Kronstadt – Кронштад

28. Juli 2012 – So langsam haben wir dann auch alle weiter entfernten Ausflugsziele in der Umgebung St. Petersburgs besucht. Krönen wollten wir unsere Unternehmungen aber noch mit „Kronstadt“, der Stadt, die auf der Insel Kotlin vor der Petersburg im Finnischen Meerbusen liegt.

Auch dieser Ort ist geschichtlich bedeutend wie fast alles in dieser Gegend. Und auch hier war der werte Peter I. am Werk und gründete im Rahmen seines Ausbaus der russischen Flotte schon 1703 einen Marinestützpunkt.

Danach geschah ungefähr alle 100 Jahre etwas, was Kronstadt im Gedächtnis der Menschen hält. Am nichtigsten ist wohl der Start der ersten russischen Weltumseglung 1803. Was Anfang des 20. Jahrhunderts dann in und um St. Petersburg geschah, wissen die niedersächsischen Abiturientinnen von 2011 aus dem Geschichtsunterricht sicher noch: Die in Kronstadt stationierten Matrosen revoltierten 1905/1906 gegen die Zarenherrschaft und 1921 gegen die Herrschaft der Bolschewisten. Während der Belagerung erwies sich die Festung als nicht einnehmbar und schütze die Stadt von der Meeresseite aus. Erst seit 1996 können „normale“ Menschen die Stadt (eigentlich Stadtteil St. Petersburgs) besuchen, denn während der Sowjetzeit war das militärische Sperrgebiet nur mit Passierschein zu betreten.

Solche Hürden mussten wir an diesem sonnigen Tag also nicht nehmen, sondern einen Bus, der sich erst hinter einem Supermarkt vor uns versteckte. Vor allem die Strecke über die Brücke, die die Insel mit dem Festland verbindet (und von deren Existenz einige St. Petersburger nicht wissen!) war wirklich schön: glitzerndes, ruhiges Wasser, badende Menschen und Angler.

Die Insel selber bietet verschiedene Wohnungstypen wie die Stadt an sich: So fährt man erst durch hohe Neubausiedlungen, dann durch Plattensiedlungen und dann durch zwei- bis dreigeschossige, ältere Häuser. Solche gibt es im Kern St. Petersburgs natürlich nicht. Hier sind viele in warmem Gelb gestrichen und stehen entlang begrünter Straßen. Ab und zu fällt ein Nachkriegsbau auf, gegenüber vom hiesigen „Gostiny Dvor“ (Kleinausgabe des berühmten Kaufhauses am Nevski-Prospekt) sieht man ein grau verschaltes Einkaufcenter aus vergangener Ära.

Die Hauptattraktion der Insel – die Kathedrale mit der riesigen goldenen Kuppe, die man sogar manchmal vom Festland aus sehen kann – war zur Verwunderung und Verärgerung vieler Besucher geschlossen. Sie wird derzeit neugemacht (oder restauriert…) und deshalb nur für Gottesdienst geöffnet. Also wanderten wir durch die Siedlungen, durch Parks und an der Admiralität vorbei zum Anleger, wo einige Kriegsschiffe lagen. Sie wurden unter lauter, scheppernder Schlagerbeschallung (russische natürlich) geputzt und wirkten sonst aber sehr verschlafen (Was macht man so als Marinesoldat während der Arbeitszeit?). In Erinnerung werden mir von diesem Ausflug die kleinen Szenen bleiben: Das Buch auf der Mauer – der Park, in dem Kinder im Brunnen spielen, wozu tragische Musik aus Lautsprechern ertönt – das Hochzeitspaar, das das Fotoshooting absolviert, während die Festgesellschaft anstößt und einen Imbiss nimmt – die Angler entlang der Brücke – Che Guevara an der Wäscheleine. Schon am Nachmittag waren wir wieder in der Stadt, die glühte – Sommer im Norden Russlands!

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