A Schwoob in Berlin

Veganer Tofu-Bratwurstsalat beim Vorbereitungsseminar

Lecker: Veganer Tofu-Bratwurstsalat beim Vorbereitungsseminar

Es wird Zeit, endlich mal den großen Fazit-Blogartikel zum Vorbereitungsseminar der kulturweit-Ausreisegeneration 2015 zu schreiben. Zumal, wenn am 10. September alles schon wieder vorbei ist.

Wie läuft das Seminar hier ab? Eine kleine Erklärung für alle Daheimgebliebenen

Der Tag beginnt, viel zu früh, um 9 Uhr, meistens mit der sogenannten „Homezone“. Einzelne Kleingruppen, die anfangs nichts miteinander zu tun hatten, als im selben Haus zu wohnen – und selbst das wurde alphabetisch bestimmt. In der Homezone ist Zeit für Diskussionen, Gruppendynamik, Energizer, und auch für ein kleines Seminarprojekt. Abseits davon gibt es diverse Workshops zu den verschiedensten Themen, angefangen bei der Macht der Medien, über Lachyoga bis hin zum unvermeidlichen Gender Mainstreaming. Natürlich sind auch praktischere Informationen zu Versicherungsfragen, Entsendeorganisationen und Einsatzländern dabei. Nach dem Abendessen folgt ein fakultatives Abendprogramm, bei dem insbesondere der Kulturabend hervorzuheben ist: ganz nach dem Motto „EUER Seminar“ war das ein von uns selbst organisierter Abend von Freiwilligen für Freiwillige, mit Kunst, Kultur, Musik – und dem Poetry Slam natürlich. Der Tag klingt dann in einzelnen privaten Diskussionsrunden, gerne auch mit einer kleinen Runde „Werwolf“ (strategisches Rollenspiel) aus.

Tofu statt Weißwurscht

Das Bild von den Tofu-Bratwürsten ist symptomatisch, sowohl für die Stimmung auf dem Seminar als auch für die Freiwilligen. In meinem südbayerischen Heimatort, wo der CSU-Oberbürgermeister mit 90 % ohne Gegenkandidat im Amt bestätigt wird, wissen sie nicht einmal, was Tofu ist. Bratwurst ohne Fleisch, das wäre undenkbar, wo die Kühe noch glücklich auf der Alm stehen und den Bauern beim Milchprotest zumuhen.

Feeling the kulturweit feeling

Hier auf dem Seminar ist es erstens anders, und zweitens als man denkt. Ein Blick in die regelmäßigen Teilnehmer-Umfragen aus alten Seminarzeitschriften bestätigt, was ich schon am ersten Tag gespürt habe: die Teilnehmer zeigen sich mehrheitlich grün bis links, weiblich, akademisch mit exzellenten Noten. „Elitenförderung“ ist eine oft geäußerte Kritik an kulturweit, und in diesem Punkt mag sie auch zutreffen.

Für mich jedoch war es eine Freude zu spüren, dass es auch noch Menschen gibt, die beim 100. Geburtstag von CSU-Ersatzgott Franz Josef Strauß nicht in Jubelrufe ausbrechen. Die Stimmung auf dem Seminar ist nur schwer zu beschreiben. Vielleicht trafen es die beiden Trainerinnen, die am Kulturabend „kulturweit feeling – aufgeregt und manchmal müde“ sangen, am Besten. Und alle sangen mit. Es ist dieses Mitmach-Gefühl, der offene Raum für Diskussionen, die freie Aussprache, die bisweilen auch in der (scherzhaften) Verbrüderung zur Vierten Internationale bei Wein und Bier führt. Es sind die Gesprächspartner beim Mittagessen, die nach den drei üblichen Fragen „Wer bist du, wo kommst du her, wo gehst du hin?“ immer für ein anregendes Gespräch bereit sind. All das zeigt ein Bild von einem demokratischen Deutschland, das guttut, wenn man die Nachrichten-App öffnet in Tagen wie diesen.

Das neue Incoming-Programm

A propos Flüchtlinge: Freiwillige mit Migrationshintergrund, oder, auf kulturweit-Deutsch, mit transkulturellen Identitäten, muss man unter den kulturweitern lange suchen. Es freut mich deswegen ganz besonders, dass es dieses Jahr erstmals ein Incoming-Programm mit Freiwilligen aus Osteuropa, unter anderem aus der Ukraine, gibt, die die Austausch-Einbahnstraße, als die kulturweit bisher oft kritisiert wurde, langsam zur Zweibahnstraße ausbauen. kulturweit sollte dieses Programm unbedingt erweitern!

kulturweit goes weltwärts: Ein Beispiel für ein Homezoneprojekt. Auf einer Weltkarte verzeichnen alle Freiwilligen spannende Tipps für Orte der Welt, die sie schon besucht haben - damit die Leute, die dort eingesetzt sind, etwas zum Anschauen haben

kulturweit goes weltwärts: Ein Beispiel für ein Homezoneprojekt. Auf einer Weltkarte verzeichnen alle Freiwilligen spannende Tipps für Orte der Welt, die sie schon besucht haben – damit die Leute, die dort eingesetzt sind, etwas zum Anschauen haben

Fazit

Was für ein Fazit ziehe ich also nach zehn Tagen Seminar? Ein absolut positives. Viele der Sorgen, die ich zu Beginn noch hatte, haben sich geklärt. „Aufgeregt und müde“, letzteres wird sich legen – nach dem Seminar ist erst mal ausschlafen dran. Dann wartet der 14-Stunden-Transatlantikflug. Die Reise, sie hat gerade erst begonnen.

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