Vom Musik-Trio zu Beethoven, Bach und Mozart

Manchmal weiß man gar nicht so recht, wie man den nächsten Eintrag anfangen soll zu schreiben. Dabei erweist es sich immer als gute Alternative, die letzten Tage im Kopf durchzugehen und das bewegendste Ereignis aufzuschnappen und hier festzuhalten. Als ich gestern bei tropischen 32 Grad in mein Wohnviertel abgebogen bin, habe ich mich sehr darüber gewundert, weshalb so viele bunte Kränze und gebastelte Sachen auf der Straße vor meinem Apartment lagen. Heute, exakt um 04:30 Uhr, sollte ich dann die Antwort auf diese Frage bekommen. Erst dachte ich, es sei ein schlechter Scherz, dass jemand zu dieser unmenschlichen Zeit anfängt lautstark Trompete zu spielen. Als dieser Einzelne dann noch von einem Saxophon und einem kleinen Schlagzeug begleitet wurde, war es vorbei mit der Nachtruhe, denn das Trio hatte sich nun eingespielt. Das was sie da spielten, hatte nichts mit Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ zu tun, sondern erinnerte eher an eine freie Interpretation, der sonst so typischen chinesischen Klänge, die traditionell auf einem Gu Zheng gespielt werden. Sie erweisen den Verstorbenen die letzte Ehre und begleiten sie auf ihrem weiteren Weg. In Deutschland würde man nun vermutlich die angeklappten Fenster zu machen und auf den Schallschutz, der mehrfach ausgezeichneten Velux-Fenster, vertrauen. Das sind die deutschen Fenster, mit denen man auch Nächte neben vielbefahrenenen Straßen aushalten könnte. Doch bei den Chinesischen macht es keinen Unterschied, ob diese geschlossen oder geöffnet sind, es ist gleich laut. So war also die Nacht für mich um 04:30 Uhr zu Ende und deshalb beschloss ich, mir das Ganze mal aus nächster Nähe anzuschauen. Für gelungene Fotoaufnahmen war es leider dennoch zu dunkel. Trotzdem habe ich ein paar schöne Audiomitschnitte einfangen können, die ich euch nicht vorenthalten will.

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So schnell wie das Trio angefangen hatte zu spielen, so schnell ist der Tag dann auch angebrochen. Vielleicht kennt ihr das. Ihr seid so stark in eurem Alltagsrhythmus involviert, so dass ihr bestimmte Sachen ganz automatisch macht und erst Sekunden später realisiert, dass diese gar nicht funktionieren. Ich gehe also ins Bad, mache den Lichtschalter an, daraufhin wird es nicht heller, ich stelle mich vor den Spiegel und will so eben zur Zahnbürste greifen, doch irgendwas ist hier zu dunkel. In meinem Automatismus habe ich nicht gemerkt, dass das Licht gar nicht angegangen ist. Richtig, dass ist ein chinesischer Stromausfall! So ist es also ganz normal, dass man sich morgens mit chinesischen Elektrikern kurzschließen muss, die kein Wort Englisch sprechen, es aber auf irgendeine Art und Weise dennoch alles funktioniert und ich es pünktlich zu meinem Unterricht schaffe.

 

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Beim Lesen hört sich das vielleicht alles gar nicht so dramatisch an, aber oftmals ist es so, dass mich solche Momente, bei denen ich zuvor eine kurze Nacht hatte, ich unter enormem Zeitdruck stehe, oder der Strom mal wieder nicht funktioniert und die nicht deutschsprachigen Elektriker kontaktiert werden müssen, enorm mitnehmen. Man fragt sich dann auf einmal was man hier eigentlich macht und warum einem niemand direkt hilft. Aber für all diese Fragen gibt es dann immer eine ziemlich schnelle und plausible Antwort: „Es ist China!“ Und mit diesem kurzen Satz kann man sich oftmals nicht abfinden. Geht es mir in diesem Moment gerade noch schlecht, so kommt schon der Nächste und nimmt mich wie eine Thermikblase ganz weit nach oben. So war es gestern das erste Mal, dass mich die Musik mit einer mir fremden Kultur und deren Menschen verbunden hat. Obwohl ich in Deutschland jahrelang Klavier gespielt habe, einige Sachen im Orchester mit vielen jungen Leuten zusammen ausprobieren konnte und alle immer davon gesprochen haben, dass die Musik verbindet, habe ich persönlich diese Verbindung in meiner Heimat nie gespürt. Doch hier reicht ein Tag aus. Ein einzelner Tag, an dem ich wie gewohnt in die Schule komme und von dem feinsten Klavierkonzert begrüßt werde, dass sich mir vorher so noch nie geboten hat. Doch sitzt dort kein Beethoven, oder Bach am Flügel in der großen Eingangshalle, sondern ein Sechstklässler, der mit den Tasten so vertraut ist, als hätte er sein ganzes Leben lang nichts anderes getan. Dieser Junge, der hier in China aufgewachsen ist, für den Mozart, Vivaldi oder Bach weit entfernte Größen sind, vermittelt mir in seinen jungen Jahren mehr Klassik und Musikgeschichte, als sie mir jemals in meiner Heimat nahegelegt werden konnten. Das ich diesen Moment als so herausragend empfand und gleichermaßen hier jetzt so beschreibe, liegt wohl ganz einfach daran, dass ich erst durch ihn gelernt habe, dass Musik wirklich verbindet. Und zwar jeden einzelnen von uns! Egal welcher Nationalität, Sprache oder Hautfarbe. In diesem einen Moment haben wir uns ohne Worte verstanden, weil die Musik für uns auf einer gleichen Ebene gesprochen hat. Für diesen kurzen Augenblick habe ich mich nicht mehr als ein Fremder gefühlt, der das Land nicht kennt und die Sprache nicht spricht. Im Gegenteil, jetzt konnte ich einer von ihnen sein und zusammen mit ihnen musizieren.

So sende ich euch jetzt die allerbesten Grüße aus Wuhan!

Euer Darius

P.S. Das erste Unterrichtsvideo ist online! Ihr findet es hier: https://www.youtube.com/watch?v=e5Bd8XVCKWs&feature=youtu.be

 

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Ja, jetzt bin ich tatsächlich ein Lehrer!

Wie kann man am Besten eine Stadt beschreiben, die aus drei großen Stadtteilen besteht, von der man aber selber nur einen zur Hälfte kennt. Das würde ich jetzt so bei Google eingeben. Schade, denn „Googlen“ kann ich hier nicht. Doch ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Antworten die Jungs und Mädels von Google aus den riesigen Bibliotheken dieser Welt heraussuchen würden, um sie mir kurz und knapp zu präsentieren:

  • Wuhan, liegt in günstiger Mittelchinalage am Zusammenfluss des Jangtsekiang und des Han Flusses.
  • Stadt in China
  • Wetter: 24 *C, Wind aus NO mit 11 km/h, 83 % Luftfeuchtigkeit.

Genau genommen zählt Wuhan mit neun Millionen Einwohnern zu Chinas größten Metropolen und ist eine der dynamischsten Städte der Volksrepublik China. Ich lebe und arbeite im Stadtteil Hankou. Damals war dieser Teil einer der bedeutendsten Finanz- und Handelszentren Chinas, der sogar über ein eigenes deutsches Viertel verfügte. Als ich das erste Mal vom Flughafen zu meiner Wohnung gefahren bin ist mir aufgefallen, dass es hier viel grüner und menschenleerer ist als in Peking. Nur wenige Fußminuten entfernt eröffnen sich kleine Gassen, die das zu Hause vieler beschaulicher Läden sind. So findet man schon allein dort sechs Friseure, die eine ganze Palette an Frisurenvielfalt auffahren. Naja, sofern ich ihnen überhaupt noch genug Haar bieten kann, an denen sie ihre chinesischen Frisuren geschickt umsetzen können. Typische chinesische Friseure erkennt man übrigens an dem Aussehen von deutschen Bänkern. Sie sind adrett und akkurat gekleidet. Tragen Lackschuhe, Hemden und Anzugwesten, also das volle Programm. Der Unterschied liegt im Detail: Hier möchtest du dir die Haare schneiden lassen und in Deutschland einen Kredit aufnehmen. Des Weiteren findet man zahlreiche kleine Boutiquen mit ihren ganz eigenen Fashionkreationen. Ja, das alles liegt im Umkreis meines kleinen Apartments, welches ich mir mit einem Mitbewohner teile. Also eine Art WG-Leben, denn es ist wirklich eine sehr komfortable und großzügig geschnittene Wohnung im westlich gehaltenem Stil. Mein Zimmerfenster ist auf einen kleinen Park gerichtet, in dem die älteren Damen und Herren, eher überwiegend Damen, zu lautstarker Musik akrobatisch tanzen. Der Sound hat dabei weniger was mit Helene Fischer, oder Rammstein zu tun, sondern erinnert mich eher an Entspannungsmusik in kleinen, gutbürgerlichen Massagestudios. Ich mag es, eigentlich! Denn jeden Morgen und jeden Abend vernehme ich das gleiche Lied und ertappe mich immer öfter dabei, dass ich, vor allem abends, beim Einschlafen im Takt mitsumme. Auf die Dauer gesehen kann sich dieser eine Song in den Charts und vor allem als mein „Einschlaflied“ nicht durchsetzen. Wer weiß, vielleicht höre ich schon bald „Atemlos durch die Nacht“, kommt ganz darauf an, wann ich mich zu den musikbegeisterten Athleten begebe und die CD wechsle.

 

Wuhan Children

 

 

Wenn ich mich morgens auf den Weg zur Arbeit in die Schule begebe, dann ist meist die ganze Stadt in Aufruhe. Motorräder, Roller, Rikschas, Autos und unzählige Passanten kommen mir entgegen. Wenn ich gut in Form bin, dann beträgt meine Ankunftszeit nach dem Geschwindigkeit-Zeit-Gesetz ungefähr zehn Minuten. Und dann stehe ich hier, vor dem Tor der Schule, das eigentlich gar kein richtiges Tor ist, sondern sich eher wie eine Ziehharmonika auseinander- und zusammenzieht! Und der Mann, der die ganze Macht über dieses edle Gerät besitzt, befindet sich in einem kleinen Empfangshäuschen dahinter. Ich nicke ihn immer freundlich an wenn er mir das Tor aufmacht, so dass ich sicher gehen kann, dass er es auch beim nächsten Mal so schnell öffnet. Denn manchmal macht er Siesta und dann bleibt einem der Weg in die Schule vorerst versperrt. Hier endet dann auch das humoristische Getue vor dem Unterricht, denn ab hier bin ich Lehrer. Ich fühle mich zwar nicht wie einer, habe auch nicht einmal ansatzweise die pädagogische Ausbildung genossen, werde aber dennoch ganz klar als einer angesehen. Hier habe ich mein eigenes Büro, das International Department, das vorher wie die Besenkammer von Harry Potter aussah und jetzt, durch die tatkräftige Unterstützung des Einsatz-in-vier-Wänden-Team´s, in neuem Glanz erstrahlt.

 

 

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Ihr könnt euch das wahrscheinlich jetzt schwer vorstellen, aber ich unterrichte tatsächlich Deutsch in der achten und neunten Klasse der Wuhan Changqing Nummer 1 Mittelschule. Ich trete also sieben Mal in der Woche vor eine 56-Mann starke Klasse und erkläre Sachen wie Präpositionen, Artikel und anderen üblichen fachspezifischen Kram. Dabei muss ich sehr viel auf das Englische Vokabular zurückgreifen und vor allem sehr langsam sprechen. Vielleicht zahlt es sich auch gerade hier aus, dass ich während der Gymnasialzeit den Unterricht des Darstellenden Spiels besucht habe. Denn im Grunde muss man ein kleiner Schauspieler sein, der keine Scheu davor haben darf, pantomimisch und mit sehr viel Einsatz von Mimik und Gestik den Schülern das nahe zu bringen, was sie am Ende des Tages erlernen sollen. Es kommt vor allem darauf an, dass ich es da vorn schaffe in den Köpfen der Schüler ein Bild zu konstruieren, welches sie mit dem theoretischen Material verknüpfen können, um sich bestimmte deutsche Wörter einzuprägen. So habe ich zum Beispiel bei der Einführung der Präpositionen einen Stuhl verwendet um zum Beispiel „an“, „über“ und „unter“ vorzustellen!

Die Klassenräume sind übrigens sehr klein und besitzen nur das Nötigste. Ich würde schon fast von Luxus sprechen, wenn ich an die Tische und Stühle denke, welche unsere deutschen Schüler zur Verfügung gestellt bekommen. Denn die Tische und Stühle hier sind aus einfachem Holz und so langsam in die Jahre gekommen. Ist in Deutschland ein Schüler von der Körperkonstitution seinen Mitschülern schon etwas voraus, so bekommt er zum Beispiel einen kleineren Stuhl oder größeren Tisch. Hier ist das nicht so. Die chinesischen Schüler wechseln auch nie ihren Klassenraum, denn das ist die Aufgabe des Lehrers. Er kommt zur Klasse und nicht andersherum. So könnt ihr euch sicher vorstellen wie wichtig es ist, einen angenehmen Platz in der Klasse zu haben, auf dem man einen langen Schultag, der machmal von 07:40 Uhr bis 20:00 Uhr andauert, aushalten kann.

 

 

 

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Ich kann an dieser Stelle nur immer wieder betonen, dass wir Schüler in Deutschland mit dem was wir haben, sehr zufrieden sein können. Deshalb hört auf unter die Bänke Kaugummis zu kleben oder in langweiligen Stunden diese zu bemalen. Denn wenn ihr euch umschaut, dann lernt ihr euren Arbeits- und Schulplatz zu schätzen. Gleichermaßen bedeutet das nicht, dass die chinesischen Schüler in ihren Schulen keinen hohen Standard haben, oder mit ihren Klassenräumen, Schulzeiten oder Pausen unzufrieden sind. Im Gegenteil! Ich habe noch nie zuvor so viele Schüler gesehen, die trotz eines so straffen Zeitplans und Leistungsdrucks immer ein Lächeln auf den Lippen haben!

Die stärkste Gruppe ist immer nur so stark wie ihr schwächstes Glied! Und genau darauf kommt es hier in China, als auch in Deutschland an. Nämlich das man untereinander zusammenhält und zusammen stärker wird.

Mit diesen neuen Eindrücken verabschiede ich mich für heute und sende Euch die besten Grüße aus Wuhan!

Euer Darius

P.S. Ich werde in den nächsten Wochen einige Ausschnitte aus dem Unterricht auf YouTube vorstellen, so dass ihr euch ein besseres Bild davon machen könnt!

 

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Von der Weinverkostung zum Fahnenappell

Es ist jetzt 06:45 Uhr! Eigentlich eine humane Zeit um aufzustehen, alle Befindlichkeiten, die im Bad anstehen, zu erledigen, einen Caro-Kaffee aufzukochen und die Tagesschau-App in voller Funktion zu nutzen, um das aktuelle Weltgeschehen zu verfolgen. Wie ich schon sagte: Eigentlich! Denn gestern Abend war ich zum Essen bei einer Englisch-Lehrerin meiner Schule eingeladen.  Eigentlich sah der Plan für die Abendgestaltung vorher ganz anders aus. Wir wollten kochen und nicht zum Kochen eingeladen werden. So kam es also dazu, dass wir selbst gemachte, chinesische Gerichte mit einem guten Tropfen Wein genießen durften. Auf den Wein werde ich gleich noch einmal zu sprechen kommen, denn in allem Überfluss ist er wohl der Auslöser, weshalb das vermeintliche frühe Aufstehen auf einmal gar nicht mehr so leicht war.

Nun denn! Die Variationen des Essens reichten von Barsch in feuriger Soja-Soße bis zu Rind mit würzigem Gemüse. Alles in allem sehr lecker, oder wie der Fachmann sagen würde: „Ausgesprochen delikat!“ Für einen Michelin-Stern hätte es vielleicht nicht ganz gereicht, das lag aber weniger an dem tollen Essen, sondern viel mehr daran, dass mit jedem neuen „Cheers“, „Salute“, „Prost“ oder auch „Sui Yi“ die Geschmacksknospen mehr und mehr betäubt wurden. Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass ich den Wein ausgesucht hatte. Ich machte mir sogar noch Sorgen, dass der Wein nicht reichen würde. Diese Sorgen warf ich dann allerdings schleunigst über Bord, als mir die Gastgeberin erzählte, dass sie eine leidenschaftliche Winzerin sei und selbstverständlich die verschiedensten Variationen an Weinen vorrätig hätte. Ich rechnete mit einem Korb voller Wein, doch anstatt eines Korbes brachte sie zwei neue Weinflaschen. Daraufhin sah ich mich schon Salsa tanzen, oder vielmehr am Klavier sitzen, um sie beim Tanzen zu begleiten. Die Wohnung hatte nämlich neben einer kleinen Küche, einem Wohnzimmer und Schlafzimmer auch ein kleines Klavier vorzuweisen. Um aus dieser Nummer also wieder raus zu kommen, sollte man sich nicht beirren lassen, sondern einfach darauf verweisen, dass man schon genug getrunken habe.

Ja, so einfach ist das manchmal, aber meistens, ihr kennt das wahrscheinlich auch,  hat man viel zu sehr Angst oder Scheu davor, den Anderen zurückzuweisen, weil man eben nicht unhöflich wirken will und genau weiß, wie viel Mühe sich der Gegenüber damit gemacht hat. Solltet ihr also mal hier in China zu einem selbstgemachten Essen eingeladen werden, so scheut euch nicht davor nein zu sagen, denn auch hier werden sie es verstehen. Nachdem der letzte Tropfen Wein getrunken, das letzte Rind gegessen und die letzte Gräte des Fisches gezupft worden war, neigte sich der Abend dem Ende zu. Natürlich haben wir auch Bilder gemacht, dieses hier zum Beispiel.


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Jetzt ist es schon 07:00 Uhr und ich muss mich so langsam beeilen. Normalerweise beginnt mein Unterricht gegen 08:15 Uhr oder 9:00 Uhr, aber heute ist Fahnenappell. Ungefähr 6000 Schüler versammeln sich in weißer Schuluniform und rotem Halstuch pünktlich um 07:40 Uhr auf dem Sportplatz, direkt vor dem Podium und dem Fahnenmast. Die Lehrer sind von diesem militärisch anmutenden Ereignis übrigens nicht ausgeschlossen. Sie stehen genauso in Reihe und Glied wie es die versammelte Schülerschaft tun muss. Viele Reden werden gehalten, währenddessen im Hintergrund Lang Lang, so hört es sich zumindest an, Klavieretüden in Dauerschleife vorspielt. Ein Redner wechselt den Anderen ab, so geht es gefühlte drei Stunden mit dem immer wiederkehrenden Thema. Doch plötzlich stehen alle Schüler kerzengerade und halten ihre rechte Hand ausgestreckt vor das Gesicht. Das ist das Signal. Jetzt kann die Flagge langsam und in vorsichtigen Zügen gehisst werden.

 

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Das alles mag vielleicht fremd und streng militärisch klingen, doch ist es ein ganz normaler Wochenanfang in vielen Schulen Chinas. Es ist nicht befremdlich. Im Gegenteil, durch die Einheitlichkeit und das Stehen in der Truppe, Pardon Gruppe, fühlt man sich zugehörig und als Teil von etwas Großem. Auf den ersten Blick kann man sich nicht richtig damit identifizieren, doch probiert man es, so wird man es vielleicht auch mögen lernen.

Ich trete dem Ganzen jeden Tag aufgeschlossen gegenüber, freue mich auf die Schüler und meine Kollegen. Im Grunde ist Deutschland und speziell das deutsche Schulsystem komplett anders, wie ihr euch vielleicht schon gedacht habt.

Doch die Menschen sind nicht grundverschieden, denn Menschen sind keine Bäume. Bäume haben Wurzeln und Menschen haben Beine!

In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute von euch! Das nächste Mal geht es um meine Wohnung, die schöne Stadt Wuhan und über mein Lehrerdasein! Ihr dürft euch freuen. Und Bilder folgen natürlich!

 

Die Besten Grüße aus Wuhan

 

Darius

P.S. Ich mache oft kleine Filmsequenzen, um später mit meinen Schülern ein Filmprojekt zu starten und evtl. künftigen Freiwilligen die Sicht auf China schmackhafter zu machen. Ein kleines Promotion-Video zu China habe ich schon erstellt! Vielleicht schaut ihr euch mal den Link bei YouTube an: https://www.youtube.com/watch?v=FLeuWv_4a9g&feature=youtu.be

The Moving-Kids

Beijing: Menschen, Gerüche und vieles Mehr!

„Es ist Ihr Freiwilligenjahr!“ Tatsächlich, jetzt ist es wirklich mein Freiwilligenjahr, denn ich sitze genau in diesem Moment in einem Hotelzimmer der Pekinger Innenstadt. Noch vor genau einer Woche saß ich ganz wo anders. Am schönen, idyllischen Werbellinsee in meiner brandenburgischen Heimat. Um genau zu sein, hatte ich zu diesem Zeitpunkt ein Seminar, das mich auf das vorbereiten sollte, was in den nächsten Wochen und Monaten mein zu Hause genannt werden wollte: China!

Völlig euphorisch und mit gutem Gewissen auf´s Neue eingestellt, verließ ich die Vorbereitungswoche. Gestern, am 31. August 2014, hatte ich dann das Kribbeln auf das ich so lange gewartet hatte. Mit British Airways ging’s nach London und dann nur noch direkt nach Peking! Und genau seit heute früh um 09:00 Uhr chinesischer Zeit ist es tatsächlich mein Freiwilligenjahr!

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich total K.O. und überwältigt von den ganzen neuen Eindrücken und Gefühlen bin. Als unsere Boeing in den Landeanflug auf Peking sank habe ich mich gewundert, wie tief doch hier die Wolkenuntergrenze ist. Als sich dann das Fahrwerk ausgefahren hatte und wir immer noch dichte Sicht hinter den Flugzeugfenstern hatten, kam ich in´s Grübeln darüber, ob diese Wolken wohl den für Peking „gewöhnlichen“ Smog darstellten.

Spätestens nach der Landung wusste ich dann, dass jene graue Wolke, die sich durchgängig über den Horizont zog, Smog war. Kein Problem, ich hab ja alles dabei!

 

Genau das wollte ich eigentlich schon vor vielen, vielen Tagen posten, aber ich bin dazu einfach nicht gekommen. Inzwischen hat sich viel ereignet. Viele Tiefpunkte, unschöne Erlebnisse, aber auch Höhepunkte und neue Leute sind in mein Leben getreten. Peking ist groß, sehr groß.Aber wie soll ich am Besten diese Millionenmetropole beschreiben, so dass hieraus keine Single – Story wird, die ein einseitiges Bild auf die hier lebenden Menschen wirft. Ganz einfach, ich beschreibe jetzt den Moment, der sich von der Ankunft bis zu Abreise aus Peking hingezogen hat.

 

Als ich die ersten Schritte in das Terminal ging war ich erstaunt, wo diese ganzen Menschen herkamen. Und ebenfalls diese mussten darüber erstaunt sein, wo ich herkam, denn jeder meiner Schritte wurde nun beäugt. Das war das erste komische Gefühl. Kombiniert man nun dieses mit einer sehr hohen Luftfeuchte, dann sind dass für den Moment zu viele Eindrücke die mein Körper in dieser kurzen Zeit verarbeiten musste.

 

Vom Flughafen ging es mit dem Taxi zum Hotel und wieder fuhren an mir unzählige Eindrücke vorbei. Ob es auf der einen Seite die Arbeiter in ihren orangene Westen sind, die einfach am Innenrand der Autobahn, da wo in Deutschland normalerweise die Leitplanken sind, den Müll aufsammeln, oder ob es das ständige „Gehupe“ ist, dass den ankommenden Autofahrer ankündigt. Egal, in diesem Moment habe ich einfach die Situation auf mich wirken lassen.

 

Ich muss ganz ehrlich zugeben, dass ich einen Schock hatte. Den sogenannten Kulturschock. So viele neue Gerüche, die meistens nicht nach Lacoste oder Channel riechen, sondern eher nach Abfall, schlechtem Fisch, oder Kompost. Das schlimmste und zugleich beängstigendste Erlebnis hatte ich in der Pekinger Metro. Als ich letztes Jahr mit der Berliner S-Bahn zum Karneval der Kulturen gefahren bin, war diese voller Menschen. Alle klebten aneinander und die Luft war stickig.

 

Das kann man definitiv nicht mit der Pekinger U-Bahn in Zeiten der Rushhour vergleichen. Desto tiefer man mit der Rolltreppe nach unten fährt, desto mehr nähert man sich der finnischen Sauna. Das schlimme ist, du bist dort nicht zum saunieren und du springst danach auch nicht nackt in den Schnee. Nein, du willst hier U-Bahn fahren. Von A nach B kommen und das möglichst ohne Körperkontakt. Das kannst du aber hier vergessen!

Mir ist schwarz vor Augen geworden und ich war sehr froh, dass ich einen guten Freund dabei hatte, der mit mir an die „frische“ Luft gegangen ist. Für den Moment war das zu viel für mich. Und deshalb war dieser Tag auch der mit den meisten negativen Erlebnissen. Wenn man dann endlich wieder im Hotel ist, freut man sich auf ein leckeres Essen, aber auch da muss man sich völlig öffnen. Erstens verstehen nur wenige Chinesen Englisch und zweitens kann man das chinesische Essen überhaupt nicht mit dem chinesischen Essen in Deutschland vergleichen. Sollte man also behaupten, dass jemand, der sehr gern in Deutschland Chinesisch isst, in China mit dem Essen genauso gut vertraut ist, dann ist das absolut falsch. Die chinesischen Restaurants in Deutschland haben ihr angebotenes Essen und vor allem den Geschmack zu ungefähr 80 % auf das/den der Deutschen angepasst. Um hier also das zu bekommen, was man gern haben möchte, ist es ein sehr, sehr langer Weg, der viel pantomimisches Können und einen Mix aus Englisch und Deutsch darstellt. Das ist aber eine Single-Story, also ein einseitiger Eindruck, denn Peking oder Beijing ist auch eine sehr schöne Stadt! Und wenn ich mich an die schönen Seiten zurückerinnere, dann denke ich in erster Linie an den Sommerpalast. Ein sehr idyllischer Ort am Stadtrand von Peking, in dessen Umgebung auch die verbotene Stadt liegt. Was mir danach direkt in den Kopf schießt ist die Chinesische Mauer. Einen vergleichbaren Ort, mit solch einer Ruhe und Harmonie habe ich bisher noch nie gefunden. Alles ist grün und die Luft auch sehr klar. Der tiefe Nebel zieht sich an der Mauer entlang und Stufe um Stufe wird der Blick weiter und die Ferne größer. Und genau das kann Peking bzw. der Norden nämlich auch sein: atemberaubend, ruhig und einfach nur schön.

 

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Bereits in den wenigen Tagen habe ich den Alltag in Deutschland schätzen gelernt. Hört auf in den Zimmern zu hängen, auf diese elektrisierenden Bildschirme zu starren und schätzt eure Mitmenschen, denn ihr habt das große Los gezogen, euch jeden Tag ohne große Sprachbarrieren verständigen und austauschen zu können. Genießt die Sonne und die Wolken, das Grüne und die angenehme klare Luft und vor allem die Sauberkeit. Viele Dinge davon sehe ich hier sehr selten, so eben leider auch die Sonne. Wahrscheinlich sind deshalb die Preise ab dem 23. Stock der Skyscraper so überteuert, weil eben wahrscheinlich erst ab dort die Sonne und ihre wunderbaren euphorisierenden Strahlen zu sehen sind.

 

Viel geweint, viel gesehen und viel erlebt. Ja, damit endet mein Pekingabenteuer und die Berichterstattung von hier, vorerst! Man weiß nie was der nächste Tag so bringt, ob es ein Guter oder ein Schlechter wird, ob man sich durchbeißen oder gar noch mehr öffnen muss, aber genau wie Albert Einstein fürchte ich mich nicht vor der Zukunft! Sie kommt früh genug!

 

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Jetzt bin ich endlich an meinem Einsatzort in Wuhan. Eine wunderschöne Stadt und ein vor allem sehr schöner Stadtteil in dem ich mich befinde. Hier geht es weiter, mal sehen wohin es mich verschlägt und wen ich morgen kennenlerne. Ich bin gespannt, ihr auch? Mein Internet ist übrigens sehr gut, allerdings sind viele Seiten gesperrt und somit zur Zeit leider auch mein Mailprogramm, aber ich würde mich trotzdem freuen wenn ihr mir schreibt, kommentiert oder vielleicht auch anruft.

 

 

Ich sende euch die besten Grüße aus Wuhan!

 

Euer Darius

 

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