Archiv für den Monat: Januar 2014

Bulgaristan 1

Abends so sei die Ankunftzeit. Gewesen. Und Morgens die Weiterfahrt ins unglaubliche Plovdiv. Dazwischen lagen ganze zwei Tage in der bulgarischen Hauptstadt mit einem Wetter, welches man keinem Januar in keiner Religion und keinem Leben jemals auch nur im wurzeligsten Ansatz zugetraut hätte.

Sofia hat Washingtoner Parks, Obeliske(n?) und Gebäude, Innsbrucker Bergpanorama, eine stolze orthodoxe Kirche (noch die größte der Balkans in Funktion) wie Belgrad (bald die größte des Balkans in Funktion)und leider kein Wasser wie Hamburg. Mit Sarajevo und Belgrad als einzigen balkanischen Hauptstadtvergleich ist Sofia flächenmäßig riesig. Und deshalb sehr angenehm zu ergehen.

Was wohl das spannenste an dieser Stadt ist: Die Wachstumsrichtung. In normaler Urbanistik ja wohl horizontal. Versuchen wir es mit einem Beispiel:

Will man eine U-Bahn bauen, fängt man normalerweise an zu graben. Soweit sind die Bulgaren schon seit langem. Was man beim Graben aber potentiell findet, weiß man noch nicht so lange. Und der sagenhafte Fund stellt sich einfach mal als riesige urältische Stadtanlage heraus, die man einfach mal nicht kannte, weil man nach den Römern und Historikern einfach mal beschloss auf historische Grundmauern einfach mal obendraufzubauen. Die findet man jetzt seit neuester U-Bahn-Technik wieder. Die Mauern. Und ganze Kirchen im Innenhof vom Präsidentenpalast. Das archäologische Museum war früher die größte Moschee der Stadt. Mit zwei Stockwerken. Jetzt sieht man noch genau eins. Das obere. Wirkt nicht mehr so. Sofia wächst nach oben. Oder wie der walkind-tour-Mensch sagt: „In layers.“

Was es noch gibt in Sofia: Plätze. Aber nicht irgendwelche Plätze, sondern solche, wo wie vor X Jahren noch Autos neben Fußgängern ohne fette weiße Linien, grün-rot leuchtende Blinkkästen oder klarer Trennung existieren und mobil sein können. Klappt erstaunlich gut.

Und noch was: Vitosha. Der Berg hinterm Haus. Den nimmt man natürlich auch mit!

Plovdiv. Mag wahrscheinlich kein Mensch noch niemals von irgendwoher etwas von gehört haben, stellt sich aber als Bulgariens zweitgrößte Stadt heraus. Keiner kennt sie, und sie ist dennoch so wichtig:

Plovdiv beherrbergt das größte monumentale Erbe der antiken Zeitalter nach Rom und Athen. WUMMS! Und das sieht man auch an jeder Ecke und Kante. Die Via Diagonalis, wo die Römer von Rom nach Istanbul ihre Karren drauf herumgeschoben haben, hat man wie auch in Sofia mit sehr viel Liebe ausgebuddelt und als eben diese identifiziert. Ein noch intaktes und noch benutztes Amphitheater steht einfach mal am Rande der Altstadt, in welcher jedes zweite Haus von ganz besonderer Bedeutung ist (…). Und der Park mit drei wohl sehr wichtigen Steinen wäre wohl ohne Nebel auch sehr sehenswert gewesen.

Sehenswert. Und alles so leicht zugänglich – mit netten Schildern, Bussen, die sich an einen Zeitplan halten und einer unglaublichen (wirklich unglaublichen) Touristeninformation. Die nette Dame dort spricht gefühlte 17 Sprachen, sodass man selber garnichtmehr weiß, wie man eigentlich antworten soll. Auf dem Tresen liegen feinsäuberlich sortiert und mit Büroklammern versehen  Zettelchen in Portemonnaiegröße. Darauf stehen fett gedruckt Busabfahrzeiten zu Sehenswürdigkeiten außerhalb der Stadt; die sich geändert habenden sind klar und deutlich mit dem Lineal durchgestrichen, die neuen Zeiten stehen per Hand ergänzt darüber. Ein Schlaraffenland. Nicht umsonst bewerben sich Sofia und Varna als Kulturhauptstädte Europas.

Wenn man sich durch Bulgarien so (mit)fahren lässt, wird einem von Mama Soleil die Bergkulisse quasi in die Netzhaut gebrannt. Ein unglaubliches Land nicht nur kulturell. Man merkt, dass sich hier etwas tut, was in Ex-Jugoslavien noch am schlummern ist. Es gibt ein System. Ob es einem nun ge- oder missfällt. Es gibt eins. In Sarajevo suche ich noch…

 

 

Suboticanische Weihnachten

Nordserbien, Nordvojvodina – so weit obenim Norden, dass es schon fast Ungarn ist. Falls man meinem Gedächnis trauen kann sind hier schon 30 Prozent der Serben eigentlich Ungaren.

Subotica selbst: Kleine Stadt großflächig angelegt. Kleine Stadt mit viel zu großem Rathaus, ein großer Markt mit großen Vojvodina-Birnen und ein großer Weihnachtsmarkt mit großem Weihnachtsbaumverkauf für die kleine Gemeinde.

Unsere Weihnachtsplanerei (und hier haben wir ihn wieder, den Plan) war mit der beste Deal. Gemütlich stressfreie Tage in einer gemütlich stressfreien Stadt mit den gemütlichsten und stressfreisten Leuten. Somit ein Rundown auf Puls 30 – wie man es sich für Weihnachten und vor einer Riesenreise wünscht.

Eines noch: Die Synagoge. Die (falls richtig behalten) drittgrößte der Welt, nach New York und Budapest. Und sie sieht folgendermaßen aus:

Rirareisereflektionen

Und da sitzt man wieder am Schreibtisch, wo man vor fünf Wochen schon saß. Diesmal entspannt, vorher im Packstress. Wie das doch so oft ist. Was einem gestern im Zug noch wie eine Ewigkeit entfernt vorkommt, ist nun wieder Alltagsrealität. Aus dem Reisenden wird wieder Sesshafter, aus der Reiserealität wird Erinnerung und irgendwann wahrscheinlich wieder Fernweh.

Fünf Wochen sind eine lange Zeit. Eine tolle Zeit. Fünf Wochen waren möglich, weil vier davon Schulfrei waren. Fünf Wochen waren möglich, weil der Schnee bis genau gestern auf sich hat warten lassen und einen somit unbeschwert entlang der Breitengrade schländern, laufen oder fahren ließ.

Was man generell in diesen fünf Wochen gemerkt hat ist ersteinmal, dass kein Plan oft der bessere Plan ist. Pläne gehen schief, Enttäuschungspotential ist somit vorhanden. Ohne Plan kann auch kein Plan misslingen, das gerade genannte Potential sinkt somit auf eine unglaubliche Null.

Was noch deutlich geworden ist: Es geht uns verdammt gut. So gut, dass man Dinge tut, die das menschliche Umfeld schon garnichtmehr versteht. Warum hält ein Deutscher den Daumen raus? Warum nimmt man nicht den Bus? Warum wollen die an der nächsten Straßenecke rausgelassen werden und nicht am Busbahnhof?

Ja warum tun wir das eigentlich? Warum nimmt man nicht den Bus?

Das gleiche Beispiel kann man wunderbar an Budapest und Sarajevo feststellen: Ungarnhauptstadt mit Pariser Struktur und Flair, brummende Metropole und Zentrum für alles. Neben den schicksten, schnöseligsten Läden und neuesten Cafés findet man neu-alte Cafés. Alter Charme neu kreiert, gewolltes Retrotum in neu gestrichenen Gebäuden. Sesseldesign von vor 40 Jahren, Produkt von Gestern in neu. Ungarn, in der seit 2004. Sarajevo, Hauptstadt eines vergleichsweise winzigen Staats, möglicher Anwärter auf die EU. 19 Jahre über den Krieg hinweg. Hier findet man das ähnliche Café jedoch noch im alten, ranzigen (ein Deutscher würde sagen: renovierungsbedürftigen) Gebäude. Vom Staatsgeld wird der neue Glasturm nebenan finanziert, mit neuen Shoppingcentern für aktuellstes Konsumgut. In Budapest steht ein Veganerrestaurant neben dem anderen.

Interpretation: Alles was man in Deutschland und anderswo gewollt wiederherstellt, weg von der H&M-Hose hin zum Flohmarkt, gab es schonmal. Damals. Irgendwann. Weit vor meiner Zeit, weshalb ich eigentlich solcher Thesenaufstellung garnicht befugt bin. Alte Sofas, Urlaub mit dem Daumen raus – der Trend, es sich schlechter gehen zu lassen als man eigentlich müsste, um es sich besser gehen zu lassen.

Das mal so als kleine Urlaubsphilosophie vom Samstagabend. Nun zum Detail:

 

Suboticanische Weihnachten

Bulgaristan 1

Von der Istanbuler Unbeschreiblichkeit

Bulgaristan 2

Was alles nicht Rumänien ist

Buda mit Pest und Zagreb