Website-Icon Julia goes Lima

Die Mauer der Schande

„Facettenreich beschreibt die Hauptstadt Perus wohl am besten. Laut, voll und groß – Lima ist zum Verlieben oder zum Weglaufen.“ Als ich mal wieder auf verschiedensten Reiseblogs zum Thema Peru unterwegs war, bin ich auf dieses Zitat gestoßen – besser lässt sich mein Verhältnis zu Lima nicht beschreiben.

Schon häufig gab es Momente, in denen ich den Lärm, den ständigen Stau und die weiten Strecken verflucht habe. Es wird ständig gehupt; Taxifahrer signalisieren so, dass sie frei nach Kunden suchen, es wird vor Überholmanövern gewarnt, fast die gesamte Vorfahrtsregelung beruht darauf, wer zuerst auf sich aufmerksam gemacht hat. Dazu kommen die knatternden Motorräder, die mich vor allem abends in den Wahnsinn treiben; die Micros, deren Fahrkartenverkäufer an jeder Haltestelle ihre Strecke ausrufen, und der allgemeine Lärm vieler Autos. Mit Stau muss man untertags eigentlich immer rechnen, vor allem in den Stoßzeiten morgens und abends kommt man kaum voran. Ein Versuch der Stadt, die Situation in den Griff zu kriegen, war die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, da dieses Projekt aber eher schleppend vorangeht, wurde zu außergewöhnlichen Mitteln gegriffen: für die großen Verbindungsstraßen quer durch Lima gibt es eine Regelung, die nur bestimmte Autos an bestimmten Tagen zulässt. Aufgeteilt wird nach geradem oder ungeradem Nummernschild, die einen dürfen am Montag und Mittwoch, die anderen am Dienstag und Donnerstag auf die Straßen. Freitag und das Wochenende bleiben von der Regelung unberührt – wie sinnvoll das alles ist, kann ich nicht wirklich sagen, auf jeden Fall trägt diese Aufteilung dazu bei, dass man noch schlechter einschätzen kann, wie lange man von A nach B braucht, da man nie weiß, welches Nummernschild der Taxifahrer hat.

In früheren Beiträgen habe ich schon erwähnt, wie groß die sozialen Unterschiede in Lima sind; wie in ganz Südamerika gibt es eine kleine, sehr reiche Oberschicht, und große Armut vor allem unter den indigenen Völkern. Als Antonia, Saskia, Clara und ich uns letztes Wochenende getroffen haben, um abends essen zu gehen, hat mich Clara auf eine sehr gute Dokumentation von arte aufmerksam gemacht: Die Mauer der Schande von Michael Unger ( https://www.arte.tv/de/videos/078636-000-A/peru-die-mauer-der-schande/). „Über der peruanischen Hauptstadt thront eine Betonmauer – 10 km lang und 3 m hoch. Gespickt mit Stacheldraht trennt sie Las Casuarinas und La Molina, zwei der reichsten Viertel der Stadt, von Pamplona Alta, einer der ärmsten Gemeinden Limas. Errichtet ab 1986 ist sie heute die längste Mauer der Welt innerhalb eines Stadtgebietes. Sie ist ein Symbol für die soziale und wirtschaftliche Kluft zwischen Reich und Arm.“

Auch wenn mir bewusst war, dass viele Menschen in Lima in den pueblos jóvenes, den jungen Dörfern, am Rande der Stadt leben, ist es doch erschreckend zu sehen, wie weit die Lebensbedingungen der Menschen auseinanderklaffen. Schon Jesus Maria, das Viertel, in dem ich wohne, ist nicht mit Miraflores zu vergleichen; La Molina und Las Casuarinas sind allerdings nochmal ganz andere Hausnummern. Die Viertel in Norden der Stadt sind im Gegensatz dazu eher arm, bei dem Besuch der PASCH-Schule in Callao habe ich mich gefühlt, als wäre ich in eine andere Stadt versetzt worden. Doch die Armenvierteln am Stadtrand? Nicht zu vergleichen.

Am schlimmsten finde ich, wie man auf der wohlhabenden Seite der Mauer absolut nichts von der andern Seite mitbekommt: als wir am 03. Oktober zum Empfang der deutschen Botschaft in Surco eingeladen wurden, waren wir nicht weit von der Mauer entfernt – von der ich nach knapp 2 Wochen in Lima noch nichts wusste, und die keiner von uns bemerkt hat, geschweige denn die Menschen, die auf der anderen Seite leben.

Die mobile Version verlassen
Zur Werkzeugleiste springen