Erste Eindruecke
Zuerst einmal wurde ich von meiner Mentorin abgeholt um bei ihr im Haus zu Mittag zu essen. Die Strassen durch die wir fuhren waren gesaeumt von vergitterten Haeuschen, Bananenbaeumchen, tropischen Blumen und kleinen Palmen. Wir passierten einen Wachposten, ein dickes Tor und waren auf ihrem Grundstueck, das zusaetzlich von vier Hunden bewacht wird.
Hier klebte nichts, alles war sauber, es gab riesige Palmen, Bananenstauden, Bambus, der Rasen war dicht und gruen, es gab einen verlockenden Pool und auf den Wegen wandelten gruene Blattstueckchen unter denen man kaum die Ameisen entdecken konnte. Die Angestellten leben in einem separaten Haus und ich lernte Insa kennen, eine andere deutsche Abiturientin, die an der gleichen Schule arbeitet, bei meiner Mentorin wohnt und uebrigens sehr nett ist.
Diese Welt war auf jeden Fall eine andere als in dem Hotel in Alajuela, doch auch hier blieb ich nicht lange, schliesslichalten. erwartete mich meine Gastfamilie.
Die wiederum lebt an einem steilen Hang hinter Mauer mit Metalltor, hinter dem ich eine Garage vermutet hatte, bis es sich oeffnete und man sah, dass dort ein Haus stand. Wie alle Haeuser hier ein niedriges, an seiner hoechsten Stelle nicht mal vier Meter hoch. Meine Gastmutter begruesste mich herzlich auf Spanisch und zeigte mir mein Zimmer, was, glaube ich, mein erster kleiner Kulturschock war.
Hier sind ueberall kleine rosa Engelchen an der Wand, der Muelleimer ist ein pinkes Plastikschwein und ueber meinem Bett schnuppern zwei ca. einen Meter grosse, ueberaus suesse Zeichentrickmaegde hingebungsvoll an Bluemchen. Undefinierbare Kuscheltiere bevoelkern den Schrank und die lilanen Regalbretter werden von orangenen Plastikbaerchen gehalten. Die Reihe liesse sich noch ueber die bedruckte Bettdecke, eine Smartieskulptur etc. fortsetzen, aber ich denke, dass der Stil meines Zimmers klar sein duerfte. Fuer mich, die ich ziemlich disneyfern erzogen wurde, ein kleiner Kulturschock, den ich aber mittlerweile ueberwunden zu haben glaube. Vielleicht werde ich ja sogar noch so etwas wie eine freundschaftliche Zuneigung zu diesen Wesen entwickeln koennen. Mit absolviertem Anti-BIAS-Training sollte das doch ein Leichtes sein.
Generell wird hier auch in der Schule fast nur mit so Zeichentrickfiguren gearbeitet. Staendig muessen die Kinder sie ausmalen, ihren Instruktionen folgen oder sie auf verschiedenen Sprachen benennen – wobei ich es manchmal recht sinnfrei finde, ein Kind, das eine Maus erkennt, zu korrigieren ‚that is a rat!‘, wenn das Viech genau so gut ein Hund sein koennte.
Die Mitglieder meiner Gastfamilie konnte ich erst nach ca. einer Woche unterscheiden, da wir staendig mit diversen Onkeln, Tanten und Cousins unterwegs waren und meine Gastbrueder oefters ausser Haus waren, mittlerweile kenne ich sie aber alle. Ich habe also eine Gastschwester und zwei Gastbrueder zwischen 24 und 28 Jahren, die alle noch zu Hause wohnen, wie das hier ueblich ist.
Wenn ich ihnen erzaehle, dass die Leute in Deutschland normalerweise nach der Schule ausziehen, ist das vor allem fuer meine Gastmutter eine vollkommen absurde Vorstellung. Lieben die Eltern denn dort ihre Kinder nicht? Sind sie ihnen so egal, dass sie sie lieber mit ein bisschen Geld wegschicken als sich um sie zu kuemmern? Meine Erklaerungen finden sie dann sehr interessant und auch ich bekomme einen anderen Blick auf Deutschland.
Hier ziehen die Kinder wirklich erst mit der eigenen Hochzeit aus und meine Gastmutter ist seit der Geburt der Kinder nicht mehr verreist, damit sich diese nicht mit ihren jeweiligen Partnern allein im Haus treffen konnten, wie sie sagt.
Allerdings kennt meine Gastschwester das kleine Hotelchen in Alajuela, in dem ich uebernachtet habe…
Meine erste Woche war auch die Woche der Unabhaengigkeitsfeiern in Costa Rica. Ueberall waren Strassenfeste, Umzuege und Feierlichkeiten. Dabei tanzen hier die kleinen Kinder ab zwei Jahren in den typischen Trachten der einzelnen Regionen die Bauerntaenze, was irgendwie wirklich lustig ist. Die Maedchen mit ihren streng zusammengebundenen Haaren schwingen dabei anmutig ihre Roeckchen waehrend die Jungen mit den Haenden in den Hueften um sie herumspringen und wie kleine Cowboys ihre roten Halstuecher ueber dem Kopf kreisen lassen.
Die Fackel der Unabhaengigkeit wird in der Zeit von Guatemala ueber Honduras, San Salvador, Nicaragua und Costa Rica bis nach Panama und in den einzelnen Laendern in alle Doerfer getragen.
Hier versammelten sich die Leute aus der ganzen Umgebung in Heredia, wo die grossen Schueler jeder Schule feierlich ihre Fackeln an der Originalflamme entzuendeten um sie im Dauerlauf zu ihren jeweiligen Schulen zu bringen.
Auch der naechste Tag war bestimmt nicht einfach fuer die Schueler, denn am 15. September (dem Tag der Unabhaengigkeit) mussten sie stundenlang in Uniformen durch die Mittagshitze marschieren. Die Jungs dabei in Trommelchoeren zwischen 20 und 70 Mann, die Maedchen mit grossen Xylophonen. Zwischendurch kamen Gruppen, die im Stechschritt riesige Fahnen durch die Strassen trugen oder welche, die in knappen Roeckchen Tanzchoreographien oder Akrobatik zeigten. Eis- und Wasserverkaeufer liefen dabei laut rufend zwischen den Reihen hindurch, ein paar Hunde hatten sich in die Gasse fuer die Schueler verirrt und fanden keinen Weg mehr nach draussen und einmal brach eine kurze Panik aus, als wenige Meter neben mir zwei Typen ausrasteten. Insgesamt erzeugten die Massen von Schuelern einen ziemlich beeindruckenden Sound in den schmalen Strassen der Stadt.
In meiner Schule singen die kleinen Kinder momentan jeden Tag die Nationalhymne inklusive feierlicher Praesentation der Flagge, sodass ich eigentlich staendig einen Ohrwurm davon oder von ‚Alle meine Entchen‘ habe (das bringe ich den Kleinen naemlich gerade bei).
Am Freitag war ich dann mit den Schuelern der 6. und 7.Klasse (die Groessten der Schule) auf dem Vulkan Irazu, was echt beeindruckend war. Er ist mit 3432m der hoechste Vulkan Costa Ricas und hat zwei Krater, von denen der eine einen tuerkis-gruenen See in der Mitte hat und der andere eine riesige graue Geroellflaeche ist, in deren Mitte ein gruener Fleck teppichaehnlicher Vegetation waechst. Ab und zu zogen nach Schwefel riechende Wolken zu uns auf und kreierten eine filmreife Szenerie.
Zwei alte Kirchen und einen Staudamm besuchten wir ebenfalls, wobei die Busfahrt durch die Nebelwaelder und auf rostigen Bruecken ueber Schluchten mit Wasserfaellen und Fluessen mindestens genau so beeindruckend war.
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