Hallo zusammen! 😊
Habt ihr schonmal Standing Ovations bekommen? Ich zumindest nicht. Bis ich gestern verspätet in meine siebte Klasse gekommen bin.
Ich hatte noch eine Aufgabe zu erledigen und so habe ich das erste Mal allein und nicht zusammen mit einer Lehrerin das Klassenzimmer betreten. Es ist in Armenien üblich, dass die Schülerinnen und Schüler aufstehen, wenn eine Lehrkraft den Raum betritt. So hätte ich also eigentlich damit rechnen können, dass sie auch für mich aufstehen, da ich in ihren Augen wahrscheinlich eine ähnliche Respektsperson bin. Weil ich mich selbst aber so gar nicht als Lehrkraft sehe (und es auch nicht bin), habe ich natürlich nicht damit gerechnet.
Was aber mein absolutes Highlight war und definitiv nicht mit zur normalen Begrüßung gehört, war, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur aufgestanden sind, sondern auch angefangen haben, zu jubeln und zu klatschen. Ich habe schon häufiger von meinen Lehrerinnen das Feedback bekommen, dass die Schülerinnen und Schüler mich mögen und nach mir fragen, wenn ich nicht da bin. Davon zeugen auch die ganzen kleinen Notizen, die sich mit der Zeit angesammelt haben, und die Kekse/Süßigkeiten, die mit mir geteilt wurden. Wenn ich die Flure entlang laufe, kann ich kaum drei Schritte gehen, ohne von allen Seiten „Hallos“ entgegengerufen zu bekommen. Wann immer ich einen Klassenraum betrete, ertönt aufgeregtes Getuschel und ich werde angestrahlt. Diese tägliche Freude über mich gibt mir wirklich viel. Die „Standing Ovations“ waren da trotzdem ein neues Level und ich musste wirklich lachen. 🙂
Ich habe mich am Anfang sehr über die Freude der Schülerinnen und Schüler gewundert, da ich im Unterricht häufig nur „dabeisitze“ und wenig selber mache. Das, was ich aber immer mache, ist, die Schülerinnen und Schülern anzulächeln und ihnen zuzunicken, wenn sie etwas gut gemacht haben. Die Lehrerinnen müssen mit dem Unterricht weiter machen und manchmal kommt Lob da etwas kurz. Das kenne ich aus meiner eigenen Schulzeit. Deswegen habe ich mir das zu meiner ganz persönlichen Aufgabe gemacht. Ich hoffe dadurch, die Begeisterung für den Deutschunterricht aufrecht erhalten zu können, da die deutsche Sprache den Schülerinnen und Schülern doch so manches Mal Kopfschmerzen bereitet. Ich möchte sie ermutigen, sich auch trotz Fehlern weiter zu trauen und es weiter zu versuchen.
Anscheinend funktioniert das. Zumindest schließe ich das aus der Freude der Schülerinnen und Schüler über meine Anwesenheit. Wie ich es gerade schon hab anklingen lassen, bedeutet mir das wirklich viel. Es ist super selten, dass man so direktes und ehrliches Feedback für seine Arbeit bekommt, und das schätze ich wirklich wert. So sehr, wie ich hier selbst wertgeschätzt werde. Vielleicht kann ich an der einen oder anderen Stelle über Deutsch an sich nicht allzu viel vermitteln (zumindest bei den Jüngeren aufgrund der Sprachbarriere), aber wenn ich ihnen zwischenmenschlich etwas mitgeben kann, ist mir das viel mehr wert.
Apropos direktes Feedback: Ich habe in letzter Zeit einige Tests erstellt, die als sogenannte „thematische Arbeiten“ das Wissen der letzten Lektion abfragen. Und da gab es doch tatsächlich diese eine sechste Klasse, die sich, nachdem sie den Test geschrieben hatten, bei der Lehrerin für den Test bedankt hat. Er sei schön konzipiert und fair gewesen. Ich wäre fast vom Glauben abgefallen, als sie mir das übersetzt hat. In welcher Welt bin ich gelandet, dass sich Schülerinnen und Schüler für einen Test bedanken, den ich ausgearbeitet habe? Auch meine Lehrerin musste darüber lachen, da ihr das auch noch nicht passiert ist. Tja, scheint so, als hätte ich mich auch für die Konzeption der nächsten Tests qualifiziert!
Alles in allem ist meine Arbeit sehr abwechslungsreich: Arbeitsblätter und Tests erstellen, die geschriebenen Test korrigieren, Schülerinnen und Schülern bei der Vorbereitung auf die DSD I – Prüfungen helfen, mit der Teilnehmerin für den Vorlesewettbewerb üben, eigene Projekte planen, mit dem auf Russisch eingestellten Drucker diskutieren oder in den Klassen selbst im Unterricht unterstützen (meistens Sätze und Wörter an die Tafel schreiben oder Aussprache üben). Das schönste hierbei ist, dass ich mir meistens aussuchen kann, was ich gerade machen möchte, und dass meine Arbeit sehr flexibel ist.
Kommende Woche startet übrigens ein weiteres cooles Projekt: Gemeinsam mit einer weiteren kulturweit-Freiwilligen (Rosie, die gerade in der Slowakei ist) werde ich online den Deutschunterricht am Akademischen Lyzeum 46 in Saporischschja in der Ukraine unterstützen. Da in die Ukraine aufgrund des russischen Angriffskrieges keine Freiwilligen mehr ausreisen können, hat kulturweit dieses Projekt ins Leben gerufen. Mit knapp dreißig Freiwilligen unterstützen wir 12 ukrainische Schulen digital mit einer Doppelstunde die Woche. Meine Schule liegt in der Südost-Ukraine und meine ukrainische Ansprechpartnerin Frau Bondarenko hat erzählt, dass sie sich nur 30 bis 50 Kilometer von der Front entfernt befinden. Luftalarm, Drohnen und die Geräusche von Bombeneinschlägen und Detonationen seien für sie längst Alltag. Wenn Schülerinnen und Schüler aufgrund eines Luftalarms das Meeting verlassen müssten, sollten wir uns keine Sorgen machen. Ich habe einen riesigen Respekt davor, wie sie den Schulbetrieb dort am Laufen halten, und bin gespannt auf meine Zeit mit den ukrainischen Schülerinnen und Schülern. Wie auch meine armenischen Schülerinnen und Schüler sollen wir die Neunt- und Zehntklässler auf die DSD I – Prüfungen vorbereiten und das vor allem mit Spielen. Das ist ein schöner Ausgleich zu meinem armenischen Unterricht, in dem Spiele eher kritisch beäugt werden. Dass der Unterricht online stattfindet, wird gleichzeitig auch eine neue Herausforderung sein, aber ich freue mich auf meine Aufgabe und werde bestimmt ganz bald davon berichten.
In diesem Sinne:
Bis bald! 🙂
P.S.: Auch wenn mir meine Arbeit hier Spaß macht, ist es definitiv nichts für immer. Für das eine Jahr als FSJ ist es perfekt, aber ich kann mir aus vielen verschiedenen Gründen nicht vorstellen, Lehrerin zu werden.