Hier hieß es Land unter die letzte Woche. Sowohl auf meinem Schreibtisch als auch im Rest des Landes: Bosnien und Umgebung erleben Erdrutsche, Überschwemmungen, Heimlosigkeit und (zumindest bis gestern) eine Woche Dauerregen. Da schätzt man es doch sehr, dass unser „BuH lacht“ Seminar alles andere als ein Bauchklatscher in braune Fluten war.
Ganz im Gegenteil: Wenn nach drei Tagen locker-intensiver Arbeitsatmosphäre eine top Aktion auf der Straße steht, die Gruppe uns selbst als Familie bezeichnet, man nur konstruktives Lob und tränenvolle Blicke zugeworfen bekommt, kann man schon von deutlichem Erfolg sprechen. Nur die Augenringe am Montagmorgen darf man sich nicht angucken, oder gerade: Ich hab mir gesagt, dass die in 20 Jahren bestimmt wie Lachfalten aussehen.
Gelacht haben wir nämlich. Täglich und ausgiebig. Und nur. Nach donnerstägigen Workshops zur allgemeinen Straßenkunstfindung (da ging es los mit der Lacherei und sollte nie wieder aufhören) und Planungen am Freitag, lagen wir Freitag mit unnormal viel Publikum schwarz angezogen und mit Farbe im Gesicht auf dem Boden der Innenstadt rum, nachdem wir uns mit bunten Luftballons blau geprügelt hatten und die Stadt mit weiterer Tanz-Rythmus-Gedicht-Freudeabreißzettel-Prank-Mopperei verzuckert haben. Das stille Abschlussspektakel wurde brav von Romakindern zu einer „Wir klauen die Luftballons“-Schau umfunktioniert: So soll es la schließlich laufen auf der Straße. Die Stadt macht aus uns, was sie will.
Spontan wurde dann noch vorbeifahrenden Autor applaudiert, die haben’s verstanden, die Kids. Freizeit gab es genug, Freiheiten auch, was die ganze Schose sehr angenehm für alle seiten gemacht hat. Soetwas wurde dann mit gemeinsamem Frühstück belohnt, mit dem kleinen Finger hat man gezuckt und schwupps war der ganze Raum wieder sauber.
Nein, alles in allem will ich uns fünf Freiwilligen und vor allem den Schülern wirklich nur selber auf die Schulter klopfen. Gegenseitige Besuche der Schüler sind schon geplant, was ja genau das Zeil war: Sarajevoer, hab Freunde in Banja Luka, mit denen du lachen und das Leben genießen kannst. Und wer weiß, wann man das nächste mal zusammen die Innenstadt rockt. Wie wir da rumgelaufen sind, sieht man hier. Einfach mal durchklicken.
Nach diesem Erfolg ging es wettertechnisch weniger erfolgreich weiter. Was einen natürlich noch glücklicher macht, was das Vorgängerwochenende angeht. Den sowieso schon hoch stehenden Flüssen durch den Aprilregen (die Una im Norden Bosnien und Herzegovinas stand am ersten Mai zwei Meter höher als normal) wurde der Rest gegeben. Wir haben es mit den schlimmsten Fluten der letzten 100 Jahre zu tun. Bosnien und Serbien rufen den Notstand aus.
Sarajevo uptown hat es noch gut. Hier liegen die Sandsäcke nur vorsichtshalber am Flussufer, Die widerlich braunen Schlamm-Erdrutschfluten sammeln sich weiter flussabwärts: In Ilidža. In diesem weitläufigen Ex-Römertal fließen gleich drei weitere Flüsse mit der Miljacka zusammen und bilden somit ein wunderbar flutfreudiges Tal. Hier steht alles unter Wasser, wie in weiteren Städten noch viel extremer, die werden von Erdrutschen geplagt. Das Eigenheim, wofür das ganze Leben geschuftet wurde, kann man sich auf einmal vom Ufer aus angucken. Menschen sind jetzt nicht nur job- sondern auch noch heimatlos.
Ein momentan noch aufkommendes Problem versteckt sich jedoch nicht in den Fluten, sondern vielmehr im Verrutschten. Landminen halten 100 Jahre. Der Krieg ist knapp 20 Jahre vorbei. Straßen wurden wegen der Fluten gesperrt und werden auch noch gesperrt bleiben müssen, bis man den Mist durchgesiebt hat.
Eine dieser Straßen ist die Verbindungsstraße Banja Luka – Sarajevo, die seit diesem Wochenende nicht befahrbar ist. Folglich ist der Referent für das für dieses Wochenende angesetzte Seminar „Grammatik und Grammatikvermittlung“ der ZfA in Banja Luka kleben geblieben, ebenso wie ungefähr 40 weitere Lehrkräfte des DSD-Programms in ihren Heimatstädten.
Das Programm (wir waren diesmal nur genervte Teilnehmer – was soll man schließlich 4 Wochen vor Schulschluss noch Grammatik vermitteln übern? Ein wenig spät für uns…) wurde also (zu unserer geteilten Freude) um circa 80 % gekürzt, womit wir heute zumindest einen Tag Wochenende haben, um das letzte Seminar nachzuarbeiten und das für nächstes Wochenende vorzubereiten:
Wie auch schon im Oktober werden die zukünftigen DSD-Schreiblinge und Schreiblinginnen mithilfe eines Vorbereitungsseminars auf den schriftlichen Aufsatzteil der Prüfung vorbereitet. Warum nicht wieder im Oktober? Weil das zu kurzfristig war. Jemand, der in der Jugonostalgie noch nie eine Diskussion geführt hat, kann dies schlecht innerhalb von zwei Monaten lernen. Man braucht dafür zwar ein ganzes Leben, jedoch bietet sich ein halbes Jahr Vorsprung doch deutlich eher an. Einfach, damit die Schüler mal ein Gefühl dafür kriegen, was auf sie zukommt. Samstag geht es an die Struktur des Aufsatzes, Sonntag wird geschrieben und besprochen. Seminiert eben.
Danach hab ich dann mal wieder freiere Wochenenden. Aber wie auch zwei Tage im Komplettstress vor Beginn des „lachenden BuHs“ sage ich mir jetzt: Genieße jede Sekunde Stress, geht sowieso alles viel zu schnell vorbei. War letztes Wochenende so und wird auch für die letzten vier Schulwochen so sein.