* „рейс“ liest man „reis“
Erst ist man noch am Werbellinsee, und das Leben dort fühlt sich normal und eingeübt an. Dann ist man wieder zu Hause, fährt auf dem Rad durch bekannte Straßen, ohne über den Weg nachzudenken und ist wieder im Alltag. Und dann sitzt man im Flugzeug und fliegt für 167 Tage in ein anderes Land. Und nur 48 Stunden sind vergangen.
Wenn ich sonst nach 10 Tagen nach Hause gekommen bin, war alles ungewohnt und kompliziert – dieses Mal war ich wahrscheinlich schon weg… Nur das Schreiben der Briefe an die Familie war schwer und kostete die halbe Nacht und trotzdem habe ich die Hälfte vergessen.
Der Morgen kam also besonders schnell, aber friedlich mit einem schönen Frühstück mit den drei Allerliebsten. Und der Koffer passte ins Auto und der Flughafen hatte trotz des trüben Wetter geöffnet.
In der Check-In-Halle war ich froh, dass ich diejenige war, die aufbrach und dass ich drei Leute zurückließ. Es war einfacher als gedacht.
Bei der Sicherheitskontrolle stellte ich dann meine mangelnde Flugroutine unter Beweis und brauchte sicher die doppelte Zeit, bis ich alles aus den Hosentaschen und die Stiefel aus hatte. Aber auf Platz 05C konnte dann nichts mehr schief gehen. Allerdings war ich mir immer noch nicht bewusst (und bin es wohl auch jetzt noch nicht…), warum ich da eigentlich saß. Stattdessen überlegte ich, woher die anderen Fluggäste wohl kamen und wohin sie gingen.
Der Flughafen Amsterdam Schiphol mag zwar groß sein, aber es gibt ausreichend Schilder und sogar ebenerdige Rolltreppen zu den Gates!
Am Fensterplatz in Reihe 10 mit viel Beinfreiheit (da Fluchtweg über die Tragflächen…) lernte ich dann schnell Андрей (Andrej) kennen, der nach einem Monat in Deutschland und Irland wieder zu seiner Familie nach St. Petersburg zurückkehrte und deshalb allerbester Laune war. In einem internationalen Gemisch aus viel Englisch, etwas Deutsch und ganz wenig Russisch konnten wir gut kommunizieren und mir wurde eine Sicht auf die russische Gesellschaft offenbart, die vor dem Hintergrund verschiedener Kulturerfahrungen entstanden ist. Außerdem weiß ich jetzt, wie eine russische Taufe abläuft, und dass ehemalige Philosophiestundenten, die dann Computerfreaks geworden sind und bei Österreichbesuchen auf der Suche nach Wärme einfach über die italienische Grenze gehen, bei der Freude auf die kleine Tochter zu Tränen gerührt sind. Dass in St. Petersburg jetzt Schnee liegt, hätte mir klar sein müssen – meinen Blick nach dem Durchstoßen der Wolken hätte ich aber gerne gesehen…
In St. Petersburg auf dem Flughafen wird es schwerlich gelingen, sich zu verlaufen. Die Schilder, die zum „паспортный контроль“ (pasportnyi kontrol) führen, kann man nicht übersehen und in anderen Räumen ist auch kein Licht an.
Erwartet wurde ich mit Schild von einer Deutschlehrerin und dem Gastvater und erstaunlicher Milde. Auf der Fahrt „nach Hause“, die für mich nicht auf dem direkten Weg geschah, musste ich die ganze Zeit grinsen:
Ich bin in St. Petersburg, in St. Petersburg, in St. Petersburg…
Dann lernte ich meine Gastgeberin Наташа (Natascha) kennen, bekam Tee, ein Bett und einen Schlüssel und Internet. Und stellte die Uhr um. Und als der verrückte Kater aus meinem Bett geklettert war, konnte ich auch schlafen.
Es ist doch etwas anderes wenn man wirklichen Kontakt zu Einheimischen hat. Ich glaube, dass man im kulturellen Austausch im Alltag die russische Gesellschaft wirklich erfahren kann, worüber man sonst in Europa nur lesen kann. Ich beneide, dich ein wenig. 😉