…war für mich die Reise nach Weißrussland, von der ich vor drei Tagen zurück gekommen bin. Nachdem ich hier in Tallinn über couchsurfing im März Hanna, eine sehr nette, aktive und ein bisschen verrückte Belarussin kennen gelernt hatte, bot sie mir an, sie in Minsk besuchen zu kommen. Für die Idee hatte ich mich sofort begeistert. Nachdem ich die meisten Länder um Estland bereits zumindest flüchtig besuchen konnte, interessierte ich mich sehr dafür, auch Belarus kennen zu lernen. Von Deutschland aus wärst du nicht so schnell auf die Idee gekommen, einfach mal nach Weißrussland zu fliegen, dachte ich mir, und fing an, mich um das Visum zu kümmern.
Vier Besuche in der weißrussischen Botschaft später konnte es losgehen. Einreisen geht von Tallinn aus relativ einfach per Bus über Riga oder Vilnius, oder von Vilnius aus mit dem Zug. Im Bus auf der Hinfahrt und an der Grenze war es dann bereits etwas ungemütlich, als Einzige kein Russisch zu sprechen, das kannte ich aber zumindest schon von der Fahrt nach St. Petersburg, darauf war ich eingestellt.
Nachdem ich in den Tagen vor meiner Abfahrt Hanna nicht erreichen konnte und deshalb nicht wusste, wann, wo und letztendlich ob wir uns überhaupt treffen würden, war mir schon etwas mulmig zumute, als ich alleine früh morgens in Minsk ankam. Zum Glück hatte ich kurz vor meiner Abfahrt ebenfalls über couchsurfing noch ein paar Einheimische angeschrieben und eine von ihnen, Katya, hatte den ganzen Tag Zeit und wollte mir unbedingt die Stadt zeigen. Ab da fühlte ich mich gleich sehr viel besser, sie betonte immer wieder, dass sie dafür sorgen würde, dass ich sicher irgendwo unterkomme, rannte mit mir innerhalb eines halben Tages fast die gesamte Masse an Minsker Sehenswürdigkeiten, Kirchen, Monumenten und Parks ab und versuchte mehrmals, Hanna anzurufen. Nachmittags meldete meine eigentliche Gastgeberin sich endlich zurück, erzählte, dass sie gerade von ihrem Seminar irgendwo außerhalb zurück gekommen war, dass das einen Tag länger gedauert hatte, als eigentlich gedacht und dann auch noch nirgendwo Internetzugang gewesen wäre, beteuerte, dass es ihr unendlich Leid tat, dass wir jetzt aber sofort zu ihr kommen sollten. So schlief ich dann die fünf Nächte über letztendlich doch auf der Couch, auf der ich es ursprünglich geplant hatte und das meiste lief danach nach Plan 😉
Was mich beeindruckte war die Gastfreundschaft, das Interesse an Ausländern und die Hilfsbereitschaft der Menschen, die ich dort kennen lernte. Am gleichen Abend waren wir noch auf dem wöchentlichen Treffen der couchsurfing-Community von Minsk und das war extrem gut besucht, vor allem von Locals, die oft sogar ein bisschen Deutsch sprachen und es an mir üben wollten.
Ein weiteres Highlight war die Fahrt aufs Land am Wochenende. Mit dem Zug fuhren wir zu dem kleinen selbstgebauten Holzhaus im Dorf Lotvichi, in dem Hannas Großvater aufwuchs, blieben dort für eine Nacht, wurden von entfernten Verwandten zum Tee eingeladen, halfen bei der Apfelernte usw. Wie in Estland auch, sind die Sommerhäuser, zu denen man am Wochenende fährt, der traditionelle Ort zum Entspannen und wichtiger Bestandteil des Familienlebens, erzählte mir Hanna. Laut ihr habe ich während meiner sechs Tage insgesamt ziemlich authentisches Leben in Belarus kennen gelernt. In die Museen habe ich es zum Beispiel nicht geschafft, dafür muss ich wohl nochmal wieder kommen, aber stattdessen haben wir die letzten paar Sommertage ausgiebig in den Parks oder der Natur genossen. Und durch Zufall sind wir an einem Tag auch noch zur Burg von Myr gekommen, da ein Bekannter von Hanna, der ebenfalls Gäste aus Deutschland da hatte, noch zwei Plätze im Auto frei hatte.
Die Fahrt hat sich auf jeden Fall gelohnt. Obwohl ich schon gehört hatte, dass Minsk schöner ist, als viele es sich vorstellen, muss ich zugeben, dass ich überrascht war. Vielleicht hatte ich unterbewusst trotz allem eine riesige, unheimliche, sowjetische Megastadt erwartet, aber so unüberschaubar wirkte sie trotz immerhin knapp 2 Millionen Einwohnern doch nicht. Das Stadtzentrum ist groß und wirklich schön, mit teils beeindruckender Architektur und wirkte auf mich gerade dank des Svislach-Flusses und der ihn umgebenden Parks sehr grün und offen. Und Blockbauten in den Außengebieten kenne ich auch aus Tallinn.
Ich werde versuchen, trotz meines langsamen Internets einige Bilder für euch hochzuladen:

beinahe Spielgeld: dieser Haufen belarussischer Rubel reicht nicht einmal für ein Busticket (ca. 30ct)
Mit der Rückreise lief auch alles noch recht reibungslos und ich war rechtzeitig vor Ablauf meines Visums zurück über der Grenze. Mit meiner Ankunft zurück in Estland am brach dann bereits meine letzte Woche hier im Land an. Während meiner Reise ist in Tallinn plötzlich der Herbst eingebrochen, es wird kälter, regnet, die Tage werden wieder kürzer. Nach einem Jahr kann ich es mir kaum vorstellen, wie diese Zeit jetzt plötzlich vorbei sein soll. Ständig Verabschiedungen, bei allem, was ich tue und jedem, den ich sehe, schleicht sich der Gedanke ein, dass es wahrscheinlich vorerst das letzte Mal ist. Die Zeit hier in Estland war so intensiv und doch ist sie jetzt zum Ende hin wahnsinnig schnell verflogen. Sicher, auf viele Leute und einiges, was ich zuhause machen kann, freue ich mich schon. Aber hier zu gehen, wird sehr schwer. Ein Trost – Estland ist von Deutschland aus doch ziemlich gut, einfach und günstig zu erreichen und für Besuche werde ich, auch wenn es nicht ganz das Gleiche ist, wiederkommen. Spätestens zum nächsten Sängerfest in 5 Jahren haben wir uns mit der ganzen Estland-Freiwilligen-Generation (alle über 25 bitte mit ihren Kindern ;)) zum Treffen in Estland verabredet. Ich werde hier meine letzten Tage noch genießen, wünscht mir Glück, dass ich nicht zu sehr in Aufgaben- und Organisationsstress versinke, die letzten Abschiede überstehe und mit der Busfahrt zum Nachbereitungsseminar nach Berlin alles klappt (:
Hoffe, euch geht es gut und wir sehen uns ganz (waaah, ohjee) BALD…!





















































































