Ankunft reloaded
Meine Lieben,
Nun habe ich zum ersten mal etwas Zeit an einem Computer und kann etwas mehr und ausfuehrlicher schreiben.
Meine Ankunft war also etwas chaotisch. Nachdem ich meinen Pass abgestempelt und mein Gepaeck gefunden hatte, folgte ich den Schildern „Exit“, bis ich mich gegenueber einem Parkhaus in Mitten auf Spanisch werbender Taxifahrer im tropischen Regen wiederfand. Da das Gebaeude nur einen Aus- aber keinen Eingang hatte, blieb mir – ohne funktionierendes Handy und ohne Telefon – nichts anderes uebrig, als zu warten.
Ich wartete also, las die Schilder mit Namen von Leuten, die abgeholt werden sollten und musste mehrmals versichern, dass ich weder Michelle hiess, noch eine Mitfahrgelegenheit wuenschte.
Gut, dachte ich, mein Flug ist zwar schon vierzig Minuten zu spaet, aber hier sollen die Uhren ja anders gehen als in Deutschland, also kein Grund zur Sorge. Nach einer weiteren Stunde nahm ich dann das Angebot eines Taxifahrers an, mit seinem Handy zu telefonieren, aber ohne Erfolg, das Handy meiner Mentorin war und blieb ausgeschaltet.
Nach zwei Stunden erschien mir die Unpuenktlichkeit dann langsam etwas unhoeflich, vor allem, da es schon begann, dunkel zu werden.
Der Taxifahrer, der mir sein Handy geliehen hatte, sprach ein paar Brocken Englisch und wollte mich schon die ganze Zeit in ein Hotel im naechsten Ort fahren, wo ich ins Internet gehen und auch uebernachten koennte.
Bisher hatte ich das ausgeschlagen, denn wenn man kein Handy besitzt, wartet man ja bekanntlich am besten da, wo man vermutet werden koennte, anstatt in andere Staedte zu fahren. Noch dazu, wenn man sich dort nicht auskennt, die Landessprache nicht wirklich spricht und vor Taxifahrern in dieser Weltgegend eher gewarnt wurde.
Als ich einen letzten Versuch unternahm, mit zwei Wachleuten zu sprechen – die uebrigens noch weniger Englisch verstanden – wurden die beiden weggerufen und tauchten auch nicht wieder auf.
Mittlerweile waren kaum noch andere Leute da und die Vorstellung, die Nacht mit meinem ganzen Gepaeck allein vor einem Parkhaus in Costa Rica zu verbringen, reizte mich eigentlich nicht besonders, sodass ich beschloss, mich dem Taxifahrer anzuschliessen, wohin auch immer er mich bringen wuerde. Immerhin hatte er auf seinem Hemd einen Aufnaeher mit einem Flugzeug und der Aufschrift „Aeropuerto“.
Als ich dann sah, dass sein Auto nicht am Taxistand sondern im Parkhaus stand und auch nicht rot oder orange war (die Farbe der Taxen/Taxis), sondern schwarz, war ich doch wieder ein bisschen am Zweifeln. Natuerlich antwortete er mir auf meine verwirrte Frage, dass sein Taxiunternehmen genau so serioes sei aber wer haette das nicht geantwortet? In diesem Fall aber beschloss ich, ihm zu glauben, vertraute diesem Auto mein ganzes Hab und Gut an und hoffte, das Richtige zu tun.
So rasten wir also durch die mittlerweile stockdunkle Nacht in Richtung Alajuela, wo sich dieses vom Taxifahrer so gepriesene Hotel befinden sollte und ich bekam meinen ersten Eindruck vom costaricanischen Fahrstil – eher wenig auf die Fahrspur achtend, sich durchschlaengelnd, wo es nur irgend geht und regelmaessig durch Hupen und Lichtsignale kommunizierend.
In irgend einer Gasse hielten wir dann, stiegen aus und klingelten an einer kleinen Tuer, die als einzige in der Strasse angestrahlt war.
Drinnen erinnerte mich irgendwie alles ein bisschen an das Bild, was ich von Kuba habe. Draussen kutschierten alte VW-Busse die Menschen durch die gegend, drinnen zwei Typen mit viel Zeit -einer hinter dem Tresen, der andere zu Besuch – und zwei Computer, von denen der eine kaputt war und die Tastatur des anderen so abgenutzt, dass die Buchstaben auf jede einzelne Taste mit Tesafilm aufgeklebt waren. Die Luft war wie draussen so feucht, dass man sie haette auswringen koennen und Tische und Stuehle klebten – wahrscheinlich nicht nur – vor Feuchtigkeit.
Zumindest konnte ich hier meine Emails checken. Wenn auch nur, um festzustellen, dass man mich wohl nirgends vermisste. Also sorgte ich in ein paar kurzen Mails an meine Mentorin und das Goethe Institut Mexiko dafuer und beschloss, die Nacht zu bleiben.
Nachdem das also geregelt war, wurde mir bewusst, dass ich doch ziemlich hungrig war nach den ca. 24 Stunden, die ich nun schon unterwegs war, aber keine Ahnung hatte, wo und wie ich an etwas zu Essen kommen konnte.
Die Wegbeschreibungen des Hotelmenschen waren fuer meinen Geschmack und die Tageszeit mit zu vielen „rechts“ und „links“en gespickt, sodass ich kurzerhand beschloss, mit dem Taxifahrer essen zu gehen. Der willigte ein und zeigte mir einen budenaehnlichen Ort, der 24 Stunden am Tag casada, also Reis mit schwarzen Bohnen und wahlweise Gemuese, Huehnchen und/oder Fleisch (eine weitere Sache, an die ich mich erst gewoehnen muss, Huehnchen zaehlt hier nicht als Fleisch), verkauft.
Die Bude war daemmrig, offen zur Strasse hin, die Waende bis unter die Decke von gestapelten Coca-Cola-Kaesten verdeckt und Tische und Stuehle so klein wie Kindermoebel, aber man konnte hier Wasser in Flaschen kaufen.
Ich dachte an die ganzen Ratschlaege aus Deutschland, die besagten, nichts an Strassenstaenden zu essen und auch sonst die Dinge entweder abzukochen oder zu schaelen und beschloss, darauf jetzt keine Ruecksicht nehmen zu koennen. Es schmeckte uebrigens ziemlich gut!
Zurueck im Hotelchen hatte ich kaum Zeit, anzukommen, denn ploetzlich traf ein Anruf nach dem anderen ein. Der arme Typ hinter dem Tresen konnte sich gar nicht mehr auf sein Fernsehprogramm konzentrieren, weil er mich staendig aus meinem Zimmer holen musste. In Mexiko war man erst besorgt, dann verwirrt und zum Schluss erleichtert, meine Mentorin in Costa Rica hatte ihr Handy wieder angeschaltet und bemerkt, dass ich im Land war und der Taxifahrer Pablo wollte mir auch noch etwas sagen, was ich allerdings durch das uralte Telefon nicht verstehen konnte, auch wenn er versuchte, es mir durch Bruellen klarer zu machen.
Die Anzahl der Freunde des Tresenmenschen war mittlerweile gewachsen und ich wurde neugierig-zurueckhaltend beobachtet. Es kommt hier wohl nicht so oft vor, dass europaeische Maedchen meines Alters allein in solchen Hotels absteigen und dann auch noch den ganzen Abend auf verschiedenen Sprachen telefonieren.
Irgendwann war dann geklaert, dass ich am naechsten Morgen um 10 Uhr abgeholt werden sollte und ich konnte mich endgueltig in mein Zimmer richtung Bett begeben.
In Mitten von Autohupen, Rufen, Motorenlaerm und vereinzelten Musikrhythmen fiel ich in die Federn und wachte wenige Stunden spaeter von einer selten erlebten Stille auf. Diese Stille war so intensiv, dass ich begann, erst an meinen Sinnen und dann an meinem Gedaechtnis zu zweifeln.
Vielleicht gab es da draussen gar kein Leben und ich hatte alles nur getraeumt? Oder sie hatten mein Zimmer mit seinen hauchduennen Waenden schalldicht verpackt und verschickt?
Um fuenf vor halb sechs fingen dann ploetzlich lauter Papageien an, wie verrueckt zu kreischen und zehn Minuten spaeter war es schon taghell und Motoren, Musik, Hupen, Hundegebell und Unterhaltungen hatten wieder ihre alte Lautstaerke erreicht.
Erleichtert schlief ich fuer weitere zwei Stunden ein.
– Es ist wirklich merkwuerdig, wie schnell die Sonne hier aufgeht und wie schnell sie Leben in eine Stadt bringen kann!
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