Aufregende erste zwei Tage – Von Türen, Stromausfällen und Keksen

Hallo zusammen! 🙂

Seid ihr schon mal mit richtig viel Gepäck unterwegs gewesen? Mit so viel Gepäck, dass es eigentlich zu schwer für euch war? Falls nicht, dann lasst euch von mir sagen, dass das überhaupt keinen Spaß macht und ihr nach wenigen Metern jeden einzelnen Muskel eures Körper spüren werdet. Ihr werdet euch nichts sehnlicher wünschen, als endlich anzukommen.

So ging es auch Dana und mir, als wir den (ebenfalls wieder sehr hübschen) Bahnhof von Gyumri erreichten. Wir hätten uns zwar ein Taxi rufen können, doch nach dem langen Sitzen erschien es mir als die bessere Idee, die relativ „kurzen“ 15 Minuten zu unserer Wohnung zu laufen. Ich mag Spaziergänge sehr und hatte unsere Kraftreserven, die Qualität der Gehsteige ebenso wie die Qualität der Rollen meiner Koffer deutlich überschätzt. Und so kamen wir nach 25 Minuten anstatt nach 15 Minuten völlig verschwitzt und ausgepowert bei unsere kleinen, aber sehr zentral gelegenen Wohnung an. Dort wurden wir nicht vom Vermieter selbst, sondern von dessen Eltern empfangen. Da die beiden kein Deutsch oder Englisch sprachen und weder Dana noch ich Armenisch konnten (noch nicht!), erfolgte die Roomtour mit jeder Menge wilder Zeichen und immer wieder Gelächter, wenn etwas nicht gleich verständlich war.

Unsere Wohnung.

Nachdem wir uns soweit eingerichtet hatten, rief mich der Vater noch einmal zu sich, um mir zu zeigen, dass er noch eine Schublade im Bad reparieren würde und der Strom aus war. Ich interpretierte das so, dass er den Strom eigenständig abgeschaltet hatte. Als wir (nachdem er bereits gegangen war) immer noch keinen Strom hatten, kontaktierte ich unseren Vermieter und fragte nach. Dieser klärte mich daraufhin auf: Ich hatte seinen Vater zu Unrecht verdächtigt und es handelte sich um einen regionalen Stromausfall, was immer mal wieder vorkäme und maximal zwei Stunden andauern würde. Tatsächlich war der Strom kurze Zeit später wieder da und beim nächsten Stromausfall hatte man sich direkt dran gewöhnt. Als wir abends mit den anderen Armenien-Freiwilligen Erfahrungen austauschten, wurde klar, dass es dieses Problem nicht nur in Gyumri gibt: Auch die drei Mädels aus Yerewan hatten schon einen Stromausfall hinter sich, auf den während unseres Telefonats prompt der zweite folgte. Lediglich Samuel in Sardarapat war verschont geblieben.

Aber zurück zu unserem Vermieter: Eigentlich ist unsere Wohnung eine Ferienwohnung auf Airbnb, die wir aber netterweise zu einem humanen Preis für sechs Monate mieten dürfen. Unser Vermieter war hierbei von Beginn an sehr hilfsbereit und zuvorkommenden. Auch dann noch, als ich ihn an unserem ersten Tag zum gefühlt fünften Mal schrieb und um Hilfe bat. Dieses Mal gab es ein Problem mit der Haustür. Wie sich herausstellte war es meine eigene Unwissenheit und nicht die Schuld der Tür, aber von vorne: Als ich versucht habe, die Tür abzuschließen, ist mir das grundsätzlich zwar gelungen, aber ich konnte den Schlüssel nicht mehr aus dem Schloss ziehen. Wenn die Tür offen war, ging es problemlos, aber sobald abgeschlossen war, wollte der Schlüssel auch mit aller Gewalt nicht aus dem Schloss. Kaum hatte ich die Nachricht an unseren Vermieter abgeschickt, bekam ich ein YouTube-Tutorial zum Abschließen von dieser Art von Tür zurück. Zu meinem maßlosen Entsetzen war das Video so hilfreich, dass der Vater nicht nochmal zur Demonstration kommen musste und es klappte. Zur Feier meines Erfolgs schickte mir der Vermieter noch eine lange Liste mit hilfreichen Tipps für Gyumri, die mich in meiner Zeit hier bestimmt noch öfters begleiten werden.

Komplett erschöpft fiel ich nach knapp 28 Stunden auf den Beinen abends ins Bett, nur um am nächsten Morgen schon wieder um 7:30 Uhr aufstehen zu müssen. Ich hatte mit meiner Ansprechpartnerin Hasmik vereinbart, dass ich zum Schnuppern schon einen Tag an der Schule vorbeischauen würde. Sie holte mich mit dem Taxi ab und auf der 20-minütigen Fahrt zur Schule, die ein bisschen außerhalb liegt, bestätigte sich mein erster Eindruck von Gyumri: Die Stadt ist deutlich grüner als Yerewan und kleiner. Es gibt viele schöne Gebäude, aber auch einige Ruinen. Der Verkehr ist stellenweise das pure Chaos, aber man gewöhnt sich schnell daran (wenn ich wieder nach Deutschland komme, werde ich nicht mehr vernünftig Autofahren können). Es waren so viele Eindrücke, dass ich wohl noch etwas brauchen werde, um mich zurechtfinden zu können. Die Schule selbst ist von innen sehr bunt und es gibt viele Pflanzen. Von vielen Lehrkräften und auch einigen Kindern wurde ich mit einem Lächeln oder einem freundlichen Zunicken begrüßt, sodass ich mich schnell wohlgefühlt habe. Das lag auch an der zweiten Deutschlehrerin, die auch Hasmik heißt, und mich sehr warmherzig in Empfang genommen hat. Vom Unterricht und meiner Arbeit werde ich an anderer Stelle erzählen, da ein Tag noch nicht sehr aussagekräftig ist und ich hier lieber noch Anderes berichten möchte. Zu erwähnen sind beispielsweise noch die Kekse und die Busfahrt zurück:

In den Pausen haben mir die beiden Deutschlehrerinnen nämlich jede Menge armenischer Kekse, Süßigkeiten und ein Stück Banane angeboten, was ich dankend angenommen habe. Besonders gut geschmeckt haben mir hierbei Kekse, die fast wie Prinzenrolle nur mit weicherem Keks und weißer Creme waren. Ich habe im Supermarkt bei uns um die Ecke schon nach ihnen Ausschau gehalten, konnte sie leider aber noch nicht entdecken. Ich werde die Suche dennoch weiter fortsetzen oder bei nächster Gelegenheit nachfragen!

Ein weiteres Tageshighlight war die Rückfahrt in einer Marschrutka, einer Art regionalem Linienbus, den ich ab Montag täglich zur Schule und zurück nehmen werde. Völlig überfüllt und mit waghalsigem Fahrstil ging es quer durch Gyumri, sodass ich schon nach wenigen Minuten keinerlei Orientierung mehr hatte. Trotz eines Schreckmoments, als ein Blitz in unmittelbarer Nähe einschlug, erreichte ich meine Haltestelle und stieg sogar richtig aus, was alles andere als selbstverständlich ist, da ich während der Fahrt ungefähr fünfmal dachte, dass wir schon da wäre. Kaum ausgestiegen, wollte ich zu einem Geldautomaten und lief erstmal in die falsche Richtung. Ich fürchte, bis ich mich in Gyumri zurecht finde, wird es wohl noch eine Weile dauern. Am Geldautomaten fand dann die für mich schönste Begegnung des Tages statt: Ich stand nur wenige Minuten dort, schon kamen drei Jungs im Alter von 12-15 Jahren auf mich zu und der Älteste bat mir auf Deutsch Hilfe an. Während sie mir dabei halfen, den Automaten zu knacken, unterhielten wir uns wirklich nett über alles Mögliche. Für einen Lacher sorgte die Entschuldigung eines Jungen für das „schlechte Wetter“, das normalerweise deutlich wärmer und weniger regnerisch sei, woraufhin ich nur erwiderte, dass ich aus Norddeutschland käme und es sich fast wie Zuhause anfühle.

Das war auch einer der Momente an denen ich für mich festlegte, dass „armenische Gastfreundschaft“ als Beschreibung für die Armeniern im Umgang mit „Ausländern“ nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht ganz passend ist. Selbstverständlich bin ich zu Gast in diesem Land, doch ist die Hilfsbereitschaft von so vielen Menschen, die ich hier bisher getroffen habe, so viel universeller: Tags zuvor war eine Frau auf der Straße gestürzt und sofort waren ihr mindestens fünfzehn Personen zur Hilfe geeilt. Diese Hilfsbereitschaft hat mich in der kurzen Zeit, in der ich erst hier bin, schon oft überrascht und ich bin sehr dankbar für all die Hilfe, die ich bereits erhalten habe. Das geht für mich über bloße „Gastfreundschaft“ hinaus. Ohne diese Menschen wäre ich in diesem fremden Land mit fremder Sprache schon das ein oder andere Mal verzweifelt.

Dennoch beginne ich langsam, mich einzufinden und alleine zurechtzukommen. Ich habe es sogar eigenständig geschafft, uns Essen zu bestellen, ohne dafür unseren Vermieter fragen zu müssen! Es besteht also noch Hoffnung auf ein selbstständiges Leben hier. Ob und wie schnell das jedoch in Erfüllung geht, wird erst die Zeit zeigen und mit diesen weisen Worten beende ich den heutigen Eintrag. Sobald wieder etwas Spannendes oder Berichtenswertes passiert, wird es hier selbstverständlich weiter gehen. In diesem Sinne:

Bis bald! 😊

 

Ein Gedanke zu „Aufregende erste zwei Tage – Von Türen, Stromausfällen und Keksen

  1. Miriam

    Hey, ich finde es sehr cool, dass du dein Auslandsjahr jetzt auch mit diesem Block festhältst und uns somit auch daran teilhaben lässt. Ich habe mich sehr darüber gefreut diese Zeilen zu lesen (auch wenn es recht viel ist, aber dafür nehme ich mir gerne die Zeit 🙂 und dein Schreibstil ist auch einfach super und lässt sich sehr gut lesen.
    Und jetzt nochmal zum Inhalt von diesem Blockeintrag: Ich kann gut nachvollziehen warum die Bezeichnung „armenische Gastfreundschaft“ für dich nicht ausreicht und finde es sehr schön, dass es in Armenien scheinbar viele nette und hilfsbereite Menschen gibt. Ich wünscht, dass es davon hier in Deutschland auch mehr davon geben würde. Außerdem musst du für uns unbedingt noch mehr typisch armenische Süßigkeiten und Kekse testen und uns die besten dann mitbringen!
    Ich freue mich schon sehr auf deinen nächsten Blogeintrag.
    Bis dann
    Deine Miriam

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