Heute fällt es mir besonders schwer einen geeigneten Einstieg zu finden. Ich überlege so oft hin und her welcher einleitende Satz wohl der passendste sein könnte. Vielleicht muss ich erst die richtige Musik finden, um in den optimalen Schreibfluss zu kommen. Aber bleiben wir doch bei dem Stichwort Musik, welche den Höhepunkt meiner letzten Woche darstellte. Doch beginnen sollte ich am Anfang.

Wie immer liegt eine aufregende Woche hinter mir. Eine Woche voller neuer Erfahrungen. Dieses Mal nicht für mich, sondern für meine Familie, die mich hier im turbulenten China besucht hat. Neun Tage um eine neun Millionen Stadt zu erkunden. Ich glaube, dass diese drei sich jetzt wohl am Besten vorstellen können wie es sein muss, in einer vollkommen fremden Welt alleine Fuß zu fassen. Staunten sie am ersten Tag noch über die gehetzte Taxifahrt ohne den so sicheren Dreipunktgurt, so war diese für sie am Letzten so normal wie das Essen in einer der vielen Straßenrestaurants. So besuchten wir neben dem East Lake zahlreiche Stadtviertel Wuhans, die wohl bekannteste FoodStreet, die die Stadt zu bieten hat, den Yellow Crane Tower, die Yangtsee-Bridge, den Han-Fluss und als krönenden Abschluss die Wuhan Concert Hall, um an einem wunderschönen, klaren Abend dem Kölner Ensemble unser Gehör zu schenken. Schon die Taxifahrt zu diesem musikalischen Ereignis stellte ein Problem dar. Stellt euch vor, ihr habt Karten für den Friedrichstadtpalast. 20:00 Uhr Vorstellung, es ist also auf jeden Fall dunkel. Geht man in Deutschland davon aus, dass das Konzerthaus in voller Pracht beleuchtet ist, so ist dem so. Hier in Wuhan ist alles andere beleuchtet und strahlt in den schönsten Farben, aber nicht dieses Konzerthaus, das man in der Dunkelheit finden soll. So hatte also auch unser ortskundiger Taxifahrer seine Probleme die richtige Lokalität ausfindig zu machen. Tatsächlich wurde erst eine Stunde vor Beginn der Vorstellung der Hauptschalter betätigt, um den noch fehlenden Gästen den rechten Weg zu weisen. Ein absolut gigantischer Bau erstreckte sich nun auf einmal entlang des Yangtse Kiang. Und auch von innen zeigte sich das Qintai Konzerthaus von seiner schönsten Seite. Das Verwunderliche war, dass ausschließlich deutsche Künstler auf großen Plakaten in der Eingangshalle ausgestellt waren, um ihren kommenden Besuch anzukündigen. Skulpturen von Beethoven, Mozart und Bach standen entlang der großen Panoramafenster, die einen Blick auf den Fluss zuließen. Die Bühne und der Zuschauerraum selbst waren gigantisch groß. Die Semperoper erscheint dagegen als sehr klein, aber weist eine viel größere Gemütlichkeit und Historie mit ihrem Charm und den vergoldeten Rängen auf, als es dieses neue, moderne Veranstaltungshaus tun kann.

Auf den ersten Blick wirkt es wunderbar, nicht wahr? Doch fühlte man sich neben diesen gigantischen Ausmaßen irgendwie verloren. Die Eingangshalle hatte mehr etwas von einem Flughafenterminal mit einem Wartegate für gestrichene Flüge zu tun, als mit einem gemütlichen, wärmenden Eingangsbereich in einem der deutschen Opernhäuser.

Ihr kennt das doch. Schon allein wenn man vor diesen alten, traditionsreichen Gebäuden mit den roten Teppichen steht, die einen den Weg nach drinnen weisen. Die gelben, wärmenden Lichter, meist in verschnörkelten Lampen und mit Gold verzierten Formen vorzufinden, dass zieht doch jeden in diesen Bann, in dieses besondere Gefühl an dem Abend etwas tolles, außergewöhnliches zu erleben, wovon man bei der Autofahrt nach Hause noch sprechen wird. Diese netten Bediensteten, die mit Frack und Hütchen die anströmenden Gäste begrüßen und Karten abreißen. Die Geräuschkulisse von klirrenden Gläsern, Kamerageknipse und lachenden Gästen. Der Geruch von frischen Brezeln an den schön hergerichteten Bars mit den weißen Stehtischen davor, die jeden Gast zu einem kühlen Getränk mit einem kleinen Snack einladen. Das ist es doch, was Wohlbefinden, Gemütlichkeit und eine schöne Atmosphäre auslöst, oder?

Doch davon lässt sich hier nicht viel finden. Kein Garderobe, in der man seine sieben Sachen abgibt oder den wärmenden Mantel in der Winterzeit. Den muss man auch nicht abgeben, sondern sollte man lieber anbehalten. Denn zu dieser Jahreszeit ist es hier in den öffentlichen Einrichtungen oftmals genau so kalt wie draußen. Es gibt keine Heizungen, die ein schön molliges Gefühl hervorrufen. Neben den Schanieren der Türen und der stützenden Wand ist noch ein halber Centimer Platz, was bedeutet, dass es fürchterlich durch diesen Schlitz zieht und auch der am besten geheizte Raum so viel Energie nach außen verlieren würde, dass es sich vermutlich nicht lohnt, diesen warm zu halten. Das Bauwerk kann noch so edel und groß sein, ein Schloss zum abschließen wird man vergeblich suchen. Hinter den Türen befinden sich lediglich Vorhängeschlösser, wie ich sie auch an meinem Fahrrad habe.

Bevor wir nun in den Genuss gekommen sind dem Kölner Ensemble zuzuhören, hatten wir eine Einführung von Sachen, die wir während der Vorstellung nicht machen durften. Natürlich macht man keine Bilder, oder redet laut mit seinem Sitznachbar, aber ich darf tatsächlich nicht klatschen? Wie sonst soll ich dem Musiker meine Anerkennung ausdrücken? „Don´t applaud during the movement!“ Dieses Schild haben die, ich nenne sie mal vorsichtig Aufpasser, immer wieder hochgehalten, um anerkennendes Klatschen zu vermeiden. Aufpasser deshalb, weil sie während der kompletten Vorstellung in den Gängen gestanden haben, um auf das Publikum aufzupassen. Natürlich nicht, um jedes Mal nach dem Wohlbefinden zu fragen, sondern um sofort eingreifen zu können, falls jener sein Handy zückte um einen Schnappschuss zu landen. So ist es auch ganz normal, dass sowohl von unten, als auch von oben der Saal kontrolliert wird. Da kann es schon mal vorkommen, dass man plötzlich einen roten Punkt auf seinem Handy oder seiner Hand hat, der sich schnell hin und her bewegt. Dass ist dann der Laserpointer von den obrigen Aufpassern, der dich davon abhalten soll, ein Foto zu machen.

Sehen wir von diesen Rahmenbedingungen ab und konzentrieren uns auf die Musik, die ich am Anfang angesprochen habe, so war es das wunderbarste Konzert, das wir hier in China bisher erleben durften. Ein grandioses Ensemble und ein toller, deutschstammiger Übersetzer, der den Chinesen in einer sehr unterhaltsamen Art und Weise immer die nächsten Programmpunkte angekündigt hat, als wäre er der Moderator der Show. Und zu guter Letzt zufällig den Pianisten des Ensembles kennenzulernen und ein paar Worte miteinander zu tauschen, gehört eben auch zu jenen schönen Erfahrungen, die mich hier in Wuhan strahlen lassen.

In keinster Weise war dieser Abend befremdlich oder ungemütlich. Er war interessant. Interessant, weil wir wieder ein Stück Kultur von China kennengelernt haben. Die Art und Weise wie hier die Konzerte organisiert und durchgeführt werden ist erstaunlich und in jeder Hinsicht komplett anders, dass macht aber nichts.

Doch wenn ich eins sagen kann, dann dass auf jeden Fall die Chinesen ein großes Interesse an der deutschen Musik und Kultur haben, denn dass zeigt mir die Teilnahme der vielen Chinesen an diesem Konzert, aber auch der feste Platz der Skulpturen von Mozart, Bach und Beethoven in den hiesigen Konzerthäusern, oder habt ihr schon mal traditionsreiche Skulpturen von chinesischen Künstlern in unseren deutschen Konzertsälen gesehen?

Lasst mich zum Schluss noch einmal festhalten, dass China jeden Tag ein Abenteuer ist, das nun auch meine Familie kennenlernen durfte. So schwer Abschiede auch immer fallen, so mehr freut man sich auf ein Wiedersehen. Ein Wiedersehen auf das es sich lohnt zu warten.
Die Besten Grüße aus China!
Euer Darius













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