Gestrichene Flüge und ganz andere Lappalien

Wenn in einigen Haushalten zum Staubsauger gegriffen wird, um die überschüssigen Nadeln, die man immer so schlecht aus dem Teppich herausbekommt, aufzusagen und die Shoppingcenter ihre verkaufsoffenen Sonntage von drei auf einmal im Monat reduzieren, dann müssen wir uns wohl im neuen Jahr befinden. Was bei den Einen in riesigen Umtauschaktionen mündet, endet bei den Anderen im Anmeldeformular für einen Weight-Watchers-Kurs, um einerseits die Vorsätze für das neue Jahr geltend zu machen und andererseits die überschüssigen Kilos der Festtagsente zu verbrennen.

„Buchungsfehler und ganz andere Lappalien“

Als ich pünktlich um 0:00 Uhr chinesischer Zeit mein Glas auf das neue Jahr erhob rechnete ich nicht damit, dass mein Pekingaufenthalt auf eine unbestimmte Zeit verlängert werden würde. Mein Flug, der mich eigentlich pünktlich um 20:00 Uhr in meine Heimatstadt Wuhan zurückbringen sollte, meinte es an diesem Tag nicht so gut mit mir. Hatte ich doch extra einen späten Checkout aus dem Hotel reserviert, um direkt mit dem Taxi zum Flughafen zu gelangen, wartete dort schon das helle Erwachen auf mich. Wie immer gab ich zuerst meinen Reisepass und erst dann meine Flugbuchung zu dem fachkundigen Personal am Schalter der China Southern Airlines. Für die Zukunft habe ich mir folgendes gemerkt: Sollte das Fachpersonal, mit den rot geschminkten Lippen, adretten Hüten und linksgelegten Zöpfen länger als zwei Minuten für die Bearbeitung meiner Buchung brauchen, dann ist dort entweder ein Buchungsfehler aufgetreten oder der Flug gestrichen worden. Mit schrillen Handzeichen versuchte die Dame vom Schalter mir klar zu machen, dass für mich hier heute nichts mehr eingescannt, überprüft oder auf die Startbahn gerollt wird.

„Flugzeuge verschwinden unter kuriosen Umständen“

Da stand ich dann nun – mit meinem roten Pulli, den wertlosen Papieren und meinem kaputten Hartschalenkoffer, der die letzte Landung hier in Peking nicht so ganz überstanden hatte. Schließlich war diese auch gar nicht so einfach. Nein ehrlich, sie erforderte höchste Balance, Konzentration und Flugvermögen des Piloten, oder wer auch immer in diesem Moment den Airbus A320 auf die 3200 x 50 m lange und breite Landebahn klatschte. Mit der Landung ist diese Geschichte aber auch schon zu Ende, so lasst sie mich vom Beginn erzählen.

Die ganze Welt war in Aufruhe – wieder war eine Maschine unter kuriosen Umständen zuerst vom Radar verschwunden und dann, so schien es zumindest am Anfang, unauffindbar gewesen. Ich fliege gerne und viel, doch in diesen Tagen hatte ich ein anderes Gefühl, als ich die lange Gangway ins Flugzeug hinunterlief.

„Turbulenzen und panische Sitznachbarn“

Da rollte doch tatsächlich in diesem Moment eine AirAsia Maschine an den Augen eines beunruhigten Passagiers vorbei. Meine Augen – die sofort meine Synapsen auf Hochtouren laufen ließen und mir ständig sagen wollten, dass diese Maschine doch vielleicht die Vermisste sei und zufällig von ihrer geplanten Reiseroute abgewichen ist, um noch zufälliger hier auf dem beschaulichen Flughafen Wuhan zu landen. Ihr wisst doch wie das ist. In diesen Momenten und unter diesen Umständen projizieren wir gleich das Schlimmste auch auf uns selber. So nahm ich schnell Abstand von diesen Horrorszenarien und stieg entspannt in den Flieger. Knapp 60 Minuten später holten mich diese Gedanken wieder ein, als wir völlig unerwartet in heftige Turbulenzen gekommen waren. Diese waren so derart stark, dass meine Nachbarin, die eigentlich aus Pakistan kommt und zurück zu ihrer Familie fliegen wollte, anfing zu beten. Zuvor hatten wir uns nett über alles mögliche unterhalten, auch darüber, dass ich in Deutschland selber ab und zu fliege.

 

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Das war vielleicht der Fehler. Denn mit steigenden Turbulenzen und abnehmender Höhe, weil wir kurioser Weise eine halbe Stunde früher in den geplanten Landeanflug auf Peking gingen, fragte sie mich nun alle paar Minuten, ob diese Geräusche, Bewegungen und Auf und Ab´s normal wären.

 

„Unwissenheit ist dann vielleicht doch manchmal ein Segen“

Das Fahrwerk wurde ausgefahren und die Landeklappen in die richtige Position gebracht – alles war nun für die Landung vorbereitet. Da gab es nur ein kleines Problem, das eigentlich gar kein Problem sein sollte. Wir schwankten unheimlich stark, weil draußen anscheinend ein kräftiger Wind toben musste. Etwa auf der Mitte der Landebahn schaute ich aus dem Fenster und konnte klar und deutlich die Beschriftung des Pekinger Flughafens erkennen. Das Problem war nur, dass wir immer noch in der Luft schwebten und selbst nach der Hälfte der Landebahn noch nicht aufgesetzt hatten.

Manchmal ist Unwissenheit dann vielleicht doch ein Segen, denn jetzt war mir klar – in diesem ersten Anlauf schaffen wir es auf jeden Fall nicht mehr runter zukommen! Ich sollte recht behalten und binnen von Sekunden mein erstes Durchstartemanöver mit einem Airbus A320 erleben.

Während meiner Flugausbildung hat man mir immer gesagt, dass man lieber Durchstarten solle, bevor die Landung zu knapp und der Bremsweg zu kurz werden würde. So zumindest für ein Ultraleichtflugzeug, aber wie das für einen Airbus aussieht, dass hat mir nie jemand gesagt.

„Tropfende Stauräume und Flugübungen“

So starteten wir das erste Mal durch und auch das zweite Mal. So langsam holten mich meine Erinnerungen über Flugzeugunglücke und misslungene Landungen wieder ein. Meine Nachbarin verabschiedete sich inzwischen gedanklich von ihren Kindern und ich musste eigentlich dringend auf die Toilette. So hatte ich eigentlich gar kein Problem damit, dass der Chef dort vorne seine Flugübungen bei starkem Wind vervollständigte, aber bei diesem Steigungswinkel wäre ich eher in der Sächsischen Schweiz einen Berg hochgeklettert, als dass ich es geschafft hätte nach vorn zu laufen und wie bei Karlsson vom Dach schräg auf der Toilette zu sitzen. Dann fing es plötzlich an aus einem der Stauräume vor mir nass auf die haarlose Kopfhaut eines in die Jahre gekommenen Chinesen zu tropfen.

Tropf – Tropf – Tropf und ich musste immer noch  auf die Toilette. Es schien, als hätte der Fluglehrer die Flugstunden für den heutigen Piloten erstmal beendet und ihm nun die Erlaubnis zur Landung erteilt.

Wie schön – dann konnte ich ja endlich auf die Toilette gehen!

Wäre das ein schönes Ende, doch leider hatte mir die gleiche Airline, drei Tage später den Flug gestrichen und weil sie so besonders zuvorkommend sind, ein Raucherzimmer in einer schlechten Kopie von einem schlechten chinesischen Hostel gegeben, welches meinen sowieso schon gereizten Mandel- und Rachenraum wieder an den Anfang stellte.

Das, so sollte man meinen, war mein Neujahr und mein vorletztes Mal Peking, denn nächste Woche ist er auch schon da – der Tag, an dem ich dahin zurückkehren werde wo alles angefangen hat.

Ihr Lieben, dass soll es für dieses Jahr noch nicht gewesen sein, denn ein Artikel kommt bestimmt noch.

Bis ganz bald und wie immer:

Beste Grüße aus China

Euer Darius

P.S. Heute mit etwas weniger Bildern, aber dafür nächstes Mal mit vielen mehr und wahrscheinlich auch mit meinem Freiwilligenprojekt.

 

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Weihnachten und kein Schwarzpulver im Geburtsland des Feuerwerks

Es riecht nach frischem Waffelduft, nach gebrannten Mandeln und Zuckerwatte. Dampfende Straßenstände entlang der Gehwege weisen den Weg zu den zahlreichen Fahrgeschäften und Spielmannshäuschen. Heißer Glühwein wird in schönen Tassen serviert, darauf eine Scheibe Zitrone. Weihnachtsmusik ertönt vereinzelt aus den Schmuckläden und hell erleuchtet dreht sich die Weihnachtspyramide immer wieder im Kreis. Es ist die Zeit des Jahres angebrochen, in der Besinnlichkeit und Nächstenliebe durch die kalten Wintermonate führen sollten: Es ist die Weihnachtszeit!

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Tatsächlich würde ich so das bunte Treiben auf dem Dresdner Strietzel- oder Nürnberger Christkindelsmarkt beschreiben. Aber vielleicht schaffe ich es auch aus China, ein wenig Weihnachtsatmosphäre zu vermitteln. Gefeiert wird Weihnachten hier eigentlich gar nicht und erst recht nicht am 24. Dezember, an dem bei uns so heiligen Abend.

„In jeder Provinz wird Weihnachten unterschiedlich zelebriert!“

Da China aber immer mehr westliche Strukturen und Gebräuche annimmt, holen die Chinesen dieses Fest während der Frühjahrsferien im Februar nach. Das ganze Land ist dann auf Reisen und auch auf dem Land kommen die Familien zusammen, um kleine Geschenke und Zärtlichkeiten im engsten Kreise auszutauschen. Dass in jeder Provinz Weihnachten unterschiedlich zelebriert und vorbereitet wird, kann ich durch meine Reisen belegen. So ist in Shanghai eine absolut ausgeglichenere Weihnachtsstimmung zu spüren, als in Wuhan.

„Gebrannte Mandeln durch Fleischspieße und Stinketofu ersetzt!“

Das mag wohl an der Internationalität dieser Stadt liegen. Denn dort gibt es sie vereinzelt wirklich, diese bunt geschmückten Weihnachtsmärkte, wie ich sie aus meiner Heimat kenne. Zwar werden dort anstatt gebrannter Mandeln gebratene Fleischspieße in die Hand gegeben oder Lebkuchenherzen durch „Stinketofu“ ersetzt, welches die hiesige Bevölkerung übrigens sehr liebt, doch wissen sie auch hier ganz genau, dass die Weihnachtszeit begonnen hat. So wollte auch ich meine Wohnung dekorieren und hatte außer einem Weihnachtsbaum alles vorrätig, um in die richtige Stimmung zu kommen. Die kleine Weihnachtstanne, die mir mein Papa aus Deutschland mitgebracht hatte ist zwar seit seinem Besuch um einiges gewachsen, doch hält sie dem Gewicht der schweren Kugeln noch nicht stand.

„IKEA-Weihnachtsbaumverkauf selbst in China!“

Ich erinnerte mich an den Knut-Weihnachtsbaumverkauf von IKEA. Passend dazu hatte erst vor einigen Wochen ein neues Warenhaus der schwedischen Möbelhauskette in Wuhan die Neueröffnung gefeiert. Hier habe ich ihn also gefunden, den Weihnachtsbaum, der meinen Freunden und mir zu Heiligabend eine vertraute Stimmung von zu Hause vermitteln soll. Gewundert hat mich nur eins, nämlich dass in dem so hell erleuchteten China, mit seinen ganzen blinkenden Fassaden, keine Lichterkette mehr für meinen Weihnachtsbaum vorhanden war.

„Deutsches Restaurant mit Schubecks Allerlei!“

So muss ich mir auch dieses Jahr keine quälenden Gedanken während des Festessen´s machen, ob ich zuerst den Kartoffelsalat, die Götterspeise, die Ente mit Rotkohl und dieser leckeren, braunen Soß über den Klößen, die Gans, den Fisch, die Bouletten, die Würstchen,  oder das Tiramisu essen sollte. Aber wie es der Zufall wollte, habe ich auch hier in meiner kleinen, beschaulichen zehn Millionen Stadt ein Restaurant gefunden, das germanischer nicht sein könnte und eben auch so klingt: „Brotzeit“.

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es mir nicht schwer fällt neue Kontakte zu erschließen. Dass hört sich zwar wie ein neues Rohstoffressource an, doch habe ich den Küchenchef kennengelernt und alle Erkundigungen über einen Festtagsbraten zu Heiligabend für meine Freunde und mich eingeholt. Nun haben wir also die Qual der Wahl uns zwischen einem typisch chinesischen oder eben deutschen Abendessen entscheiden zu müssen. Ja, so ist das eben mit der Vielfalt. Manchmal ist weniger dann doch einfach mehr und außerdem kann ich freien Herzens behaupten, dass ich dieses Weihnachten absolut keine Probleme damit hätte, einfach mal nur Kartoffelsalat zu essen, denn den gab es jetzt schon seit sechs Monaten nicht mehr.

„Wo sind die Knallkörper, Silvesterraketen und Feuerringe in China?“

China – Böller! Werden diese bei uns in Deutschland doch so oft in die kreisrunden Gullideckelöffnungen, oder Briefkästen der angrenzenden Nachbarn geschmissen, um alle Repressalien des letzten Jahres in die Luft gehen zu lassen, ist die Nachfrage für diese posttraumatischen Knallkörper im Ursprungsland eher gering. Wenn bei Lidl, Aldi, Kaufland und Co. die TNT-Äquivalentszahl auf den Ladentischen drastisch ansteigt, ist es für mich immer ein Zeichen dafür gewesen, dass der Jahreswechsel kurz bevor stehen muss. Was die Deutschen in Feuerwerkskörper jedes Jahr an Geld investieren ist immens. „Doch angefangen hat alles vor mehr als 1000 Jahren mit der Erfindung des Schwarzpulvers im alten China!“ So Google zu meinen Fragen der Böllerei.

Nun bin ich hier, am Entstehungsort und finde keine Silvesterraketen, Knallerbsen oder eben China – Böller. Da ist Deutschland dann doch einmal mehr chinesisch, als Frankreich französisch.

Ihr Lieben, ich verbringe den Jahreswechsel in Peking und bin sehr gespannt, ob sich mir dort das eine oder andere Feuerwerk bieten wird.

So wünsche ich euch allen ein frohes Fest, viele, gemeinsame Stunden im Kreis der Familie oder auf den Weihnachtsmärkten und natürlich einen beschaulichen Jahreswechsel. Vielen Dank für mehr als 5000 Aufrufe dieser Seite im November und Dezember – dass ist wohl die größte Anerkennung, die ich erhalten kann. Dass das was geschrieben auch gelesen wird, ist oft nicht selbstverständlich.

 

Euer Darius

 

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