem hatte ich in den letzten Monaten bereits das Privileg, viele verschiedene Teile und Facetten von Bolivien entdecken zu können – in Bolivien gibt es häufig Feiertage und lange Wochenenden. Ich werde noch detaillierter berichten, im Folgenden jedoch einige Impressionen:
Meine erste Reise innerhalb Boliviens führte mich nach La Paz, das zusammen mit El Alto eine der beiden großen Metropolregionen Boliviens bildet, auf ca. 3500 Metern liegt und damit den höchsten Regierungssitz der Welt darstellt.
Nur wenig später reiste ich mit meinen Mitfreiwilligen an den „Salar de Uyuni“, den größten Salzsee der Welt – sowie die „Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Abaroa“, einem Nationalpark in den bolivianischen Anden. Hier haben wir in der zweiten Nacht auf ca. 4500 Metern geschlafen.
Für unser Zwischenseminar trafen wir Freiwillige uns dann in Santa Cruz de la Sierra, der Wirtschaftsmetropole Boliviens, die mit ihrem tropischen Klima im krassen Kontrast zum andinen La Paz steht. Teilweise fühlt man sich hier sehr an den Westen erinnert.
Mitte Juni besuchte ich schließlich Tarija, eine Stadt im Süden Boliviens, die insbesondere für ihren Weinanbau bekannt ist – fast wie ein kleines Bordeaux Boliviens.
Schon bald besuchte mich dann mein Vater in Bolivien, wobei wir nochmals nach La Paz, Uyuni und Santa Cruz de la Sierra reisten. Neu war für mich die Landstadt Samaipata mit der UNESCO-Weltkulturerbestätte „El Fuerte de Samaipata“ sowie dem „Parque Nacional Amboró“ – mein erstes Mal im bolivianischen Amazonas.
Selbstverständlich bin ich aber in den letzten Monaten nicht nur gereist, sondern habe zwischendurch auch noch gearbeitet. Nach wie vor bin ich sehr glücklich mit meiner Einsatzstelle. In manchen Phasen habe ich sehr viel zu tun – so etwa, wenn viele Lehrer*innen krank oder anderweitig abwesend sind oder es gilt, ein Projekt zu organisieren – in anderen Zeiten ist es ein bisschen ruhiger und ich muss mir sehr aktiv Arbeit suchen, damit mir nicht langweilig wird. Aktuell bin ich in der Schule neben der Unterstützung des täglichen Unterrichts – nach wie vor fast ausschließlich in der Sekundarstufe – insbesondere mit den Vorbereitungscamps für die Prüfungen der Sprachdiplome „DSD I“ und „DSD II“ sowie dem Landeswettbewerb von „Jugend debattiert“ beschäftigt, den unsere Schule im September ausrichten wird. Bald werde ich auch ein Projekt zum Tag der Deutschen Einheit starten, welches aktuelle aber noch in den Kinderschuhen steckt.
Auch die nächsten Monate werden somit in meiner Arbeit voraussichtlich von den offiziellen Sprachprüfungen, „Jugend debattiert“ sowie der Vorbereitung des Tags der Deutschen Einheit geprägt sein. Außerdem wird mich im August eine gute Freundin aus Deutschland besuchen, mit der ich aufs Neue in Bolivien reisen werde – ich freue mich sehr darauf, mit ihr das erste Mal den Amazonas im Norden Boliviens zu erkunden. Darüber hinaus werde ich Ende September das erste Mal Bolivien verlassen, um in der Hauptstadt Perus, Lima, einen intensiven Sprachkurs zu machen.