Seensüchtig

Das letzte Wochenende vor den Schulferien musste ich nochmal nutzen, um schnell zu Anna ans Meer zu fahren bevor man sich dort vor lauter Urlaubern kaum mehr bewegen kann. Mit guter Musik auf den Ohren, Badezeug, Proviant von meinem Schwesterherz und Lion, einem Mitfreiwilligen, im Gepäck ging es ganz spontan zum Bahnhofsschalter. Zwei Tickets nach Batumi, bitte.

Die Rechnung haben wir ohne amerikanische Megastars gemacht. Erst tritt Robbie Williams in Tbilissi und jetzt auch noch die Band Maroon 5 in Batumi auf. Tickets kosten übrigens nur 30 Lari (ca. 12 Euro), da die Konzerte, als Werbung für das Land dienend, fast vollständig von der Regierung finanziert werden. Eine Mara fragt sich da, ob das Geld nicht hätten besser investiert werden können…

Wie auch immer. Die Züge waren deshalb bis auf Weiteres ausgebucht – und zwar für ganze drei Tage! Also, auf zum Marschrutka-Bahnhof, der mal wieder Beginn eines typisch georgischen Erlebnisses ist.

Wir laden unsere Rucksäcke in den Kofferraum und freuen uns, dass wir ein ziemlich komfortables Gefährt erwischt haben. Jetzt müssen wir nur noch auf weitere Fahrgäste warten. Wenigstens sind wir schon zu viert, so lange kann es also nicht mehr dauern. Prompt steuern sieben Jungs unsere Marschrukta an. Wir haben aber nur noch drei Plätze. Ein kurzes Gespräch später müssen wir dann aussteigen. Vielen Dank auch.

Während unser Gepäck hektisch umgefrachtet wird, trotten wir genervt zur uns zugewiesenen Marschrutka. Für den weiteren Verlauf wichtig: Wir achten extra darauf, dass unsere Rucksäcke auch wirklich den Weg in das richtige Auto finden.

Naja, wenigstens müssen wir hier nur noch auf einen einzigen Mitfahrer warten. Gleich muss es losgehen… Das tut es auch. Nur, dass trotz Platzmangel zwei Fahrgäste ins Auto sollen. Lion und ich, wir rutschen auf der Rückbank zusammen. Bei der Hitze dürfen wir dort jetzt auch noch zu viert kuscheln, oder was? Fängt ja gut an.

Der georgische Mann, der uns abkassiert und umgesetzt hat, gestikuliert wild um sich und redet mal wieder wie ein Wasserfall auf uns ein. Und das auf Russisch, weil wir die Sprache ja so gut verstehen. Nicht. Das nervt mich übrigens richtig, dass ich die Menschen auf Georgisch anspreche und sie dann meinen, ich könne Russisch. Leute, wenn ich besser Russich als Georgisch könnte, würde ich das schon anders machen!

Aber zurück zum Thema. Wir sollen nochmal aussteigen. Der Grund dafür: Der georgische Mann will nicht, dass die Freundin des Ukrainers, der gerade vor uns Platz genommen hat, neben Lion sitzt. Für mich heißt das Fensterplatz, ade. Dann setz ich mich halt neben sie, wenn es dir so besser gefällt.

Endlich geht die Autotür zu und wir fahren los. Lion und ich beginnen zu lachen. Selbst das ukrainische Paar kann sich nicht mehr halten. Später tauschen wir wieder Plätze.

Ich höre Musik, sehe mich an den Mohnblumen auf den Feldern neben der Autobahn satt, spiele mit Lion “Ich gewinne” und beobachte wie ein Auto die Einfahrt verpasst, den Rückwärtsgang einlegt und zurückstößt. Das Handy des Fahrers klingelt. Die Marschrutka- und Taxifahrer könnten übrigens wunderbar einen Zweitjob im Callcenter annehmen. Vielleicht mit ein bisschen mehr Geduld und Kontrolle über ihre Emotionen. (;

Nach dem aufgeregten Telefonat halten wir an und werden nach unseren Gepäckstücken gefragt. Drei Taschen können keinem der Passagiere zugeordnet werden. An einer Raststätte lässt der Fahrer die herrenlosen Reisetaschen zurück. Ein paar Kilometer weiter bimmelt sein Handy erneut. Wir drehen um und fahren zum Lokal zurück. Er zieht die Handbremse an, springt aus dem Auto und unterhält sich lautstark mit dem Besitzer des Restaurants. Die Marschrutka rollt dabei langsam, aber sicher, rückwärts auf die Fahrbahn.

Trotzdem kommen wir in Batumi an. Die Tatsache, dass wir zur geplanten Zeit dort sind, dürfte schon so einiges über die Fahrweise aussagen…

Dafür konnten wir uns das ganze Wochenende davon erholen: beim Baden im salzigen schwarzen Meer, beim Bootfahren im Kolkheti-Nationalpark oder beim Sonnen am Strand von Sarpi, dem letzten georgischen Ort vor der trükischen Grenze.

Die Fahrt dorthin war nicht weniger amüsant als die nach Batumi. Zigarettenpäckchen, die in Georgien  um einiges billiger sind, als in seinem Nachbarland, wurden an Mitfahrende verteilt und dann wohl hinter der Grenze wieder eingesammelt, in Schals eingewickelt und sonst wo versteckt.

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