Jana in Tirana

Zwischenseminar

Zwischenseminar 1:2
Zwischenseminar 2:2

1. Die Hinfahrt

Mein Zwischenseminar fand in Serbien statt, aber wie kommt man da eigentlich hin? Laut kuluturweit sollen wir „den direkten Weg“ nehmen. Der geht von Albanien nach Serbien nur durch den Kosovo und die Serbische-Kosovarische Grenze war für mich aus der Richtung Kosovo nicht passierbar. Also außenrum. Der Plan: Donnerstag nach Podgorica, dort von Freitag aus dann mit der Bahn nach Belgrade. Dann bei einer Freundin, auch kulturweit-Freiwillige, in Pançevo, einer Stadt in der Nähe von Belgrade, schlafen und Montag zusammen mit ihr und den Freiwilligen der anderen Homezone nach Semsri Karlovci weiter fahren. Auf der Rückfahrt wollte ich dann über Skopje fahren und dort bei einer anderen Freiwilligen schlafen.
Also los gings am Donnerstag Morgen um 10:00 in den letzten Bus, der noch an dem Tag nach Podgorica fährt. Die Busfahrt war entspannt. Die Straße schmiegte sich an den Berg und die Fahrt bot somit wunderschöne Ausblicke. Auch der Grenzübergang lief auch wenn er 2 Stunden dauerte ohne Probleme ab.

Übernachtet habe ich dann in dem wohl billigsten Hostel auf dem Balkan. Für 6€ bekam ich ein Bett in einem 8er Zimmer, was aber nicht voll wurde. Bis spät abends saß ich dann noch mit den Leuten aus meinem Hostel zusammen und redete.
Da war ein Russe, der der festen Überzeugung war, dass Alkohol lebensnotwendig sei. Ein Türke, der bald in die Schweiz gehen würde. Also brachte ich ihm ein paar Brocken Deutsch bei, was allerdings nicht ganz einfach war, da er kein Englisch konnte. Aber zum Glück gab es noch einen Azerbaidschaner, der neben Aziri, Georgisch, Englisch und Estnisch auch Türkisch sprach und übersetzte.
Am nächsten Tag ging es dann mit zu wenig Schlaf weiter Richtung Belgrade und seit zwei Monaten konnte ich endlich wieder Bahn fahren. Auf dem Bahnsteig halfen mir eine Mutter mit ihrer Tochter das richtige Gleis zu finden. Außerdem lernte ich eine andere Deutsche kennen, die zwei Monate in Montenegro als Freiwillige tätig war und jetzt Freunde und Familie in Novi Sad und Belgrade besuchte.
Mein Reiseführer beschrieb die Bahnfahrt von Bar über Podgorica nach Belgrade als “einer der schönsten Europas” und Recht hatte er. Die ehemalige Titobahn durchquert mit der Hilfe von über 400 Brücken und Tunneln das montenegrische und serbische Gebirge. Wann immer ich rausschaute, hatte es etwas von Fernsehen. Zu schön waren die Aussichten, damit ich wirklich verstand, dass das was ich da gerade sah echt war. Eine solche Aussicht beim Wandern – okay macht ja auch Sinn, aber mit dem Zug?! Ein Zug wandert doch nicht, sondern fährt durch gerades ebenes Gelände und nicht durch die Alpen.

Leider spiegeln die Bilder diese Aussicht nicht ganz wider, da die Scheibe beschlagen war.

Angekommen in Belgrade. Endlich. Allerdings ist die serbische Endstation mitten im Wald – literally. Da ist gar nichts und auch wenn ich es in Podgorica probiert hatte, hatte ich keine serbischen Dinar tauschen können. (Erst die dritte Bank konnte überhaupt in Dinar wechseln, dann aber nur wenn ich meinem Reisepass abgegeben und eine Stunde gewartet hätte)
Doch auch dieses Problem löste sich von selbst. Wir trafen wieder auf die Mutter mit ihrer Tochter und ihre ersten Worte waren einfach nur: “Oh hey. Nice to see you again. Where do you need to go? We can help you.”
Ich konnte es kaum fassen. Sie boten von sich aus ihre Hilfe an, wir mussten nichtmal nachfragen. Das nenne ich mal balkanische Gastfreundschaft!
Mit ihrer Hilfe, kam ich dann auch mit serbischen Dinar beim Busbahnhof an. Noch schnell ein Ticket für Pançevo kaufen, sich wundern, dass es tatsächlich einen Schalter gibt und dann war ich auch schon bei der anderen Freiwilligen zu Hause. Geschafft!

 

2. Belgrade

Belgrade war sehr schön und super ordentlich. Richtig komisch. Es gab sogar so weiße Linien auf dem Boden, die einem sagen, wo man fahren soll und die Leute hielten sich sogar daran!! Unfassbar!
Insgesamt war die Stadt sehr weihnachtlich geschmückt. Außerdem kann ich definitiv eine Free Walking Tour empfehlen. Die war echt super!

 

3. Das eigentliches Seminar

Das eigentliche Seminar ging im Gegensatz zu dem Vorbereitungsseminar sehr genau auf uns, unsere Erfahrungen und Wünsche ein. Deswegen kann ich eigentlich auch nicht wirklich viel darüber sagen. Nur dass es wie immer gut war und es mich zum Nachdenken angeregt hat. Das aber in einem extra Beitrag.
Neben vielen Gesprächen und Reflektionen, waren wir einen Tag noch in Novi Sad und besuchten dort zwei Jugendzentren. Eins davon CK13 hat uns allen sehr gut gefallen. Außerdem machten wir noch eine Weinprobe. Sieben Weine und einen Raki für drei Euro. Nicht übel.

Es tat sehr gut, die Freunde, die ich auf dem Vorbereitungsseminar gefunden habe, wieder zu sehen. Alles in allem waren es sehr schöne, und ermüdende Tage. Die Trennung am Ende fiel deswegen schwer.
Doch ich habe fiel mitgenommen. Vor allem bin ich motiviert neue Projekte umzusetzen. Mich noch mehr anzustrengen aus der deutschen Blase rauszukommen und mehr zu reisen. Schlichtweg mehr zu geben für ein noch besseres FSJ.

 

4. Die Rückfahrt

Die Rückfahrt war wie gesagt über Skopje geplant. Doch schon im Hostel (Habitat Hostel, eines der besten überhaupt) in Belgrade wurde mir klar, dass das schwierig werden dürfte. Die Busse von Skopje nach Tirana fuhren nämlich nur um 9:00 und dann um 21:00. Beides keine optimalen Abfahrtszeiten.
Also entschied ich spontan doch über den Kosovo zurück zu fahren. Schnell noch ein Hostel in Prishtina gebucht und schon saß ich im Bus.
Ich war die einzige Ausländerin im Bus. Kurz nach dem wir losgefahren sind wurden unsere Pässe eingesammelt. Bei meinem wurde kontrolliert ob ich einen serbischen Einreisestempel hatte. Ohne den hätte ich nicht in den Kosovo einreisen können.

Exkursion: Das Verhältnis zwischen Kosovo und Serbien:
Zu allererstmal Serbien erkennt den Kosovo als Land nicht an. Die Behörden sehen den Kosovo als einen Teil Serbiens. Wenn man jetzt versucht durch den Kosovo nach Serbien weiter zu reisen, gibt es folgendes Problem: Serbien sieht, dass man von serbischem Gebiet (dem Kosovo) weiter nach Serbien reisen möchte, allerdings fehlt der serbische Einreisestempel. Man ist also illegal in das Land eingereist. Dies kann umgangen werden, wenn man innerhalb der letzten 90 Tage schonmal in Serbien war.
Die Fahrt von Serbien in den Kosovo, ist unproblematischer. Solange man das erste Mal Serbien und den Kosovo an einem serbischen Grenzübergang betreten hat und einen serbischen Einreisestempel bekommen hat.
Wenn man nur im Kosovo bleibt gibt es auch keine Probleme.
Ich hoffe das war irgendwie verständlich. Ich blicke da auch nicht ganz durch

Doch der Stempel war da, alles gut. Mir fiel gleichzeitig auch auf, dass ich die einzige Ausländerin im Bus war. Aber alles halb so schlimm, die beiden Kosovo-Albaner hinter mir, schauten nach mir und gaben darauf Acht, dass auch ich meinen Pass nach der Grenzkontrolle wieder bekam. Außerdem boten sie mir Croissants an, was auch sehr nett war. Leider reichte mein Albanisch aber kaum für ein Gespräch über die basics der basics aus.
Angekommen in Prishtina stand ich vor dem nächsten Problem: Mein Hostel war im Stadtzentrum und ich war 2km weiter außerhalb am Busbahnhof. Ja, ich hätte laufen können, aber es war schon spät, dunkel und kalt. Also schickten mich die zwei Männer aus dem Bus weiter zu einem Mann, der Englisch konnte. Dieser brachte mich dann zu einem weiteren Mann, der mir seine Hilfe anbot. Ich meinte, dass ich in die Stadt müsse und er meinte, dass das kein Problem sein. Gemeinsam gingen wir in Richtung Taxis nur um kurz vorher bei einem Auto stehen zu bleiben. Er schloss das Auto auf und hielt mir die Tür auf.
Mir fiel ein, dass ich noch am Abend vorher gesagt habe, dass ich niemals trampen würde, weil mir das zu weit aus meiner Comfort-Zone raus ist, aber ich erinnerte mich auch an die Antwort, die mir ein Amerikaner, der seit drei Jahren auf dem Balkan unterwegs ist, gegeben hatte: “Oh no its super safe. Especially in Albania.”
Okay, here we go dachte ich und stieg ein.
Mein Fahrer hieß Toni, kam aus dem Kosovo arbeitete bei Mercedes als Elektriker und hatte eben einen Brief zum Busbahnhof gebracht. (Es ist vollkommen normal auf dem Balkan Briefe und kleine Päckchen den Busfahrern mitzugeben. Das ist die schnellste und sicherste Möglichkeit um Dinge von A nach B zu transportieren).
Er fragte, wo ich in Prishtina schlafen würde und ob ich Freunde im Kosovo hätte. Außerdem wollte er super gerne mit mir einen Kaffee trinken gehen, ich lehnte ab. Ich war erstens noch zu müde, zweitens war mir die ganze Situation noch etwas suspekt. Wir fuhren Richtung Stadtzentrum und vorbei an einer riesigen Kathedrale. Als Toni sah, dass ich die Kathedrale mit großen Augen anschaute, hielt er das Auto an und gab mir eine Miniführung. Zurück im Auto, versuchte er daraufhin dauerhaft mein Hostel anzurufen. Ich fand das alles sehr komisch und die Panik, dass er anrufen wollte um zu sagen, dass ich nicht kommen würde und mich dann zu vergewaltigen und zu entführen, wurde immer größer. Natürlich ist nichts passiert. Wir kamen im Stadtzentrum an und Toni stieg mit mir aus. Gemeinsam naja wobei also eigentlich nur Toni versuchte fest mein Hostel zu finden. Ich hätte das bestimmt auch alleine hinbekommen, aber nein so behandelt man keine Gäste – erst recht nicht wenn die Gäste alleine reisende Frauen sind. Also wurde ich nachdem wir circa zehn Leute gefragt hatten, bis zu meinem Hostel begleitet. Es ist ein Wunder, dass ich bis fast zum Schluss meine Taschen selber tragen konnte, so oft wie Toni nachgefragt hatte, ob ich Hilfe brauchen würde.
Während wir durch die Stadt liefen erzählte er mir dann immer noch was es hier noch zu sehen gab. Außerdem wurde ich noch circa fünfmal gefragt, ob ich Hunger oder Durst hätte und ob ich Lust haben würde etwas essen oder trinken zu gehen.
Alles in allem war ich vollkommen überwältigt von dieser Gastfreundschaft. Von wegen verschleppt und vergewaltigt.
Im Hostel angekommen, war ich einfach nur noch super müde und wollte mich einfach nur noch hinlegen. Die letzten anderthalb Wochen Schlafentzug und die Aufregung wegen der Fahrt steckten mir in den Knochen.
Doch auch im Hostel wurde ich eingeladen, mit den anderen Gästen einen Film zu schauen oder zu einer verlassenen Fabrik, wo der Freund von einem der Gäste aufgelegt hatte, mitzukommen.
Doch ich lehnte alles ab. Ich konnte einfach nicht mehr.
Und so schlief ich in einem der besten Hostelbetten jemals ein. (Prishtina Center Hostel)

Am nächsten Morgen wollte ich mir kurz die Stadt anschauen und abends dann weiter nach Tirana. Ich war zum Abendessen mit einer Freundin verabredet. Doch auch hier verquatschte ich mich wieder. Erst mit einem Spanier, der den Kosovo seit neustem seine neue Heimat nennt, dann mit einer Berliner Statistikerin, die keinen Bock mehr auf den grauen Winter in Berlin hatte und deswegen über das Wochenende weggeflogen war und dann noch mit einem Kosovo-Albaner.

Etwas später als geplant saß ich so im Furgon nach Tirana. Die Fahrt war geprägt von den Leuten, die ich dort kennen lernte. Einer hatte sehr lange schon in Deutschland gelebt und übersetzte mir alle Ansagen des Busfahrers auf Deutsch. Außerdem beteiligte er sich an einem Gespräch bei dem es irgendwie sehr oft um Deutschland ging. Als ich dann einmal meine Sitznachbarin fragte, worum es denn genau ging, lobprießen sie gerade das deutsche Pfandsystem.

Meine Sitznachbarin war Krankenschwester und wollte auch gerne nach Deutschland gehen um dort zu arbeiten. Ein anderes junges Mädchen wollte zwar nicht nach Deutschland, aber in die Schweiz um dort zur Schule zu gehen.

Und so kam ich in Tirana mit einem Haufen neuer Telefonnummern im Gepäck an. Den ersten Vorsatz mehr aus der deutschen Blase rauszukommen, hatte ich also schonmal erfüllt.

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