Archiv der Kategorie: Reisechronik

Zum Träumen und Schwelgen…

Banja Luka

Die halbe Serbenstadt. Und das ist natürlich politisch unkorrekt ausgedrückt. Wir kommen nachts an. Per Bus. Sinn des Besuchs: 4. Deutschlehrertagung des Staates Bosnien und Herzegovina.

Des Bus hält, schmeißt uns raus, fährt wieder los. Wir biegen erstmal unsere Beine, nach hinten, nach vorne. Mit viel Schwung den Rucksack auf den Rücken… Wir wollen zu Leonie, ihre Straße ist wie alles hier (noch) recht unaussprechbar. Taxi. Oder Taksi wie man hier sagt. Fahrer eins weiß wo die Straße ist. Fahrer eins ruft die Zentrale an, weil er nicht weiß, wo die Straße ist. Fahrer zwei kommt und weiß nicht wo die Straße ist. Fahrer drei kommt und weiß nicht wo die Straße ist. Fahrer vier schläft, hinten in der Ecke vom Parkplatz. Vielleicht hätte der es ja gewusst…

Als wir dann bei Leonie waren die Erklärung: In der Republika Srpska, wovon Banja Luka die Hauptstadt ist, wurden seit dem Krieg viele Straßennamen geändert. Selbst ganze Dörfer heißen mal eben anders. Was früher Tito-Straße hieß wird nun nach serbischen Helden benannt, ohne dass die Taksifahrer den genauen überblick hätten.

Republika Srpska? Bosnien und die Herzegowina sind seit dem Krieg in zwei (eigentlich drei) Teile geteilt, demnach, wo die Fronten des Krieges verliefen. Die Republika Srpska war der serbisch besetzte Teil, die bosnisch-kroatische Föderation der Rest, also die kroatischen und bosniakischen Gebiete. Ein kleiner Teil, Brčko, wird von allen drei Volksgruppen verwaltet.

Man merkt schon recht deutlich den serbischen Einfluss in der Stadt. „Ich kann nicht so gut serbisch“, sagt uns Leonie. Bei uns in Sarajevo spricht man bosnisch, bei Tereza in Mostar kroatisch. Alles im geografischen Bosnien-Herzegovina.

Im Zentrum strahlt uns die neue orthodoxe Kirche an, verschwindend klein wirkt die Moschee, ein paar Straßen weiter, die im Krieg komplett zerstört wurde. Nun klettern Arbeiter auf Holzbalkengerüsten. Der Wiederaufbau. Wer hier irgendwann mal hineingeht, frage ich mich.Denn so wie Sarajevo muslimisch und die Herzegovina katholisch ist, ist die Republika und mit ihr Banja Luka durchweg serbisch orthodox. Hier wurde kaum der WM-Einzug des Staates BOSNIEN-Herzegovina gefeiert. Ich habe sogar Munkeleien gehört, dass die Republika ihr eigenes Team aufstellen will…

Das geht? Das geht. So halb. Da hat jemand im Friedensabkommen nämlich nicht gut aufgepasst. Schon allein begrifflich ist eine Republik autonomer als beispielsweise die Föderation. Die Republika stellt einen Präsidenten, die Föderation zwei. Gemeinsam wird wohl irgendwo Politik gemacht.

Dieses Land ist geteilt. Durch den Krieg. Die Linien wurden entland der Frontlinien gezogen, egal wer wo wie mit wem war und ist. Im Krieg ging es laut Buch und Meinung wohl nicht um Religion in erster Linie. Es ging um Gebiete. Serbien wollte ein Großserbien, und Kroatien sagt zur Herzegowina schließlich nicht nein. Die unterschiedlichen Religionen waren Teil des Konflikts, aber nicht der Auslöser.

Wir laufen in der Sonne am Vrbas entlang, lassen die Füße ins Wasser baumeln. Die Kriegspassage hatte ich gerade in meinem klugen Buch gelesen. Wir essen getrocknete Feigen, Granatapfel und Brot mit Käse. Der Himmel ist blau, die Blätter gelb, das Wasser klar, die Luft kalt. Die gleiche Luft wie in Sarajevo.

Fotos zu Banja Luka gibt es hier.

Mostar

Drtittgrößte Stadt. Herzegovina. DIE Touristenstadt BiHs, aufgrund der Nähe zur Kroatischen Küste. Und hat man schonmal wegen Bajram frei, verschlägt es einen auch mal hierhin.

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Ankunft am Bahnhof. Bekannt als die schönste Zugstrecke überhaupt, entlang des Flusses Neretva.  9:30 h, nach knappen drei Stunden Fahrt. Die Luft ist feuchtwarm. Palmen am Straßenrand. Die Berger ringsherum kahl. Karst. Keine Bewaldung wie rundum Sarajevo.

Wir treffen Tereza, die hiesige Freiwillige, wo wir (geplant) drei Nächte bleiben. Stadtrundlauf. Es regnet viel und unberechenbar um diese Jahreszeit. Die Stadt ist erstaunlich sauber, wir laufen von Tereza Richtung Innenstadt. Hier in der Herzegovina wird wohl das Geldgefälle zwischen dem nahe gelegenen Kroatien und dem Rest von Bosnien und Herzegowina genutzt, um an Geld zu kommen. Das macht sich bemerkbar. Alles ist etwas teurer, für die Kroaten aber immernoch günstig genug. Baum an Baum, Allee hinter Allee bis hinunter zum Fluss. Tereza lacht, als wir von der Grüne des Städchens sprechen.

Baustelle Richtung alte Brücke, die auf jedem Reiseführer klebt. Der Bürgersteig wird mit hochglanzweißem Stein neu bezogen. Auf einmal wechselt die Atmosphäre. Es riecht nach Orient. Die Architektur ist anders. Während des Krieges war die Stadt in zwei Teile geteilt, die kroatische und die bosniakische Seite. Wir kommen von der kroatischen. Man merkt das. Laut meinem klugen Buch und Tereza waren 60 Prozent der mostarischen Jugendlichen noch nicht auf der jeweils anderen Seite. Es gibt zwei Universitäten, genug Schulen für jede Seite, eben alles zwei mal. Logisch, warum man die alte Brücke von der einen Seite zur anderen während des Krieges gesprengt hat…

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Es gibt andere Supermärkte als bei uns. Kroatische eben. Hier sagt auch jeder, er spreche kroatisch. Nicht bosnisch. Wo in Sarajevo der Islam groß ist, ist es hier der Katholizismus. Und am Samstagabend ist tote Hose…

MEDUGORJE – eine katholische Wallfahrt…

Eine halbe Stunde Busfahrt von Mostar befindet sich ein Berg, auf dem vor nicht allzulanger Zeit die Mutter Maria einigen Kindern erschienen sein soll. Wir schenken dem mal einen Glauben und pilgern per Bus dort hin. Die hier heiße Herbstsonne erleuchtet eine (eine) Straße, mit neu errichteter Kirche am Ende. Geleitet von Plastikarmbändern, Trödelkram von der Mutter Maria und Industriehonig (900 Gramm = 4 KM?!) wagen wir drei Schritte in die nicht wirklich bombastische Kirche.

Der Wallfahrtsort ist touristenankurbelnd und somit gut für die Region. Der Walfahrtsort ist aus dem Vatikan jedoch nicht anerkannt. Ob hier kirchliche Werbung gemacht wird…?

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Weitere Fotos aus Mostar, von der Buna-Quelle und den Kravice-Wasserfällen gibt es hier.