Wertvolles

Das letzte, es ist vorerst das letzte Mal, dass ich meine Straße in Yangon entlanglaufe. Meine Zeit in Myanmar ist nun also vorbei. Kaum zu glauben. Viel zu schnell sind die letzten Stunden verflogen und ich befinde mich in einem ständigen Gefühlschaos. Abschiedsschmerz und Vorfreude liefern sich einen endlosen Kampf.

Sanchaung, Yangon, Myanmar wurde in den letzten Monaten immer mehr zu meiner Heimat. Das war spätestens klar, als wir – Helene und ich – im November von unserem Zwischenseminar zurückkamen. Kaum hatten damals die Räder unseres Flugzeugs wieder burmesischen Boden berührt, machte sich auf Helenes und meinem Gesicht ein Grinsen breit: Wir waren zurück, Zuhause! Zuhause in ‚unserem‘ Yangon, auf dessen Straßen keine tausend Mopeds rasen, dafür tausende Taxis; Zuhause bei ‚unseren‘ Longyi-tragenden ‚Landsleuten‘; zuhause in ‚unserer‘ Straße, mit ‚unseren‘ Straßenhunden, Krähen und Gekkos; Zuhause bei unseren Freunden und Arbeitskollegen.

Jetzt verlasse ich dieses Zuhause wieder, freue mich auf das alte und weine, weil ich das neue verlassen muss. Schon komisch, wie sprunghaft Heimatgefühle sind…

Wie auch immer. Zum Abschied wird es Zeit für eine Liste[1]. Eine Liste mit all den alltäglichen und besonderen Dingen, die meinen Aufenthalt in Myanmar so wertvoll gemacht haben:

  • Die morgendliche Jogging-Runde durch den Peoples Park, zusammen mit mehreren dutzenden Frühaufstehern, die sich zwischen Palmen und am Fuß der Shwedagon Pagode in der aufgehenden Sonne auf ihre Liegestützen, Meditation oder sportlichen Selfies konzentrierten.
  • Die Geheimnisse, Rätsel und Irrationalitäten, denen ich hier begegnet bin. Sie zeigten mir, dass eben nicht jede Faser der Welt von Rationalität durchzogen ist und machten deutlich, dass eine Gesellschaft und Kultur zu komplex ist, um sie gänzlich durchdringen zu können.
  • Das Tragen des traditionellen Wickelrocks (Thamein) und dieses Gefühl von eleganter Lässigkeit, das mich jedes Mal überkam, wenn ich mit meiner Lunchbox in der Hand durch Sanchaung zur Arbeit lief.
  • Die Mittagspausen mit Helene, Kimberley und Anna in unserem Lieblings-Teashop, wo wir die Sorgen des Büroalltags klein aussehen ließen.
  • Das monatliche Straße-Aufräumen zusammen mit der Gruppe von Burmesen, die sich seit Anfang des Jahres trifft, um eine Straße in Yangon von Müll zu befreien und damit mit gutem Beispiel vorangeht.
  • Meine Arbeit und meine Arbeitskollegen. Obwohl Arbeit für mich oft Stress und Zeitdruck bedeutete, schätzte ich meine Aufgaben dort und freute mich insbesondere, dass ich mein eigenes, kleines Projekt für das Community-Radio mitbetreuen durfte. Aber noch viel wertvoller ist die Freundschaft, die sich zwischen mir und meinen Arbeitskollegen entwickelte – irgendwie saßen wir alle im gleichen Boot, kämpften gegen Fristen, Bürokratie, Willkür an, und dennoch waren alle herzlich und scheinbar unermüdlich.
  • Die unzähligen Märkte, Straßenhändler und -restaurants von Yangon, die mich jedes Mal mit ihrem Angebot an Stoffen, Schmuck, Obst, Gemüse oder anderen Köstlichkeiten wie Sticky Rice oder Samosas lockten.
  • All die Menschen, die ich in Myanmar getroffen habe. Egal, ob ich mit ihnen  staunend zwischen den Pagoden und Naturwundern des Landes wandelte, unzähmbar tanzend auf den Tanzfloors der Stadt feierte, oder faul im Bett über die Welt philosophierte – alle haben sie meinen Aufenthalt zu etwas Unvergesslichem gemacht.
  • Die Pragmatik mit den Verkehrsmitteln: Wenn 4 Personen auf einem Fahrrad, 6 Personen in einem Taxi und 16 in bzw. auf einem Truck saßen, war ich immer wieder fasziniert von der Unkompliziertheit der Fortbewegung.
    Und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie ich mich in Deutschland wieder an Abfahrtszeiten halten soll.
  • Die Aufregung, wenn mal wieder ein Mikro-Gespräch auf burmesisch gelungen war, zum Beispiel mit der Obstverkäuferin auf dem Weg zu Arbeit, mit der ich bei jedem Orangenkauf versuchte zu plaudern.
  • Die Schönheit der Sonnenunter- und aufgänge. Egal, ob über den Dächern von Yangon, den Pagoden von Bagan oder den Gipfelspitzen der Shan-Berge – ihre Schönheit war immer und überall berauschend.

Nun kehre ich in die Gewohnheitssoße zurück, aber sie wird gewürzt sein mit all den Eindrücken, die ich aus dieser Zeit mitnehme!

Jayzudimbadeh! Thwa bi naw!

[1] Eine Liste mit Anspruch auf absolute Unvollständigkeit: Diese Liste wird immer unvollständig bleiben, denn es wird immer etwas Wertvolles geben, das ich (jetzt noch) gar nicht erkannt habe oder nicht in Worte fassen kann.

„Khayae FM“ – Myanmar’s erstes Community-Radio

Nur wenige Tage vor meinem Abflug fand noch ein historisches Ereignis für die Medienlandschaft in Myanmar statt: Am vergangenen Sonntag ist das erste Community-Radio des Landes On-Air gegangen. Natürlich mit viel hochoffiziellen Reden, Händeschütteln, Blitzlichtgewitter und Fotoposen. Alle waren sie da – Informations-Minister (Dr. Pe Myint), Direktor von Myanmar Radio and Television (U Myint Htwe), die deutsche Botschafterin (Dorothee Janetzke-Wenzel), Leiter der Abteilung Asien & Europa der DW Akademie (Michael Karhausen) und natürlich die Bewohner des Townships gratulierten zum gelungenen Start des Pilotprojekts in Myanmar. 

 

Doch viel wichtiger, finde ich, sind die Menschen, die hinter diesem Community-Radio stehen. Die Menschen, die seit zwei Jahren von der DW Akademie zu ReporterInnen, Studio-TechnikerInnen, RedakteurInnen und ModeratorInnen ausgebildet wurden und nun täglich das zweistündige Live-Programm produzieren. Sie sind jung, alt, männlich, weiblich – alle samt brennen sie für die Idee des Community-Radios und nehmen teilweise zwei Stunden Anfahrt zu Fuß, mit dem Motorrad oder Boot in Kauf um für ihr Radio zu arbeiten. In ihren Radiosendungen werden sie die 50 umliegenden Dörfer z.B. mit Informationen über aktuelle Plagen oder Krankheiten versorgen, über Gender-Themen diskutieren und lokale Musiker zu Live-Konzerten ins Studio einladen.

Da es im Vielvölkerstaat Myanmar solche Bürgermedien bisher noch kaum gibt kann „Khayae FM“ der Startpunkt für eine wichtige und bisher einzigartige Entwicklung im Land sein. Zwar hat sich in den Metropolen mittlerweile eine wachsende Medienlandschaft etabliert, auf dem Land aber sind die einzigen Informationsquellen meist nur die staatlichen Sender. Ihr Informationsangebot deckt sich zum großen Teil nicht wirklich mit den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung oder aber die Sprachbarriere macht es für manche ethnischen Minderheiten unmöglich die Informationen zu verstehen.
In Community-Radios liegt daher ein großes Potential die ländliche Bevölkerung und ethnische Minderheiten mit relevanten Informationen zu versorgen, allen Teilen des Landes ein Sprachrohr zu bieten und damit zur Demokratisierung des Landes beizutragen. Dennoch sind solche Bürgermedien – momentan noch – gesetzlich verboten. „Khayae FM“ basiert lediglich auf einer Sondererlaubnis der Regierung und wird als Pilotprojekt angesehen, dass sich hoffentlich positiv auf die Gesetzgebung auswirkt.

 

Check out:

https://www.facebook.com/htantabincr/ 

Khayae FM (facebook.com/htantabincr), #Myanmar's first community radio station is finally on air! The citizens' radio in…

Posted by DW Akademie – Asia on Sonntag, 18. Februar 2018

Myanmar, das „Facebook-Land“

„Hier läuft alles über Facebook,“ das ist ein Satz, den ich vor und auch nach meiner Ankunft in Myanmar oft gehört habe. Und tatsächlich hat sich diese Aussage in den letzten Monaten sozusagen in Erfahrungen materialisiert: Jede neue Bekanntschaft (sei sie auch noch so flüchtig) fragt mich nach meinem Facebook-Namen, Arbeitskollegen und Freunde posten täglich auf Facebook, liken jede meiner Aktivitäten und selbst zum Anfang der Yoga-Stunde haben 50% der Teilnehmer noch das Handy, das ein Messenger-Blimbs-Signal nach dem anderen von sich gibt, in der Hand.

Oh, Myanmar, du Land des Facebook-Konsums!

Doch so war es noch nicht immer. Bis 2010 war Myanmar nahezu offline. Internetcafés waren rar und selbst wenn eine Internetverbindung verfügbar war, hieß das noch lange nicht, dass blockadefrei gesurft werden konnte: Seiten wie Facebook, Gmail und Skype waren von der Regierung gesperrt. Aber seit 2010 hat sich in Myanmar auch Internet-technisch vieles verändert. SIM-Karten, die davor bis zu 1000US Dollar gekostet haben, wurden für fast jeden erschwinglich, mobile Daten sind billig und auch passende Smartphones lassen sich an jeder Straßenecke kaufen. Von einem Tag auf den anderen konnte sich die Bevölkerung Myanmars plötzlich mit der ganzen Welt vernetzen – eine große Chance, aber auch eine große Gefahr. [1]

Das Magazin Frontier beschreibt in einer Analyse des Internet-Verhaltens unter anderem den typischen Internet-Nutzers in Myanmar:

„He owed two phones, 3 SIM-cars and two Facebook accounts. His favourite app was Viber, which he used to send Buddhist quotes to his friends and family oversears. We asked him if he used Google; he’d never heard of it before.”

[2]

Wie für diesen Mann ist für viele Burmesen Facebook das gesamte Internet. 85% des Online-Datenverkehrs in Myanmar ist der Nutzung von Facebook geschuldet. Suchmaschinen wie Google sind oft unbekannt. Dieser Facebook-Hype hat mehrere Gründe und der ausschlaggebendsten ist wohl ein technischer: Die Darstellung der Burmesischen Schrift.  Bisher hat Facebook die technische Hürde am besten gemeistert Inhalte in der burmesischen Schrift abzubilden. Viele andere Homepages oder Suchmaschinen können nur auf Englisch oder mit dem für die burmesische Schrift inadäquaten Unicode-Font benutzt werden. Das, unter anderem, macht Facebook in Myanmar nicht nur zur Social-Media-Plattform, sondern auch zur Suchmaschine und Informationsquelle Nummer eins. [3]

Allerdings liegt in dieser Mono-Kanalität auch eine große Gefahr. Das Potential des Internets Informationen anhand verschiedener Quellen zu veri- bzw. falsifizieren geht fast vollständig verloren. Gleichzeitig grassieren auf Facebook Hate-Speech-Shitstorms und Un- /Halbwahrheiten gehen viral. Viele Facebook-User haben mehrere Accounts. Einen „privaten, unpolitischen Account“ und einen, um sich anonym an Diskussionen zu beteiligen. Solche Diskussionen beherbergen die Gefahr Konflikte der Realität (wie z.B. die Diskriminierung der Rohingya) virtuell anzustacheln und Miss-Informationen als Grundlage zur weiteren Eskalation zu nehmen.

All das macht deutlich, dass die Vermittlung von Medienkompetenz an die gesamte Bevölkerung eine wichtige Entwicklung in der Zukunft sein sollte. Ein reflektierter Umgang mit Online-Quellen kann nicht nur einen Einfluss auf den virtuellen Frieden des Landes haben, sondern ist auch eine Hilfe zur Deeskalation von realen Konfliktsituationen.

Und natürlich ist die Popularität Facebooks auch eine Chance. Zum Beispiel für Community-Empowerment-Projekte, wie das Community-Radio in Htan Ta Bin, das die DW Akademie mitaufgebaut hat und kommenden Sonntag offiziell On-Air geht.

Mehr dazu im nächsten Blog!

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[1] Ben Roache: „What Myanmar’s Facebook supremacy means for business“ In: Frontier Myanmar, Vol. 3, Issue 27-28 Dec 2017, (https://frontiermyanmar.net/en/what-myanmars-facebook-supremacy-means-for-business )

[2] Vgl.: Ebd.

[3] Vgl.: Ebd.

 

Die Demokratie-Ikone Myanmars, Daw Aung San Suu Kyi, hat heute eine zweifelhafte Auszeichnung erhalten: Vom Committee to Protect Journalists wurde sie als Biggest Backslider in Press Freedom ausgezeichnet.

Meiner Meinung nach ist das nicht gerade eine hilfreiche Art und Weise mit der wachsenden Bedrohung für die Presse- und Meinungsfreiheit in Myanmar um zugehen… Aber Aufsehen erregt es auf jeden Fall. Aufsehen, dass vielleicht dringend nötig ist, denn gerade in den letzten Monaten hat sich die Lage für Journalisten aber auch für kritisch denkende Bürger Myanmars verschlechtert. Die Tageszeitung Mizzima „Myanmar’s press freedom in freefall“ gibt einen Überblick über den Status-Quo der Pressefreiheit in Myanmar.

Kritik einer Reise

Myanmar lockt mich und auch andere Backpacker mit seinen unendlichen Möglichkeiten Abenteuer zu erleben. Hinauf auf Berge, hinunter in Schluchten, rein ins Wasser, raus in die Wildnis, hindurch zwischen Pagoden. Rasend über holprige Straßen auf Mopeds, Pick-ups oder in VIP-Bussen.

Der Wind peitscht mir ins Gesicht und ich fühle mich frei…

Frei in einem Land, in dem so viele Menschen noch unfrei sind. Frei in einem Land, in dem Menschen verhaftet werden, weil sie die Politik kritisieren. Frei in einem Land, in dem nur etwa ein Viertel der Bevölkerung Zugang zu Elektrizität hat. Frei in einem Land, in dem in den letzten Monaten über eine halbe Millionen Menschen wegen ihrer Religion verfolgt, vergewaltigt, um ihre Existenz beraubt und vertrieben wurden…

Aufgrund meiner Privilegisierung kann ich es mir leisten die Schönheit des Landes zu bestaunen und kann den Müll zwischen den Häusern ignorieren. Aufgrund der Auswüchse der Kolonialzeit werde ich mit „Hello! Beautiful!“ auf der Straße begrüßt und kann mich darüber ärgern, dass es fast nur Duschgel mit Whitening-Effekt gibt. Aufgrund von Umständen, denen ich jeder Zeit entkommen kann, steigt mein Adrenalinspiegel und löst Freiheitsgefühle aus, wenn ich auf dem Rücksitz eines Motorrads durch die Wildnis gefahren werde.

Für mich war dies auch ein bitterer Geschmack, den ich auf meiner Reise erleben durfte… Doch nicht all den Reisenden, denen ich begenete, ging das auch so. Vielen gefiel gerade diese (privilegiserte) Position manchmal etwas zu gut und Sätzen wie „diese Betel-kauenden Männer widern mich an“ machten das leider des öfteren deutlich.

Dennoch möchte ich auch diese Erfahrungen nicht missen, sondern ich möchte sie teilen. Diese Eindrücke sollen nicht davon abhalten die Welt zu bereisen und anderen Menschen zu begegnen. Sie sollen nicht davon abhalten Abenteuer zu erleben. Aber sie sollen dazu anregen, nicht blind und selbstsüchtig von einem Abenteur ins nächste zu stolpern. Vor allem sollte es auch einmal die eigenen Haltung sein die kritisiert, korrigiert und ent-privilegisiert werden muss!

Von Süden nach Norden

Die freien Tage um Weihnachten und Neujahr lockten mich raus aus Yangon und ich reiste los, vom Süden Myanmars in den Norden. Von trockenen savannanartigen Landschaften mit tausenden Pagoden bis hin zu saftig grünen und nassen Reisfeldern zwischen Urwäldern und Bergen. Teilweise war ich zusammen mit meinen Mitbewohnerinnen und Freunden, teilweise allein oder aber mit neuen Reisebekanntschaften. Doch bevor ich hier in eine endlose Auf- und Nacherzählung meiner Erlebnisse übergehe und vergeblich in meinem Wortschatz wühle, um meine Eindrücke und Gefühle in ein paar Buchstaben zu quetschen, lasse ich hauptsächlich die Bilder sprechen.

Die Höhen und Tiefen Hpa-an’s

Hpa-an ist die Hauptstadt des Kayin-Staates, der erst seit kurzer Zeit zugänglich für Touristen ist. Die Kayin brachten die erste Zeitung Myanmars („Morning Star“) in einheimischer Sprache raus. Wir genossen aber vor allem die atemberaubende Natur und buddhistische Pilgerorte in der Umgebung Hpa-an’s – entweder hoch über den Wolken oder tief unter der Erde.

Bagan’s verwunschene Pagodenlandschaft

Bagan – die Touristenattraktion schlecht hin in Myanmar. Aber auch zu Recht! 3200 Pagoden, Tempel und andere religiöse Bauten verzaubern die staubige Landschaft zu einem unwirklichen Märchenland.

Mandalay – eine Stadt zwischen Vergangenheit, Tradition und Moderne

Mandalay ist die zweitgrößte Stadt Myanmars und befindet sich in einer Zwischenwelt zwischen Vergangenheit, Tradition und Moderne. Königlicher Charm mischt sich mit militärischer Disziplin, städtische Quirligkeit trifft auf dörfliche Pragmatik.

Bergluft in Hsipaw

Hsipaw war der frühere Sitz des Shan-Fürsten Sao Kya Seng, der mit der Österreicherin Inge Eberhard verheiratet war.  Sao Kya Seng wurde in den 1962 von der Militärdiktatur unter Ne Win verschleppt und es ist bis heute noch nicht geklärt, was genau mit ihm passiert ist.  Neben dieser geschichtlichen Bedeutsamkeit, ist Hsipaw hauptsächlich eine entspannte kleine Stadt zwischen Bergen und Wäldern.

 

Zwischen Reisfeldern und Feuerwerken

Schon ein Weilchen her, aber trotzdem einen Eintrag wert ist mein 5-Tages Trip durch den Shan-State. Es war eine Reise, die mich über felsige Hügel, durch unendliche grüne Weiten bis hin zu einem surrealen Adrenalinkick führte.

Weniger Adrenalin-getränkt war der Beginn meiner Reise, der mit einer unendlichen Taxifahrt und einer weiteren unendlichen Busfahrt durch in Dunkelheit gehüllte Landschaft Myanmars begann. Doch dann – um 5 Uhr morgens – waren wir angekommen, in Kalaw. Kalaw gilt als Tor zum südlichen Shan-Staates und ist eine kleine aber rege Stadt mit ca. 186000 Einwohnern. Auf dem Markt, den wir kurz nach dem Sonnenaufgang besuchen, verkaufen unter anderem die Angehörigen der Pa-O, Palaung und Danu- Bevölkerungsgruppen Gemüse, Obst, Stoffe & Schmuck, Fisch, Fleisch – alles was die Seele begehrt. Zu Kolonialzeiten suchten die Briten in Kalaw nach Abkühlung und heilender Luft (im Winter können die Temperaturen hier nachts unter den Gefrierpunkt fallen). Heute suchen Backpacker nach dem perfekten Trekking Guide, um durch die Shan-Berge zum Inle-See zu wandern. So auch Kimberley und ich.

Für die nächsten drei Tage wanderten wir zusammen mit 10 weiteren Wanderwütigen zum 60 Kilometer entfernten Inle-Lake. Geschickt führten uns unsere Trekking-Guides, Momo und Elias, über felsige Hügel, durch leuchtend grüne Reisfelder, trockene rote Erde, vorbei an Kiefern , Baumbus und dem im Buddhismus heiligen Bohdibaum. Wir sahen Grüntee wachsen, Ingwer lagern und Chilis in der Sonne trocknen. Wir wurden von der Sonne aufgeheizt und vom Regen weggespült. Wir kreuzten Bauern, die ihre Wasserbüffel ins Dorf trieben, Reis ernteten oder Bambus hackten. Und am Ende jeden Tages kehrten wir in einem der kleinen Dörfer bei einer Familie ein, duschten unter Bananenbäumen und genossen leckeres Curry. 

3 Tage später, 60 Kilometer weiter und um fünf Blasen am Fuß reicher, waren wir dann am Inle-Lake angekommen. Sichtlich erschöpft, dreckig aber stolz bestiegen wir am südlichen Ende des Inle-Lakes ein Boot mit dem wir über den See brausten. Aus der Ferne sahen wir die schwimmenden Gärten, unendliche Schilfgürtel und die berühmten Einbein-Fischer, um die sich einige Touristenboote versammelten. Insgesamt sind es wohl um die 100000 Menschen, die um den See herum leben (sie nennen sich „Intha“ – die Menschen vom See).  Wie wir an unserem zweiten Tag am Inle-Lake erleben konnten, als wir auf einer Tofu-Tour sämtlich Arten von Tofu und „Sticky-Rice“ probierten, spielt nicht nur die Fischerei, sondern eben auch der Anbau von Reis, Bohnen und Erdnüssen hier eine große Rolle.

Nun aber zum Adrenalin-geladenen Teil der Geschichte: Das Ballon-Festival in Taunggyi. Einmal im Jahr, während des Mondmonats „Tazaungmon“ wird in Taunggyi ein landesweit bekanntes Heißluftballon-Festival gefeiert. Bewohner aus allen Teilen des Shan-States reisen zu diesem Anlass nach Taunggyi, im Schlepptau einen selbstgebauten Ballon, der sich im Wettbewerb als schönster, spektakulärster Ballon durchsetzen soll. Als wir auf dem Festivalgelände ankamen war es bereits dunkel und über uns stieg schon der erste Ballon auf, der einen Teppich aus tausend Kerzen nach sich in die Höhe zog. Um uns herum tanzten und sangen dutzende von Menschen. Und plötzlich waren wir mitten drin, tanzten mit ihnen, sangen mit ihnen und feuerten den nächsten Ballon an. Diesmal einer, der mit Feuerwerken bestückt war. Dampfend und rauchend richtete er sich langsam vom Boden auf, erhob sich bedrohlich nah über unsere Köpfe in die Luft, schwebte davon und malte dann ein Meer aus Funken und Glitzer in den dunklen Nachthimmel. Gespalten zwischen Faszination und Fluchtreflex (manchmal entzündeten sich die Feuerwerke nämlich schon am Boden, oder der Ballon stürzt plötzlich ab) starrten wir wie hypnotisiert in den Himmel, bis der letzte Funke weit über den Bergen erloschen war.

Foto: Kimberley Pallenschat 

Zurück in Yangon, im Arbeitsalltag und zwischen den hupenden Autos kommt mir das Ganze wie ein Traum vor – aber einer den ich nie vergessen werde!

 

 

Ba-ma-za-ga

„Sa pi-bi-la.“
Verwirrte, unsichere Blicke werden ausgetauscht.
„Sa pi-bi-la“
Flüstern geht durch den Raum.
„Hieß das nicht etwas irgendetwas mit Essen?“
„Keine Ahnung, -la ist das Wort das eine Ja/Nein-Frage anzeigt…oder?“
Einige Laute und Silben purzeln unbeholfen in den Raum. Ein Mutiger traut sich und sagt: „Sa…mä….Oh, sorry no, again: Sa…ma-pi-ba…bu?“

So, oder so ähnlich verliefen viele erste Minuten unseres Sprachkurses, den ich die letzten drei Wochen besucht habe. Heute war die letzte Stunde. Inzwischen sind die verwirrten Blicke ein bisschen weniger geworden und auch das anfängliche, unbeholfene Herumstottern hat sich zum Teil in souveräne Antworten wie „Sa pi-bi!“ („Ja, ich habe schon gegessen“) oder „Sa ma pi-ba-bu!“ („Nein, ich habe noch nicht gegessen.“) verwandelt.

Dennoch bleibt Burmesisch für mich und meine Zunge eine große Herausforderung.

Burmesisch ist die Amtssprache von Myanmar, rund 35 der 50 Millionen Einwohner beherrschen sie. Linguistisch betrachtet gehört Burmesisch zur Gruppe der tibeto-birmanischen Sprachen. Es ist eine sogenannte Lautsprache. Das heißt ausschlaggebend für die Bedeutung eines Wortes – und auch ausschlaggebend für die Schwierigkeiten von Europäern mit der Sprache – ist die korrekte Betonung der Silben. Verantwortlich für diese unterschiedlichen Betonungen sind 8 Vokale und drei verschiedene Tonlagen, die in Kombination mit einem der 32 Konsonanten auftreten und so die Dauer, Intensität und den Klang einer Silbe modellieren. Wie eine Besessene versuchte ich gemeinsam mit dem Rest meines Sprachkurses diese drei verschiedenen Tonhöhen richtig zu artikulieren. Zum Beispiel der Konsonant „k“ in Kombination mit dem Vokal „a“: Erst die ‚normale‘ Variante (ka), dann die ‚gedrückte, deprimierte‘ (kaa) und schließlich die ‚agressive‘ (kaaa).

In der Praxis kommt dann noch die Schwierigkeit hinzu diese Tonunterschiede ohne visuelle Unterstützung heraus zuhören. Bisher klingt für meine ungeschulten Ohren vieles sehr, sehr ähnlich. Das führte dann z.B. dazu, dass bisherige Versuche souverän mit den Taxifahrern zu verhandeln an der Fehlinterpretation einer einzigen Silbe gescheitern:

„Ne kaun la,“ sage ich zum Taxifahrer und er antwortet „Ne kaun ba-deh“. Damit ist der Einstieg und die Begrüßung („wie geht’s?“ „Es geht gut“) schon mal geschafft.
„Myni-gone thwa-meh,“ kündige ich mein Fahrziel an. Und frage nach dem Preis: “Beh lau leh”
„hhnNgaa-taun,“ sagt der Taxifahrer und ich komme ins Schwitzen. War das jetzt ein nasal gesprochenes „hnga-taun“ und heißt dementsprechend 5000Kyat? Oder war es eher das ‚hhhngaaa‘, bei dem die Zunge an die Zähne stößt, und heißt 2000 Kyat?)
„Thou-daun!“, sage ich entschlossen – bestimmt wollte er 5000Kyat verlangen und ich handle jetzt noch einen fairen Preis für 3000Kyat aus! Aber irgendwie schaut der Taxifahrer jetzt verwirrt, grinst und wiederholt dann mit Unterstützung seines Zeige- und Mittelfingers sein Angebot: „hna-taun!?“
Das war wohl doch das „Hnnga-toun“ welches 2000 heißt. Ups. Ich lache, der Taxifahrer lacht auch, ich steige ein und bedanke mich: „Ya-ba-de. Ce-zu-ba.“

Es wird also noch eine Weile dauern bis meine Ohren, meine Zunge und mein Hirn sich einigermaßen in diese neue Sprache eingefunden haben. (Von Lesen und Schreiben ganz zu schweigen…) Aber ich werde dran bleiben und sage jetzt schon mal „Ce-zu-ba“ zu all den Taxifahrern, die mich, trotz meines Angebots mich für mehr Geld zu kutschieren, nicht übers Ohr hauen!

Tata,
Nadja

Zwischen Royal Teamix und Myanmar Press Council

Aufstehen. Frühstücken, Wassermelone und Myanmar Royal Teamix.

Dann 103 Stufen runterlaufen. Raus auf die Straße, in die alles umhüllende feuchte Wärme treten.

Gemeinsam mit anderen Fußgängern zwischen Autos und Fahrradtaxis zur Arbeit durschlängeln. Vorbei an der Sanchaung Feuerwehr, vorbei an der Primary School, vorbei an Mini-Supermärkten, vorbei an Gemüse- und Obstständen und vorbei an Teakitchens mit dampfender Mohinga.

Angekommen in der Arbeit, erst einmal die Klimaanlage anschalten und den Laptop hochfahren. E-Mails checken, dann kurz die größten burmesischen Zeitungen (Mizzima, The Myanmar Times etc.) überfliegen, um schon einmal einen Überblick für den Pressespiegel zu gewinnen. Sich bereit machen für den Tag, der meistens, hoppla hopp, in rasender Geschwindigkeit verfliegt.

Und schon geht’s los, rein ins Auto, zu einem Meeting z.B. in den Myanmar Press Council oder in das Myanmar Journalism Institut. Schneller als ich das Thema des anstehenden Meetings überhaupt erfasst habe, sind wir schon angekommen, in einem stark gekühlten Meetingraum, voller schlauer, kreativer und ehrgeiziger Menschen, die seit Jahren für eine unabhängige, heterogene und integrative Medienlandschaft kämpfen. Und ich bin mittendrin. Irgendwie klein vor meinem Laptop, darum bemüht das perfekte Protokoll zu schreiben und gleichzeitig all den für mich neuen Input aufzusaugen.

Dann zurück ins Auto, zurück ins Büro. Mein Kopf voller Infos, die sortiert und verdaut werden müssten. Aber dafür bleibt kaum Zeit, denn schon stehen die nächsten Aufgaben an: Einen Projektantrag übersetzen, einen kleinen Beitrag für den internen Newsletter schreiben, einen neuen Facebook-Post erstellen, bei den Projektabrechnungen helfen – ach ja und den Pressespiegel nicht vergessen. Nebenbei noch Scannen, Drucken und E-Mails checken.

Abends, nach dem burmesisch Sprachkurs oder der Capoeira-Stunde, dann wieder 103 Stufen hoch und am liebsten sofort ins Bett… oder aber noch zu den Mitbewohnern auf den Balkon, mit einem kühlen Myanmar Premium.

Ja, es ist viel momentan. Aber bisher ist es eine wahnsinnig interessante und inspirierend Zeit!*

Eure Nadja

P.S.: Wer mehr über die Arbeit der DW Akademie in Myanmar wissen will und sich nicht nur für meine Banalitäten interessiert, guckt am besten mal hier: http://www.dw.com/de/dw-akademie-in-myanmar/a-18388585
Sehr spannend finde ich momentan die Projekte des dritten Jahrgangs am Myanmar Journalism Institut, die gerade ihre Multi-Media-Journalismus-Diplomen bekommen haben. (http://www.mjinews.org/)

*Verzeiht außerdem die geringe inhaltliche Differenzierung, aber bisher bin ich noch mit Aufsaugen, Lernen und Verstehen beschäftigt, weshalb ich erst zu einem späteren Zeitpunkt auf konkrete Inhalte der Medienentwicklung in Myanmar eingehen möchte.

Gold, Marmor und Kerzenschein – Die Shwedagon Pagode

Ein kleines Highlight der Woche war Helenes und mein Besuch der Shwedagon Pagode! Zwischen den arbeitsreichen Tagen dieser Woche war der Spaziergang durch den Peoples Park hin zum goldenen Schatz Myanmars wie ein kurzer Urlaub: Erfrischend und vitalisierend! Ein bisschen so wie der Koriander-Geschmack zwischen den scharfen herzhaften Shannudeln.

Unser After-Work-Ausflug begann mit einem ruhigen Spaziergang durch den Peoples Park. Wir schlenderten durch Palmen, Graeser, Teakitchens und liessen uns bezaubern vom Leuchten des Sonnenuntergangs, der durch die Windungen einer Achterbahn schimmerte.

An der Shwedagon Pagode angekommen, fuehrten uns zuerst mehrere Rolltreppen durch grosse Hallen aus Marmor, verziert mit wunderbar vielen Schnoerkeln. Und ploetzlich standen wir dann da. Direkt vor der goldglänzenden Pagode, die weit in den dunklen Nachthimmel ragte.

Insgesamt war es sehr ruhig dort, und das trotz der vielen Menschen. Jeder war irgendwie für sich, in Meditation, in Gedanken, aber gleichzeitig schienen alle vereint zu sein. Familien sassen zusammen, lachten, chatteten mit ihren Handys. Mönche meditierten, waren ins Gebet vertieft oder fotografierten sich gegenseitig. Keiner schien sich gestoert zu fuehlen in dem was er tat. Jedes Geräusch hallte zwar kurz auf, wurde aber Sekunden spaeter von der ausgiebigen Weite, dem Marmor und Gold geschluckt.

Eine wirklich einzigartige Stimmung. Aufgeregte Ausgelassenheit harmonierte mit eingekehrter Ruhe. Ein Platz fuer friedliche Unendlichkeit und unendliche Friedlichkeit!

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