Abends so sei die Ankunftzeit. Gewesen. Und Morgens die Weiterfahrt ins unglaubliche Plovdiv. Dazwischen lagen ganze zwei Tage in der bulgarischen Hauptstadt mit einem Wetter, welches man keinem Januar in keiner Religion und keinem Leben jemals auch nur im wurzeligsten Ansatz zugetraut hätte.
Sofia hat Washingtoner Parks, Obeliske(n?) und Gebäude, Innsbrucker Bergpanorama, eine stolze orthodoxe Kirche (noch die größte der Balkans in Funktion) wie Belgrad (bald die größte des Balkans in Funktion)und leider kein Wasser wie Hamburg. Mit Sarajevo und Belgrad als einzigen balkanischen Hauptstadtvergleich ist Sofia flächenmäßig riesig. Und deshalb sehr angenehm zu ergehen.
Was wohl das spannenste an dieser Stadt ist: Die Wachstumsrichtung. In normaler Urbanistik ja wohl horizontal. Versuchen wir es mit einem Beispiel:
Will man eine U-Bahn bauen, fängt man normalerweise an zu graben. Soweit sind die Bulgaren schon seit langem. Was man beim Graben aber potentiell findet, weiß man noch nicht so lange. Und der sagenhafte Fund stellt sich einfach mal als riesige urältische Stadtanlage heraus, die man einfach mal nicht kannte, weil man nach den Römern und Historikern einfach mal beschloss auf historische Grundmauern einfach mal obendraufzubauen. Die findet man jetzt seit neuester U-Bahn-Technik wieder. Die Mauern. Und ganze Kirchen im Innenhof vom Präsidentenpalast. Das archäologische Museum war früher die größte Moschee der Stadt. Mit zwei Stockwerken. Jetzt sieht man noch genau eins. Das obere. Wirkt nicht mehr so. Sofia wächst nach oben. Oder wie der walkind-tour-Mensch sagt: „In layers.“
Was es noch gibt in Sofia: Plätze. Aber nicht irgendwelche Plätze, sondern solche, wo wie vor X Jahren noch Autos neben Fußgängern ohne fette weiße Linien, grün-rot leuchtende Blinkkästen oder klarer Trennung existieren und mobil sein können. Klappt erstaunlich gut.
Und noch was: Vitosha. Der Berg hinterm Haus. Den nimmt man natürlich auch mit!
Plovdiv. Mag wahrscheinlich kein Mensch noch niemals von irgendwoher etwas von gehört haben, stellt sich aber als Bulgariens zweitgrößte Stadt heraus. Keiner kennt sie, und sie ist dennoch so wichtig:
Plovdiv beherrbergt das größte monumentale Erbe der antiken Zeitalter nach Rom und Athen. WUMMS! Und das sieht man auch an jeder Ecke und Kante. Die Via Diagonalis, wo die Römer von Rom nach Istanbul ihre Karren drauf herumgeschoben haben, hat man wie auch in Sofia mit sehr viel Liebe ausgebuddelt und als eben diese identifiziert. Ein noch intaktes und noch benutztes Amphitheater steht einfach mal am Rande der Altstadt, in welcher jedes zweite Haus von ganz besonderer Bedeutung ist (…). Und der Park mit drei wohl sehr wichtigen Steinen wäre wohl ohne Nebel auch sehr sehenswert gewesen.
Sehenswert. Und alles so leicht zugänglich – mit netten Schildern, Bussen, die sich an einen Zeitplan halten und einer unglaublichen (wirklich unglaublichen) Touristeninformation. Die nette Dame dort spricht gefühlte 17 Sprachen, sodass man selber garnichtmehr weiß, wie man eigentlich antworten soll. Auf dem Tresen liegen feinsäuberlich sortiert und mit Büroklammern versehen Zettelchen in Portemonnaiegröße. Darauf stehen fett gedruckt Busabfahrzeiten zu Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadt; die sich geändert habenden sind klar und deutlich mit dem Lineal durchgestrichen, die neuen Zeiten stehen per Hand ergänzt darüber. Ein Schlaraffenland. Nicht umsonst bewerben sich Sofia und Varna als Kulturhauptstädte Europas.
Wenn man sich durch Bulgarien so (mit)fahren lässt, wird einem von Mama Soleil die Bergkulisse quasi in die Netzhaut gebrannt. Ein unglaubliches Land nicht nur kulturell. Man merkt, dass sich hier etwas tut, was in Ex-Jugoslavien noch am schlummern ist. Es gibt ein System. Ob es einem nun ge- oder missfällt. Es gibt eins. In Sarajevo suche ich noch…