Ruhe kennt das Seezeitresort am Werbellinsee nahe Berlin eh nur selten, aber als rund 300 junge, engagierte Freiwillige das Gelände betraten, sollte sie für die nächsten zehn Tage wirklich aus bleiben: jetzt hieß es diskutieren, reflektieren und vernetzen, was das Zeug hält.
Erst einmal ein riesiges Dank an das Orga-Team, kulturweit und die Angestellten des Resorts für ein reibungsloses und super organisiertes Gelingen des Seminars. Bravissimo!
Die zehn Tage dienten nicht dazu, uns auf das spezifische Ausreiseland vorzubereiten, sondern uns bewusst drauf einzustellen, was in den folgenden Monaten auf einen zukommen kann in Hinsicht auf: die Schere zwischen Arm und Reich, Diskriminierung in jeglicher Hinsicht, die emotionale Belastung fern der Heimat zu sein, politischer Einstellungen und sooo vieles mehr. Folglich versuchte ich alle Bereiche möglichst abzudecken, um eben gut vorbereitet zu starten. Ich besuchte bei Anne Scholmeyer den Reflexionsraum „Weiß sein – was nun. Was mache ich mit meinem weißen Privileg“. Aus diesem Kurs habe ich viel mitgenommen. Er war nicht nur aufschlussreich, sondern auch fantastisch aufgebaut. Gemeinsam erörterten wir, ja, was wir nun mit diesem „weißem Privileg“ anstellen sollen; griffen unterbewusst stets präsente, aber mit der Zeit vergessene – aus dem Privileg resultierende – Vorteile auf und teilten einfach unsere Gedanken in einer Gruppe. Weiterhin erhielt ich von Marián einen wunderbaren therapeutischen Workshop zum Thema Heimweh und Selbsterkenntnis. Da alle Teilnehmenden damit einverstanden sind diese Stunden als SafeSpace anzusehen, werde ich dazu nichts weiter veröffentlichen. Aber für meinen Teil ging ich ruhig, mit dem Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit zurück in das Wusel der Vernetzung.
Nein damit ist keine Anbetung an die Spinnen gemeint, sondern die Verbindungsmöglichkeit unter uns Freiwilligen in Kontakt zu kommen und zu halten. Zu Beginn, wollte man noch alle kennen lernen, allein schon die Frage woher man aus Deutschland komme und wohin man gehen werde, war interessant genug. Doch viele neue Leute zu treffen und sich gleichzeitig mit tiefgründigen Themen zu beschäftigen, lassen auch ein junges energiegeladenes Gehirn zum ermüden kommen. Somit bildeten sich mit der Zeit kleine Freundesgruppen, die sicher noch lange halten werden. Allenfalls war es wunderbar mit Personen Zeit zu verbringen, die die gleiche Meinung teilen, weltoffen und kommunikativ sind und den Willen haben das System Mensch irgendwie zu hinterfragen. Bleibt so wie ihr seid oder werdet halt noch besser!
Nicht zu vergessen waren auch die Workshops zum „Antifeminismus“ mit Kim und „Utopien für Hoffnungsvolle und Hoffnungslose“ mit Johanna. Bei Ersterem haben wir uns mit den Meinungen und Einstellungen der MännerRechtsBewegung, PickUp-Artists und Incels beschäftigt. Man mag es kaum glauben, aber auch hier lachten wir, nicht wegen eines Witzes, viel mehr wegen der Ungläubigkeit und Zweifel über solch existierende Ansichten. Utopien kannte ich bereits aus dem Ethikunterricht von der perfekten, leider nicht erreichbaren Welt, oder doch? Ist eine gerechte, faire, soziale und glückliche Welt so utopisch, wie wir es uns immer vorstellen? Nein, denn „man kann sich noch so viel wünschen und hoffen, aber manchmal muss man auch einfach machen“, sagte Johanna und bließ die Kerze aus, die wir zuvor versuchten mit Gedanken unserer Utopien auszublasen.
Ich hatte eine fesselnde, interaktive, reiche und bedeutsame Zeit mit unglaublich tollen Themen bei denen nie der kritsiche Ton fehlte. Vielen Dank und nun hinaus in die Welt auf den Winden, die uns tragen!