Ich befinde mich in einem blau-weiß bemalten Nachtzug, hinter mir klappt München schon die Bürgersteige hoch. Nach drei Anläufen passt mein Rucksack ins Abteil, nach 4 dann auch der Koffer. Der vordere Teil des Zuges fährt nach Budapest, der hintere (hoffentlich) nach Zagreb.Im Abteil befinden sich abgesehen von meinen Schleppankern zwei Amerikanerinnen, Mutter und Tochter auf dem Weg nach Slowenien, sowie Ivan, ein Kroate aus Split mit Arbeit in Freiburg. Die zwei restlichen, unbesetzten Betten gehen für mein Gepäck drauf.
Kurz bevor meine Augen zufallen kommt der Schaffner und sammelt die Tickets ein. Ob ich das Meine denn wiederbekomme, frage ich auf Englisch. Schließlich brauche ich das als brav-strukturierter „kulturweit“-Freiwilliger für die spätere Abrechnung. Ivan übersetzt. Der gute Schaffner guckt mich großväterlich an, klopft mir auf die Schulter und gibt mir über Ivan zu verstehen, dass die Fahrt ja noch nicht vorbei sei… Auf deutsch: Das Ticket wird es wohl beim Ausstieg zurückgeben.
Die Passkontrolle am folgenden Morgen. Der Schaffner verteilt Wasserflaschen, an Ivan und mich (die Amerikanerinnen sind bereits ausgestiegen) während der Zug durch die im Morgennebel versteckten Berge bummelt. An der „Grenzka“. Grenzbeamtin eins dreht meinen Pass einmal um die eigenen Achse, schielt auf das EU-Siegel und gibt ihn mir wortlos zurück. Ivan darf seinen kleinen Rucksack komplett ausleeren. Als er seine Unterwäsche wieder zusammenfaltet sagt er, dies würde ihm jedes Mal passieren. Eine zweite Kontrolle kommt und diesmal mit Verstärkung. Ivan scheint klarzustellen, dass der folgende Akt eher überflüssig sei. Beamtin eins kommt und nach fünf Minuten Konversation scheint sie seine These zu bestätigen. Ich gebe der zweiten Beamtin meinen Pass. Sie spielt ein wenig mit den Seiten, schielt mir kurz in die Augen und geht daraufhin mit einem Grußwort. Ich betrachte meinen Gepäckhaufen und überlege, wieviel Illegales ich drain jetzt hätte verstecken können, und das anscheinend nur, weil mein Pass rot ist. Ich gucke beschämt in die Ecke, weiß nicht, wie ich mich dem guten Ivan gegenüber verhalten soll. Es sei seit dem EU-Beitritt wohl nicht anders als vorher, meint dieser.
Ich frage den Schaffner, ob er mir sagen kann wo und wann mein Zug nach Sarajevo fährt. Er grinst mich breit an und bestätigt. Kurz darauf kommt er mit einer weiteren Wasserflasche an, und gibt sie mir. Drei andere Mitfahrer stehen um mich herum. Wieder der Eurojoker oder weil sich meine Erkältungsnase echt beschissen anhört? Oder weil ich ja noch weiter nach Sarajevo muss und die anderen nicht?
Angekommen in Zagreb verabschiede ich mich von Ivan, der steigt jetzt in den Bus um seine Familie im Süden zu besuchen. Der Schaffner nimmt mich quasi an die Hand, und bringt mich einmal über den Bahnsteig auf die andere Seite, von wo aus mein Zug nach Sarajevo fährt…