Ein Dezember voller Kahkis

Der Dezember hat eine wunderschöne Zeit mit mir verbracht. (; Wo fange ich da am besten an? Ich nehme mir mal raus noch über Weihnachten zu schreiben. Das orthodoxe Weihnachten kommt hier nämlich erst noch, und zwar am siebten Januar.

Die Schüler und Deutschlehrer sind total verliebt in deutsche Wintertraditionen. Der Adventskalender hat vor keiner Klasse halt gemacht. Und neben einer Nikolausaktion und dem Weihnachtsbasteln haben wir gleich zweimal Plätzchen gebacken.
Einmal mit Lisa und ihrer kleinen achten Deutschklasse, die mich zu ihrem alljährlichen Walnussplätzchenbacken bei einem der Schüler zu Hause eingeladen hat.

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Und natürlich mit dem Deutschclub, was zwar – wie auch anders zu erwarten? – sehr chaotisch war, aber unglaublich lecker ausging.

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Die siebten Klassen haben mich mit bomben Nikolaus-, Advents-, Weihnachts- und Silvetserpräsentationen überzeugt. Fast jede Gruppe hatte irgendwelche Überraschungen dabei: Einen selbstgebastelten Adventskalender, ein Lied oder kleine Geschenke.

Ich habe wohl einmal erwähnt, dass ich gerne Apfelkuchen esse. Da haben die Schülerinnen einfach eine deutsche Bäckerei ausfindig gemacht und einen Kuchen für uns bestellt. Und so sieht dann ein spontanes Supra (so wird die georgische, große Tafel genannt) mit warmem Apfelkuchen im Computerraum (!) aus. (:

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Ein weiters Supra ließ nicht lange auf sich warten: Beim Abschlussessen mit meinen Kolleginnen wurde ich – irgendwie hätte ich es ja ahnen können – zum Tamada getauft. Auf Pikira, die Geburtstag hatte, darauf, dass meine lieben Kolleginnen ab Sommer visumsfrei nach Deutschland reisen dürfen, auf uns, auf das Glück, auf die Freude, auf die Vorfreude und noch auf so viel mehr haben wir angestoßen. Folgender Satz einer Kollegin ist mir dabei besonders in Erinnerung geblieben: „Wenn es etwas auf der Welt gibt, das du immer vermisst, egal wo du bist, dann hast du etwas.“

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Mit einem Sack voller Briefe und Umarmungen von Lehrern und Schülern ging es über Weihnachten genau dort hin: home, sweet home. Es war wirklich schön euch wieder zu sehen! Es kam mir vor, als wäre die Welt stehen geblieben – alles so vertraut, als wäre man nie weg gewesen. Die Zeit verging natürlich viel zu schnell, aber das tut sie ja immer.

Das mit dem Wort der Woche läuft jetzt übrigens:

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Mit einem Koffer voll ausgelaufenem Äppler rutsche ich jetzt drei Stunden vor euch ins neue Jahr! Habt ne tolle Partytime!

Freunde der Nacht

Hier viel zu spät ein paar Eindrücke unseres fünftägigen Zwischenseminars oder besser Fat-Camps in Saguramo, einem kleinen Dorf nahe Tbilissi: Neun Freiwillige aus Georgien. Drei Freiwillige aus Armenien. Eine coole Teamerin. Ein Koch vom Mariott-Hotel. Schlaflose Nächte. Wein. Wandern. Werwolf.  Strahlend blauer Himmel.  Karge Weinreben. Long walks und long talks. Sonne. French-Toast. Egotankstellen. Lagerfeuer.

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Von feigen Achtklässlern, meinem zertrümmerten Handy und Fanpost, die mir den Tag rettete

Ohne zu ahnen, dass dieser Tag mir jegliche Energie rauben wird, bahne ich mir den Weg durch das Schülergetümmel. Blöd nur, dass drei Achtklässler mit einer vollen Flasche Fußball auf dem Gang spielen und dabei, wie es der Zufall so will, mich treffen. Sie kriegen von mir ein georgisches „Juuuuuuuuuuuuuunge“ zu hören, aber da meine Winterjacke mich vor blauen Flecken bewahrte, fand ich das gar nicht so tragisch. Irgendwie kann ich auch verstehen, dass sie sich im Flur austoben. Wo sollen die Schüler denn auch mit ihrer Energie hin, wenn sie weder richtigen Pausen haben, noch nach Draußen dürfen?

Während ich so darüber nachdenke, greife ich in meine Jackentasche, um mein Handy herauszuholen. Tja, ich fühle leider nur Glassplitter. Mit dem in in die kleinsten Teile zerbrochenen Display gehe ich wieder auf den Flur und zeige ihnen mein kaputtes Smartphone. Klar, sie finden das lustig. Ich bitte sie einen Moment zu warten – so weit reichen meine Georgischkenntnisse schon – und hole eine Kollegin. Doch als wir zehn Sekunden später wieder kommen, sind die Schüler schon verschwunden.

Am meisten ärgere ich mich über mich selbst, weil ich die Schüler ja auch gleich hätte mitnehmen können. Tja, zu viel Vertrauen halt. Daran habe ich in diesem Moment auch einfach nicht gedacht. Ich meine, vor wem haben sie denn Angst? Vor mir ja wohl sicher nicht. :D

Eben taten mir die drei jedenfalls noch leid – ausgerechnet die Jackentasche, in der mein Handy liegt. Doch die Abhau-Aktion war nicht nur feige und frech, sondern wohl auch das so ziemlich Dümmste, was sie hätten tun können. Denn eins haben sie vergessen: Die Kameras, Jungs, die Kameras!

Meine Mentorin hat das alles in die Hand genommen, deshalb habe ich vom folgenden Prozedere nicht wirklich viel mitbekommen. Die uniformierten Leuten haben den Gefahndeten dank der Überwachungsvideos wohl direkt ausfindig gemacht. Und was habt ihr mit eurem Weglaufen jetzt genau erreicht? Das kam sicher nicht so gut an und war also die reinste Schnapspralinenidee.

Eine Klassenkameradin hätte sich noch erdreistet mir zu unterstellen, dass mein Handy schon vorher kaputt war. Nochmal zur Erinnerung: Es handelt sich nicht nur um Risse im Display. Nein, Smartphone und Display wurden in wenigen Sekunden nichtsahnend voneinander getrennt. Das Display musste einen tragischen Tod durch Zersplitterung in Einzelteile erleiden. Was blieb, ist ein Scherbenhaufen.

Vielleicht wird mir auch deshalb angeboten, ein neues Handy zu besorgen. Die Familie hätte wohl viel Geld, so meine Kolleginnen. Naja, ein neues Display reicht mir. (; Etwas Gutes hat das Ganze aber: Ein Selbstversuch, denn übers Wochenende bin ich smartphonelos. Für drei Tage ohne Kommunikationsmittel, Wecker, Uhr und Musik. Schon erschreckend worauf ich jetzt alles verzichten muss.

Doch: No day is so bad, it can’t be fixed with a nap. Das traf für eine Weile sogar mal zu, denn der Kater ist nach zahlreichen Müll- und Gewürzverteilaktionen bei einem Freund von Maria untergekommen und konnte mich so nicht mehr vom Schlafen abhalten. Doof, dass er auch dort die Tapete zersört hat. Also, welcome back, bad boy. Bis Januar muss ich sein Rumgheule noch ertragen, dann zieht er hoffentlich aus. Meine Kopfhörer sind nämlich auch kaputt.

Was mir dann wirklich den Tag versüßt, oder besser gesagt weniger bitter macht, das ist Fanpost aus der fünften Klasse:

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Besser spät als nie

So Leute, ich hab lang nichts mehr von mir hören lassen. Ihr fragt euch sicher, was ich die letzten Wocheneden so getrieben habe. Und ihr kennt mich ja: natürlich waren ein paar Gammlertage dabei. Aber das braucht man halt ab und zu. (;

Vor zwei Wochen bin ich mit Melle nach Sighnaghi getrampt – eine märchenhafte, aber irgendwie auch seltsame Stadt in Kachetien. Die eng verwinkelten Straßen erinnern ein bisschen an italienische Altstädte. In Sighnaghi haben wir auch das nahgelegene Frauenkloster Bodbe besichtigt. Es ist eines der berühmtesten Klöster des Landes und wurde aufwendig restauriert. Von der wunderschönen Anlage sind wir dann die von Herbsblättern bedeckten Steinstufen zur heiligen Quelle hinuntergestiefelt.

Allerhöchstens eine halbe Stunde sind wir dort hinspaziert. Als ich den Schülern von meinem Wochenende erzählte, waren sie ganz entsetzt, dass wir gelaufen sind. Und auch die Lehrerin hat ganz verwundert geschaut. Nochmals erklärte sie mir, dass fast nur Touris wandern. Hier gelte selbst ich als wanderbegeistert und bestätige für einige scheinbar den Glauben, dass alle Deutschen gerne und viel in der Natur unterwegs sind.

Als wir unseren Sonntag mit Deaa, Melles Mitbewohner, am Schildkrötensee verbrachten, konnten wir dank einem Trampelpfad einen kleinen Berg erklimmen. Unser Freund aus dem Libanon studiert seit über zwei Jahren hier und kennt den ein oder anderen Geheimtipp. Es ist doch erstaunlich, wie schnell man aus der Stadt herauskommt. Einen atemberaubenden Blick hat man von da oben!

Einmal sind wir auch nach Rustavi, eine Stadt ganz in der Nähe von Tbilissi, gefahren. Im Rahmen der europäischen Kulturwoche wurde dort ein Feuertheater aufgeführt. (: Auf dem Rückweg hatte ich meinen ersten Kontakt mit der hier überall präsenten Polizei, die total stolz auf ihre neuen Autos ist und selbst wenn sie nur am Straßenrand steht oder ziellos herumfährt, Blaulicht anlässt. Achso, don’t panic, wir waren wohl nur zu schnell unterwegs.

Um Mama mal vorweg zu greifen:

„Set your life on fire. Seek those who fan your flames.“ – Rumi

Neid ist die beste Form der Anerkennung

გაგიმარჯოს (Gagimardschoss) – ja, auch zur Begrüßung wird sich hier schon zugeprostet!

Wenn ich so über den Flohmarkt an der trockenen Brücke schlendere oder die Frau an der Eingangstür der Schule mich anquatscht, merke ich wieder, dass es schon hilfreich wäre, besser Georgisch zu können. Irgendwie mache ich trotz zweimaligem Sprachunterricht in der Woche nicht so große Fortschritte. Vielleicht, weil ich nicht mehr so ans Lernen gewöhnt bin. :D Mal ehrlich, die Sprache ist gar nicht so leicht, auch wenn die Schrift unglaublich schön aussieht.

Doch auch die verschnörkelten Buchstaben können mich nicht wirklich motivieren. Und dabei kenne ich hier ein paar Leute, die mindestens drei Sprachen flüssig sprechen. Ein Freund aus dem Libanon beherrscht Hebräisch, Arabisch, Georgisch, Englisch und Russisch. Davon hat er sich die Hälfte selbst beigebracht und gerade lernt er noch Deutsch. Hats off to you – schon ziemlich cool und irgendwie beneidenswert und trotzdem kann ich mich nicht zum Lernen aufraffen. Hier gibt es auch einfach viel zu tolle Alternativen zum Zeitverbringen… :D

BeFunky Collage

Spaß hat unsere fünfköpfige Truppe jedenfalls; ob beim Tiermemory-Spielen oder beim georgischen Kochen in der Wohnung unserer herzlichen Lehrerin Lika. Natürlich kommt man um das trockene Grammatiklernen, das selbst laut Muttersprachlern sehr schwer sein soll, nicht herum – doch so ist das nun mal. Dienstags und donnerstags von halb sieben bis acht lässt sich das mit einer Tasse Tee schon aushalten.

Das Einzige was leicht ist, und auch alle Gender-Liebhaber erfreuen wird: In der georgischen Sprache existieren keine Artikel und keine Unterscheidungen zwischen „er“, „sie“ oder „es“. Ob sich ein Gespräch um eine männliche oder weibliche Person dreht, muss man also schon selbst ausklügeln. (;

Mein Lieblingswort ist ბუ (ausgesprochen: bu). Das bedeutet Eule. Es gibt übrigens kein georgisches Wort für wandern – das machen hier nur die Touris. Entweder man wird dabei von Vorbeifahrenden etwas verwirrt angeschaut oder die Autos halten an und die Fahrer wollen dich mitnehmen…