Geteilte Stadt im bosnischen Frühling?

Es ebbt alles langsam ab. Es schwindet. Aus den Medien, aus den Gesprächen, aus dem Straßenbild. Nurnoch vereinzelt kommen Proteste vor, nurnoch vereinzelt fährt die Tram mich nicht zur Arbeit. Was war da los? Was ist da passiert?

Steine folgen, Krankenhäuser haben sich gefüllt. Minister flüchten nach Kroatien und steigen ab. Der Plakatwunsch nach einer neuen Regierung scheint zu kommen.

Initiiert sei das ganze von den 200 Parteien der Opposition, sagen Einige. Die Proteste seien geplant, um das Unkönnen der Regierung bloßzustellen. Andere sind einfach nur geschockt. Es sei der Anfang von allem. Nein, es koche nur einmal hoch und dann beruhigen sich alle wieder. Es werde wieder Kriege geben, ganz sicher sei das. Und weg will man, das ist die Lösung.

Fakt ist, dass dies die größten bosnischen Ausschreitungen seit dem Krieg waren. Und noch sind. Nur weil man nichts mehr hört, heißt das nicht, dass sich irgendetwas geändert hätte, das sich irgendetwas verbessert hätte. Dass irgendjemand jetzt beruhigt wäre. So gut wie jeder hier unterstützt die Proteste. Nur nicht die Gewalt. Gewalt schockt die Menschen hier. Gewalt gehört nicht in den Alltag, Gewalt tut man nicht.

Stille Proteste wirken jedoch nicht, man bedenke die Blokaden an der Miljacka (hier ein Artikel dazu). Die Situation hier schreit nach Eskalation. Und wenn man sich die Bilder aus der Ukraine anguckt, erscheint einem das alles garnichtmal so fern.

In der Schule behandele ich Stellungnahmen zu aktuellen Themen im Unterricht. Die bringen Nachrichten mit, die sie selbst interessieren, die aktuell sind. Die letzte Doppelstunde ging es um die Proteste. Ich habe einen Haufen gelernt, einen Haufen Neues gehört.

So zum Beispiel, dass Sarajevo eine geteilte Stadt ist. Wir haben hier die Republika Srpska und die bosnisch-kroatische Föderation. 90 % der Stadt gehören zum Kanton Sarajevo, einer der zehn Kantone der Föderation. Ostsatajevo hingegen wird von der Republika regiert. Eine Stadtregierung gibt es irgendwo, der Bürgermeister sei aber nur Sprechrohr bei offiziellen Anlassereien. Und da wundert man sich noch, warum nichts funktioniert? Der kroatische Minister wurde während der Proteste in Mostar, in der katholisch dominierten Herzegovina empfangen; der serbische in Banja Luka, der Hauptstadt der Föderation. Was war gleich nochmal die Hauptstadt? Man mag diese Situation mit DDR und BRD vergleichen. Nur, dass die Teilung hier quasi in der Verfassung steht. Quasi, weil es keine Verfassung gibt. Man regiert nach dem Friedensabkommen von ’95, einem fast 20 Jahre alten Wisch, wonach Roma und Atheisten keine Präsidenten werden können. Nur bitte drei Präsidenten zur Zeit, einen serbischen, einen kroatischen und einen Bosniaken. War eben das Beste. Vor 20 Jahren.

Das wäre jetzt wohl das erste, was man angehen sollte. Ein Staat ohne Verfassung? Regierungswechel hin oder her – Geldwäsche ist laut Mund-zu-Mund der größte politische Verdienst, es läuft hinten und vorne, oben und unten schlichtweg nichts. Demokratische Strukturen waren irgendwo mal. Arbeitslosigkeit geht auf 40 % zu. Korruption ist Alltag, vom Minister hin zum Fahrkartenkontrolleur.

Was Deutschland davon erzählt? Kaum etwas, passt nichtmehr in die Tagesthemen. Will keiner sehen. Kiew sieht doch momentan viel interessanter aus.