Colonia del Sacramento

 

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Auffallend ist der für koloniale Stadtgründungen untypische Grundriss der Altstadt, der nicht dem gängigen Schachbrettmuster entspricht. Schräg aneinander grenzende Grundstücke und der unsymmetrische Straßenverlauf nach portugiesischem Vorbild tragen dazu bei, dass fremde Besucher sich verirren.

 

Seit seiner Entdeckung 1516 war der Río de la Plata durch die zentrale Lage der Banda Oriental am Eingang des platensischen Beckens ein umkämpftes Gebiet zwischen dem spanischen und dem portugiesischen Königshaus. Am 20. Januar 1680 erreicht der portugiesische Gouverneur von Río de Janeiro Manuel Lobo die Isla de San Gabriel und gründet auf dem ihr gegenüberliegenden Festland die Siedlung Nova Colonia do Sacramento. Bereits aus dieser Zeit datieren die Stadtmauer Colonias und die Konstruktion erster Wohnhäuser. 1683 beginnt der Bau des Convento de San Francisco Xavier und 1699 wird die Kirche la Iglesia Matriz, die bis dato nur in Adobe (luftgetrocknete Lehmziegel) und mit einem Dach aus Stroh existierte, in Stein und Kalk erschaffen.

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Die Iglesia Matriz. Ihre Kuppeln sind mit Keramikkacheln besetzt. Die Oldtimer auf den Straßen Colonias sind aus den 1930er bis 1950er Jahren und kennzeichnend für Colonias Stadtbild.

Colonia wird bis zur Gründung Montevideos 1726-29 der wichtigste Hafen Uruguays sein. Durch seine günstige strategische Lage legen hier Schiffe verschiedenster Flaggen an, die ihren Handel bis hinauf zum spanischen Vizekönigreich Peru betreiben. Bedingt durch seinen Charakter als zentraler Knotenpunkt der Region ist der Ort ebenfalls für die Geschichte der Sklaverei von Bedeutung.

Colonia del Sacramento geht auf eine portugiesische Stadtgründung zurück, ist jedoch ein Jahrhundert hindurch das Objekt ständigen Wettstreits zwischen den Kolonialmächten der iberischen Halbinsel, Portugal und Spanien, bis er 1780 endgültig von den Spaniern eingenommen wird.

Von diesem Händeringen der beiden Imperien rühren die Charakteristiken und das Alleinstellungsmerkmal des Kulturerbes Colonias. Der historische Stadtkern wurde 1995 von der UNESCO als Weltkulturerbe deklariert, da sich hier das Kriterium IV der Weltkulturerbeliste erfüllt sieht: Der Ort stellt ein besonders repräsentatives Beispiel für ein Architekturensemble dar, das einen wichtigen Zeitraum der Menschheitsgeschichte veranschaulicht. Die Bauten stehen stellvertretend für die Bauweise europäischer Siedlungsbestrebungen während der Kolonialzeit, insbesondere in der Zeit zu Ende des 17. Jahrhunderts.

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„Wo Calle Portugal und Calle Real aufeinandertreffen“

An der Architektur der Altstadt sind die Einflüsse verschiedener Bauherren und -zeiten abzulesen, spanische und portugiesische Bauweisen sehen sich hier vereint. Die älteren portugiesischen Häuser sind anhand des barocken Stils zu erkennen, sie weisen handgefertigte Dachziegel auf und ihr Profil zeichnet sich durch die „cuatro aguas“ aus, die Schrägen des Daches in vier verschiedene Richtungen. Die Konstruktionen bestehen meist aus Stein und den für Südamerika typischen luftgetrockneten Lehmziegeln, dem sogenanntem Adobe. Durch seine geringe Isolierfähigkeit werden die Winter in den Innenräumen hier oft ungemütlich.

Die spanischen Häuser entspringen einem neoklassischen Stil und sind mit horizontalen Dächern ausgestattet, sogenannte flache Dächer „a la porteña“.

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Auch in dem Kunsthandwerk sind die Formen, Farben und Techniken ferner Länder und anderer Kulturen ablesbar. Während der synkretische Baustil vor Ort entsteht, werden kunsthandwerklich gefertigte Kacheln eigens aus den Ländern der Kolonialmächte transportiert. Die Sammlung des Museo Azulejo hält eine Kollektion von Kacheln spanischer und französischer Herkunft bereit, die in der regionalen Architektur des Río de la Plata vorzugsweise ab dem 19. Jahrhundert verwendet wurden. Der Begriff „azulejo“ stammt von dem arabischen Wort „azzelij“ und bezeichnet ein Stück bemalter Keramik, das auf einer Seite glasiert ist. Das Museum ist eine portugiesische Konstruktion aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, das ein Dach mit „dos aguas“, den zwei Schrägen besitzt und Originalstücke seiner Wände und Dachträger sowie von Teilen seines Bodens bewahrt.

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Mit Zinn glasierte Kacheln aus Barcelona von 1780-1840. Die Verzierungen und Muster wurden aus freier Hand und mit Hilfe von Schablonen aufgetragen.

In der Kolonialarchitektur benutzte man bis 1840 Kacheln aus Barcelona und aus Valencia, die aus freier Hand und mit Hilfe der Estergit Methode verziert wurden. Die Methode Estergit umfasst die Verwendung einer zugeschnittenen Schablone, die die zu realisierende Zeichnung vorgibt und über die vorab mit Engobe überzogene Kachel gelegt wird. Mit einem Kohlestift wird ein Abruck erzeugt und anschließend per Hand die Muster mit Metalloxiden nachgezogen. Man findet die Kacheln in den Größen 13×13 und 20×20 Centimeter.

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Französische Kacheln aus geformten Ton von 1840 bis 1900. Sie sind versehen mit einem Siegel und bemalt mit Zinnoxiden, Kobalt und Magnesium mit Hilfe einer Schablone und aus freier Hand.

Die Kachel wurde insbesondere als dekoratives Element genutzt. Zu Ende des 18. Jahrhunderts taucht sie in Uruguay auf. Im 19. Jahrhundert tritt sie in der religiösen Architektur auf und wird erst später in der profanen Architektur verwendet.

Der Begriff der Kachel stammt von der Anfertigung von Kachelöfen und war einst eine sehr generelle Bezeichnung für Gegenstände aus gebranntem Ton. Heute beschränkt sich der Terminus auf gebrannte und glasierte Tonplatten, die sich in plane Tafelkacheln und vertieft geformte Napf- und Schüsselkacheln unterscheiden. Im Unterschied dazu werden als Wand- und Bodenbeläge dienende, für gewöhnlich aus feinkörnigerem Material bestehende und dichter gebrannte Keramikplatten meist Fliesen genannt.

Ton ist der Grundstoff aller keramischer Erzeugnisse und einer der ältesten Materialien für die Herstellung von Hilfswerkzeugen und Gebrauchsgegenständen des Menschen. Als Rohstoff ist er gehäuft in der Natur vorhanden und auch ohne Werkzeuge leicht zu verarbeiten. Ton besteht aus einem Mineraliengemisch, wie Feldspat, Quarz und Kalk, das neben Glimmer und Serpentin auch Spuren organischer Substanzen enthält.

Für Colonia typisch ist die Cerámica Mayolica, die Majolika Keramik oder die im deutschsprachigen Raum verbreitetere Bezeichnung der Fayence. Das kennzeichnende dieser Keramik ist ihre weiße, besonders gut deckende Glasur aus Zinn (Silikat, Kaliumkarbonat, Blei und Zinn), die Keramiker aus Ägypten und Syrien entwickelten um das kostbare chinesische Porzellan zu imitieren.

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