Der Gruß aus Deutschland…

…kommt eine Woche zu spät. Aus Zeitmangel. Eine Woche ist die Schwester zu besuch, knapp zwei Wochen begleitet man einen Austausch nach Aschaffenburg und jetzt ist schon wieder für zwei Wochen etwas Liebes aus Hamburg da, da steckt man die Tippzeit eben ein bisschen zurück.

Hier die halbe Stunde Kulturschock zusammengefasst.

 Am Flugplatz steht er. In der Sonne, in Sarajevo. Fünf Minuten vor Check-In-Schluss, ganz zeitig, ganz bosnisch. Das viel zu große Handgepäck in Form eines für zwei Wochen gepackten Wanderrucksackes hat schon die Handgepäckmarke – trotz gefühlten Übergewicht. Gut, dass der Blonde nicht aus Deutschland zurück, sondern erstmal hin will.

Nach drei Kaffees und noch ein bisschen herumstehen springt die bosnische Masse von ihren Stühlen, weg von der Check-Im-Warterei. Die Ansagen kommen vertauscht aus der Durchsage – Erst kam der letzte Aufruf für den Flug nach Köln, danach durften Frauen, Kinder und Alte auf die hinteren Plätze. Aber flott sind sie, wenn es losgeht, da steht dann doch der junge Spusi vor der Oma am Schalter. Hat wohl die Lautsprecher nicht richtig gehört.

 In Köln regnet es. Bei 12 Grad. Es ist grau und sauber. Ein Freiwilliger steigt aus dem Flugzeug, ausgehungert. Deutsche Fluggesellschaften verlangen eben sechs Euro fünfzig für ein Mini-Sandwitch. Da ist man entweder arm und halbsatt oder stolz und hungrig, wenn man wieder festen Boden unter den Füßen hat.

Es fällt der Mamorboden auf. Es fällt der Geruch auf. Es fallen die Mülleimer auf. Und die Passkontrolle, wo ein EU-Deutscher 700 mal so schnell durchkommt als ein Bosnier.

Mit der S-Bahn zum Bahnhof. Auf dem Weg dorthin…

 

…könnte doch so langsam-    Ah, da ist ein Schild.

Und wo-    Ah, hier steht es doch, die Treppe runter.

Wann fährt denn-   „Auf Gleis 2 fährt ein die S-Bahn nach Köln Hauptbahnhof.“

Danke Deutschland, danke System. Ja, System. Da kann man sich drin bewegen, sich zurechtfinden. Man kommt vom Flughafengrenzkontrollsystem in das Gepäckabholsystem (was ich erfolgreich auf der Fast-Lane um gehen konnte, dank nur Handgepäck) in das Gangleitungssystem in das Fahrkartenkaufsystem in das Zugsystem.

Die Bahn fährt an. Zumindest sieht es so aus, weil sich draußen der Bahnsteig bewegt. Man hört nämlich nichts, man fühlt nämlich nichts. Man merkt nur dieses leichte Stupsen, wenn der Magen lieber ein Stück dichter an die Wirbelsäule will. Fachgemäß und geschult wird kontrolliert, offen und ehrlich die Verspätung zugegeben, viereinhalb Minuten. Genau.

In Köln am Hauptbahnhof. Bäckergeruch vom Coffee-to-go. Oder besser noch vor dem Hauptbahnhof. Da stehen Demo-Leute mit Megaphon und keiner guckt hin. Da steht dieser dusselige Blonde mit dem Übergepäckrucksack mitten in Köln vorm Hauptbahnhof und guckt sich erstmal um. Da sind so viele Leute. So viele Leute. So viele. Die rennen hin und her, die Treppe zum Dom hoch und wieder runter, im Businesslook mit dem Telefon an der Backe, mit Studentenlook und dem Brötchen in der Hand, mit normal-bürgerlichem Arbeitslook und dem Coffee-to-go. Und alle am Sprinten. Noch schnell die Regionalbahn nach Bonn kriegen, die hat ja genau drei Minuten Verspätung, die kriegt man noch. Und wenn ich im gehen meinen Kaffee trinke kommt das Koffein bestimmt schneller ins Blut? Lauft alle, lauft!

Der Übergepäckrucksack steht in einem Café namens Antheum. Hier gibt es Antiquitäten und Kaffee. Neben dem Rucksack sitzt dieser komische Mensch, der vorhin noch den gesamten Bahnhofsplatz blockiert hat und nachher noch im Buchladen Loriot lesen und im Museumsladen Postkarten kaufen wird. Der Zug fährt nämlich erst in ein paar Stunden weiter. Den ganzen schönen deutschen Laden hat der aufgehalten, er, der Dreckfleck im Bahnhofseingangssystem. Der, der in Bosnien immer alle überholt beim sprinten, wird hier eiskalt abgehängt und liegt überrundet und stolz auf dem letzten Platz.

Meine Anschlussverbindung hat Verspätung. 21 Minuten. Eigentlich sind nur 15 Minuten Zeit zum umsteigen. Wie schön, dass der zweite Zug auch 17 Minuten Verspätung hat, da kann man dann seine Zigarette noch im gelben Quadrat rauchen, und muss sich das Nikotin nicht im Gehen zwischen Smartphone, Autoschlüssel und Rollkoffer auf hohen Schuhen durch die Zähne saugen…

Toll sind sie, die Deutschen!