Zettel austeilen kann jeder. Das kann ein Lehrer, das kann ein Schüler. Da gibt es verschiedene Systeme, wie jeden Schüler ein Zettel erreicht, die man an dieser Stelle nicht alle detaillisieren muss. Auch Tafelbilder malen kann jeder. Mancher schöner, mancher weniger schön, aber in ihrer grundlegenden Funktion büßen sie durch den unterschiedlichen Handschwung eigentlich nichts ein…
Was soll das jetzt heißen? Heißen soll das, dass ein Freiwilligendienst nicht aus Handreicherei besteht. Meiner zumindest nicht. Nicht seit Beginn des zweiten Semesters. Ich sehe keinen Sinn darin, anstatt von Lehrern den Unterricht zu gestalten. Dazu sind Lehrer viel besser Qualifiziert als ich. Helfen gerne, Strukturen einbringen gerne, Team-Teaching – mach ich alles gerne. Solange ich sehe, dass mein Dienst bei den Schülern ankommt. Und ich zufrieden bin.
Und um mir da ganz sicher zu sein, gibt es folgende Projekte, die mir und hoffentlich auch meinen Schülern das zweite Semester aber sowas von schmackhaft machen:
Der Vorlesewettbewerb (2. und 3. DSD-Klassen aller Gymnasien)
Diesen gibt es schon seit einigen Jahren in Sarajevo, war mal bosnienweit, mal nur auf Stadtebene, je nachdem wieviel der Geldgeber ZfA gerade zur Verfügung hat. Jeder DSD-Schüler kann daran teilnehmen, maximal zwei Schüler pro Schule.
Bisher wurden einfach zwei gute Schüler ausgewählt.
Dieses Jahr gibt sind an meinen zwei Schulen Klassenausscheide. Diese sind bereits gelaufen. Es wurden vorbereitend Hörproben und -bücher gehört, um Kriterien zusammeln, Fehlerleserunden abgehalten usw.
Ausgewählt wurden die besten Schüler anhand von Kurzgeschichtenlesungen, die selbstständig von einer Website ausgesucht werden sollten. Die fünf Besten einer Klasse kommen auf den Schulwettbewerb, bei welchem dann richtige Bücher gewälzt werden.
Am 14. April ist der erste dieser Kategorie, an welchem die ersten drei Plätze gekürt und zwei Schüler und Schülerinnen für den großen Wettbewerb ausgewählt werden.
Filmsynchronisation (4. DSD-Klasse, Gymnasium Obala)
Akzentfreies Deutsch, das DSD-C1-Diplom (Muttersprachlerniveau) mit fast voller Punktzahl bestanden. So sitzen fünf Schüler und mehr bei mir in den Stunden. Nach dem bestandenen Diplom in Dezember findet nun zwischen DSD und Matura (Abitur) kaum noch Unterricht statt, die Abiturprüfungen sind nach bestandenem C1 das witzigste vom Witzigen. Da dachte ich an meinen Freund Eldar mit dem Tonstudio, meine Top-Schülern mit Übersetzungs- und Sprachqualifikationen sowie die existierende Unwissenheit in Deutschand was Ost-Europa anbelangt. Kaum jemand hat eine Konkrete Ahnung von diesem Land. Oder wusste vielleicht jemand, dass es eine halbe Million Bosnier in Deutschland gibt, hier unten im Land aber auch nur 4,5 Millionen zwitschern?
Aufmerksamkeit soll das ganze Erregen. Bisher haben wir einen Kurzfilm, welcher auf dem alljährlichen Filmfestival im letzten Jahr gezeigt wurde. Es geht um die Eröffnung eines Kinos während der Kriegsjahre und deren 20-jähriges Jubiläum.
Ich plane, am Wettbewerb des PADs (Pädagogischer Austauschdienst) teilzunehmen. Sollte dabei Geld herausspringen, möchte ich dies gern nutzen, mit Schülern gemeinsam durch Deutschland zu fahren und den Film über die ein oder andere Leinwand laufen zu lassen.
Die Comicausstellung (1. DSD-Klassen aller Gymnasien)
Was tut man mit 14 oder 15-jährigen Jugendlichen, die 16 verschiedene Schulfächer und viel zu wenig Zeit haben? Wo man mit den einen Schülern politische Diskussionen führen und mit den anderen nichtmal über das Wetter reden kann?
Was kreatives, wo man alles ausleben kann. Muttersprachlerdeutsch sowie Anfängerdeutsch. Es wurden also Comics gelesen, Geschichten wiedererzählt, Pointen gefunden und Charaktere stereotypisiert.
Mit meinen Kids habe ich Charaktere entworfen, aus welchen schließlich richtige Comics gestaltet wurden. Thema: Fußballfieber. Es ist WM-Jahr und Bosnien ist historisch erstmals mit dabei. Das Goethe-Institut schreibt jedes Jahr einen Wettbewerb aus, woher das Thema kommt und wohin die besten kreativnosti auch letzten Endes geschickt werden sollen.
Ab dem 19. April soll es eine rotierende Ausstellung geben, an jeder teilnehmenden Schule werden alle Comics für jeweils eine Woche ausgestellt sein.
Die Mülltrennerei (Gimnazija Ilidža, 2. DSD-Klasse)
Was am Gimnazija Obala schon passiert, wird in Ilidža schlichtweg übernommen. Gemeinsam mit einem Deutschlehrer und einer Klasse wird hoffentlich noch dieses Schuljahr ein Mülltrennungssystem eingeführt. In Bosnien kommt generell noch alles auf die Kippe, in Dörfern wird es aufgehäuft und verbrannt, wenn man gut ist. Oder einfach in den nächsten Fluss gekippt, wenn man nicht so gut ist.
Es gibt Recyclingfirmen in Sarajevo, welche beispielsweise Plastikflaschen, Altmetall und -papier ab einer gewissen Menge abkaufen. Hier soll eine Patenschaft zwischen der Schule und dem Unternehmen entstehen, wie es bereits am Obala der Fall ist.
„BuH lacht“ (vier Schüler der 3. DSD-Klassen, gemeinsam mit den anderen Freiwilligen)
Gewollte ethnische Separation findet statt in diesem Land. Stereotypische Ansichten aus dem Elternhaus werden übernommen und ohne Gesichtsverzug ausgesprochen. Serben, Kroaten, Bosniaken, alles Bosnier, alle nett, alle toll. Alle mit dem gleichen Schicksal: Nachkriegsgeneration.
Unser Freiwilligenprojekt soll Schüler aus dem ganzen Land zusammenbringen und verknüpfen. Wie macht man das? Mit Spaß.
Wie schafft man es, dass viele Leute eine solche Einheit mitbekommen? Mit Straßenkunst.
Vom 7. bis 11. Mai kommen wir fünf Freiwillige mit jeweils vier Schülern zusammen. Es wird gemeinsam genächtigt, gemeinsam gegessen und gemeinsam geplant:
Eine mobile Aktion in der Innenstadt, die allen Beteiligten Spaß machen soll. Diese wird zuerst in Workshops und dann im Großplan von den Schülern so gut es geht eigenständig geplant und durchgezogen.
Der Gemeinschafts- und Generaleffekt, Brücken zwischen den bosnischen Kulturen zu bauen, ist somit nur unterschwellig vorhanden, aber (hoffentlich) genau im richtigen Maße.
Für im Mai müssen noch DSD-Vorbereitungsseminare für die zu schreibenden Diploma organisiert werden.
Im Juni kommen Gäste aus Hamburg, ein Austausch nach Ilidža. Die meinigen fahren im September gen Norden. Vorher sollen die Nordlichter aber noch ordentliches Sommerprogramm um die Ohren bekommen.
Ja, so sieht es aus, das Beschäft. Und es macht dicken, dicken Spaß!