„Hier läuft alles über Facebook,“ das ist ein Satz, den ich vor und auch nach meiner Ankunft in Myanmar oft gehört habe. Und tatsächlich hat sich diese Aussage in den letzten Monaten sozusagen in Erfahrungen materialisiert: Jede neue Bekanntschaft (sei sie auch noch so flüchtig) fragt mich nach meinem Facebook-Namen, Arbeitskollegen und Freunde posten täglich auf Facebook, liken jede meiner Aktivitäten und selbst zum Anfang der Yoga-Stunde haben 50% der Teilnehmer noch das Handy, das ein Messenger-Blimbs-Signal nach dem anderen von sich gibt, in der Hand.
Oh, Myanmar, du Land des Facebook-Konsums!
Doch so war es noch nicht immer. Bis 2010 war Myanmar nahezu offline. Internetcafés waren rar und selbst wenn eine Internetverbindung verfügbar war, hieß das noch lange nicht, dass blockadefrei gesurft werden konnte: Seiten wie Facebook, Gmail und Skype waren von der Regierung gesperrt. Aber seit 2010 hat sich in Myanmar auch Internet-technisch vieles verändert. SIM-Karten, die davor bis zu 1000US Dollar gekostet haben, wurden für fast jeden erschwinglich, mobile Daten sind billig und auch passende Smartphones lassen sich an jeder Straßenecke kaufen. Von einem Tag auf den anderen konnte sich die Bevölkerung Myanmars plötzlich mit der ganzen Welt vernetzen – eine große Chance, aber auch eine große Gefahr. [1]
Das Magazin Frontier beschreibt in einer Analyse des Internet-Verhaltens unter anderem den typischen Internet-Nutzers in Myanmar:
„He owed two phones, 3 SIM-cars and two Facebook accounts. His favourite app was Viber, which he used to send Buddhist quotes to his friends and family oversears. We asked him if he used Google; he’d never heard of it before.”
Wie für diesen Mann ist für viele Burmesen Facebook das gesamte Internet. 85% des Online-Datenverkehrs in Myanmar ist der Nutzung von Facebook geschuldet. Suchmaschinen wie Google sind oft unbekannt. Dieser Facebook-Hype hat mehrere Gründe und der ausschlaggebendsten ist wohl ein technischer: Die Darstellung der Burmesischen Schrift. Bisher hat Facebook die technische Hürde am besten gemeistert Inhalte in der burmesischen Schrift abzubilden. Viele andere Homepages oder Suchmaschinen können nur auf Englisch oder mit dem für die burmesische Schrift inadäquaten Unicode-Font benutzt werden. Das, unter anderem, macht Facebook in Myanmar nicht nur zur Social-Media-Plattform, sondern auch zur Suchmaschine und Informationsquelle Nummer eins. [3]
Allerdings liegt in dieser Mono-Kanalität auch eine große Gefahr. Das Potential des Internets Informationen anhand verschiedener Quellen zu veri- bzw. falsifizieren geht fast vollständig verloren. Gleichzeitig grassieren auf Facebook Hate-Speech-Shitstorms und Un- /Halbwahrheiten gehen viral. Viele Facebook-User haben mehrere Accounts. Einen „privaten, unpolitischen Account“ und einen, um sich anonym an Diskussionen zu beteiligen. Solche Diskussionen beherbergen die Gefahr Konflikte der Realität (wie z.B. die Diskriminierung der Rohingya) virtuell anzustacheln und Miss-Informationen als Grundlage zur weiteren Eskalation zu nehmen.
All das macht deutlich, dass die Vermittlung von Medienkompetenz an die gesamte Bevölkerung eine wichtige Entwicklung in der Zukunft sein sollte. Ein reflektierter Umgang mit Online-Quellen kann nicht nur einen Einfluss auf den virtuellen Frieden des Landes haben, sondern ist auch eine Hilfe zur Deeskalation von realen Konfliktsituationen.
Und natürlich ist die Popularität Facebooks auch eine Chance. Zum Beispiel für Community-Empowerment-Projekte, wie das Community-Radio in Htan Ta Bin, das die DW Akademie mitaufgebaut hat und kommenden Sonntag offiziell On-Air geht.
Mehr dazu im nächsten Blog!
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[1] Ben Roache: „What Myanmar’s Facebook supremacy means for business“ In: Frontier Myanmar, Vol. 3, Issue 27-28 Dec 2017, (https://frontiermyanmar.net/en/what-myanmars-facebook-supremacy-means-for-business )
[2] Vgl.: Ebd.
[3] Vgl.: Ebd.