Neues aus Bolivien
Hallo,
leider ist schon wieder viel Zeit vergangen, seit ich das letzte Mal geschrieben habe. Ich habe hier irgendwie selten Zeit, mich mal länger an den PC zu setzen, was natürlich auch seine Vorteile hat, weil das bedeutet, dass mir hier nicht langweilig ist. Seit ich das letzte Mal geschrieben habe, ist schon wieder so viel passiert, das ich nicht weiß, wo ich anfangen soll und was ich erzählen soll.
Ich fange einfach mal da an, wo ich aufgehört habe.
Ich habe meine ersten zwei Wochen in Sucre verbracht, wo ich jeden Vormittag Sprachkurs hatte und nachmittags Einführung in meine Arbeit an der PASCH- Schule. Im Sprachkurs habe ich komplett noch einmal die Grammatik wiederholt, was mir ganz gut getan hat, weil ich doch vieles schon wieder vergessen habe. Auch das die Lehrerinnen nur Spanisch konnten, fande ich sehr angenehm. Jedoch habe ich natürlich außerhalb des Sprachkurses immer viel Deutsch mit den anderen Freiwilligen geredet, was dann natürlich nicht so vorteilhaft war. Aber naja, ich finde, man kommt sich ein wenig komisch vor, wenn man mit anderen Deutschen versucht sich auf Spanisch zu unterhalten, wenn es auf Deutsch doch viel einfacher geht. Der Einführungskurs am Nachmittag war super, ich habe viel über Didaktik und Methodik erfahren und wusste dann auch endlich, was ich genau an der Schule machen soll. Ich werde vorallem für Unterrichtsmaterialherstellung und Projektarbeit zuständig sein, was ich ganz gut finde. Meine beiden Chefs hier ( Katja und Gerhard vom Goethe- Instiut ) sind total locker drauf und es hat wirklich sehr viel Spaß gemacht mit Ihnen zu arbeiten.
Sucre gefällt mir sehr gut. Dadurch, dass wir im Zentrum gewohnt haben, konnten wir wirklich alles zu Fuß machen. Wir sind abends immer essen gegangen. Es gibt sehr viele schöne Bars und Restaurants in Sucre, vorallem kann man sich bei den Preisen auch ganz gut was leisten ( Cocktail 1 Euro, zweigängiges Mittagessen mit Getränken 2 Euro, Kino 1 Euro ). Ich glaube, wenn ich wieder in Deutschland bin, werde ich das Gefühl haben, mir nichts mehr leisten zu können und kein Geld zu haben. In Sucre habe ich auch wahnsinnig schnell sehr viele nette Leute kennen gelernt. Sucre ist ein international sehr begehrtes Reiseziel und dadurch sind in den Bars wirklich alle Nationen vermischt (Amis, Engländer, Deutsche, Hebräer etc.), aber die Einheimischen stört das überhaupt nicht, die sind wirklich bei jedem Neuankömmling wieder total freundlich und freuen sich, wenn sie ihr Englisch oder Deutsch verbessern können und wenn der Neuankömmling Interesse an Kultur und Sprache, geben sie bereitwillig Auskunft. Bei ein paar Bolivianern, die ich kennen gelernt habe, hatte ich sogar das Gefühl, sie haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, den Touristen möglichst viel über die Kultur in Bolivien beizubringen, indem sie mit ihnen in Museen gehen etc.
Bolivien ist wirklich wahnsinnig interessant. Es gibt an die 20 Sprachen, die immer noch gesprochen werden und weit aus mehr verschiedene Kulturen. Das liegt vorallem natürlich daran, das die territorialen Begebenheiten auch so variieren, also vom Hochland bis zum Regenwald, da ist das ja natürlich klar, dass unterschiedliche Gattungen mit unterschiedlichen Kulturen entstehen. Die meisten wachsen hier zwei- bis dreisprachig auf. Am meisten beeindruckt hat mich die Band Los Masis. Die Masis versuchen die traditionellen Instrumente, die traditionelle Musik aus jedem Teil Boliviens und die traditionelle Kleidung aufrecht zu erhalten. Dies verwirklicht die Band, indem sie in traditioneller Kleidung mit traditionellen Instrumenten sehr gut auftreten. (Die Band ist sehr beliebt bei der Bevölkerung Sucres und sie haben viele Auftritte in ganz Bolivien, sie waren auch letztes Jahr auf Deutschlandtour) Gleichzeitig arbeiten sie aber mit Kindern, die vom Land in die Stadt kommen, um zu arbeiten. Diese Kinder müssen sich total anpassen, um in der Stadt Anschluss zu finden. Das bedeutet, sie müssen Spanisch lernen und verlieren ihre eigene Stammessprache, sie legen ihre traditionelle Kleidung ab und tragen westliche Kleidung, hören westliche Musik etc. Die Masis bringen ihnen bei Spanflöte zu spielen und mit in der Band zu spielen. Somit verdeutlichen sie den Kindern, dass sie stolz auf ihre Sprache und Kultur sein sollen und diese auf keinen Fall vergessen werden soll. Gleichzeitig fördert das natürlich auch die Toleranz, weil aus allen Teilen Boliviens die traditionelle Musik gespielt wird.
Ich vermisse Sucre ein wenig, weil ich da so schnell, soviele nette Leute kennen gelernt habe, allen voran die Bandmitglieder der Masis. Hier in Cochabamba kenne ich noch kaum jemand in meinem Alter und sitze abends immer zu Hause und beschäftige mich irgendwie. Auch wohne ich hier so weit weg vom Zentrum, das es mit weggehen immer ein wenig schwierig ist.
Am letzten Wochenende in Sucre haben wir(Hannah, Stefan, Konstantin, die 2 Chefinnen vom ICBA, einer der Masis, noch eine andere Freiwillige und die zwei Kinder der Köchin) einen Ausflug aufs Land gemachtDas war sehr schön. Die Landschaft ist wirklich total anders.Und ich bin endlich mal wieder zum Reiten gekommen.
Nach diesen zwei Wochen Sucre sind Stefan, Hannah und ich zusammen nach La Paz gefahren. Wir mussten nämlich dort zur deutschen Botschaft, um unser Visum zu verlängern. Wir sind mit dem Bus (der braucht so etwa 12 Stunden von Sucre nach La Paz) über Nacht gefahren. Das ist hier echt super, die Buse haben sitze, die man fast zu Betten umbauen kann, die meisten fahren über Nacht, weil man da eigentlich echt ganz gut schlafen kann, außer natürlich man möchte etwas von der Landschaft sehen. Diese 12 Stunden- Fahrt hat mich 8 Euro gekostet, super was? Da sollte sich die DB mal was von abschneiden. Das einzige nervige an diesen Busfahrten ist, das immer ein Film gezeigt wird (in ganz Bolivien gibt es übrigends keine Orginalfilme oder Orginalcd´s, nur Raubkopien für 50 Cent, aber die in ganz normal gemieteten Läden und in riesiger Auswahl). Naja auf den Busfahrten nachts werden leider immer Kriegsfilme oder Aktionfilme wie Rambo gezeigt und das in was einer Lautstärke. Ich bin da ja leider sehr empfindlich und man kann sich vorstellen, dass man nicht besonders gut einschlafen kann, wenn man die ganze Zeit Maschinengewehre und vor Schmerz schreiende Menschen hört und unweigerlich dann auch sieht. In den Busen fahren natürlich auch immer kleine Kinder mit, aber beschweren tut sich deswegen hier keiner. Die armen Kinder.
Wir sind jedenfalls gut in La Paz angekommen und mit unserem Visa hat auch alles geklappt. Gewohnt haben wir in dem Internat der Schule, wo Hannah arbeiten wird. Ich fand das sehr interessant. In dem Internat gibt es immer sogenannte Senoritas aus Deutschland, die in der Schule (4500 Schüler) und im Internat helfen. Die wohnen zu fünft in einer Wohnung für drei. Das bedeutet, Hannah schläft im Moment direkt neben dem Esstisch im Wohnzimmer. Die Kinder im Internat sind total ausgehungert nach Liebe und freuen sich riesig, wenn du sie besuchst. Ich bin einmal mitgegangen zum Vorlesen und in Bettbringen und wurde sofort abgeknutscht etc. Es wird auch jeden Abend darum gestritten, in welchem Bett die Senorita zum Vorlesen sitzt.
La Paz ist auf jeden Fall eine besondere Stadt, so bunt, vielfältig und durch diese Höhe und Berge, wirklich einzigartig. Ich habe aber leider nur gefroren, weil ich nicht darauf eingestellt war, nach Sucre nach La Paz zu fahren. Deswegen habe ich mir gleich ein Pulli aus Baby-Alpacafell und eine für mich massgeschneiderte Lederjacke (für 45 Euro) gekauft. Leider kann ich das hier in Cochabamba gar nicht nutzen, weil wir hier im Moment 30 Grad haben.
Obwohl ich nur drei Tage in La Paz war, habe ich doch einiges gesehen. Ich werde aber auf jeden Fall noch einmal hinfahren, um die Stadt besser kennen zu lernen. Übrigends herrscht in La Paz absolutes Verkehrschaos, wobei 95% der Autos aus Taxis oder Minibusen besteht. Das müsst ihr euch mal vorstellen über Taxis und Buse. Übrigends ist das neueste Auto, was ich bis jetzt in Bolivien gesehen habe, ein drei Jahre alter Mercedes. Also wenn ich hier mit unserem Auto fahren würde, würden sich glaube ich, alle nach mir umdrehen. Generell muss man hier wirklich aufpassen, also anschnallen tut sich niemand, ich hab auch schon Taxis gesehen, die einen Fernseher neben dem Lenker eingebaut hatten, der immer läuft. Also kontrolliert wird hier der Verkehr überhaupt nicht, alle fahren wie sie wollen. Ich versuche immer noch die Verkehrsregeln zu kapieren, wer weiß vielleicht fahre ich auch mal, aber ich habs noch nicht ganz raus. Ein bolivianischer Freund hat mir mal gesagt, hier haben alle Vorfahrt und ich glaube, das stimmt echt. Der Frechere und Stärkere gewinnt (und das hat hier überhaupt nichts mit der Größe des Autos zu tun). Naja ich schweife immer ab, aber es gibt leider echt immer so wahnsinnig viel zu erzählen.
Seit fast zwei Wochen bin ich also wieder hier in Cochabamba. Meine Familie, mein Zimmer, das Haus und die Gegend hier gefällt mir sehr gut. Generell muss ich sagen, dass mir Cochabamba sehr gut gefällt, im Moment blüht hier alles, es scheint immer die Sonne, jeden Tag 30 Grad. Genau das, was ich brauche. Für mich hat die Stadt irgendwie auch einen besonderen Flair. Naja mit meiner Gastfamilie verstehe ich mich super, vorallem mit meiner Gastmutter. Sie ist wirklich total herzlich und kümmert sich sehr gut um mich. Im Moment bringt sie mir jeden Abend folklorische Tänze bei, weil ich die unbedingt lernen will und sie trainieren will, da sie im März 60 wird und an dem Tag will sie nur tanzen, meint sie. Leider ist das mit dem Geld noch nicht ganz geklärt. Meine Familie meint, das wenn sie alles genau ausrechen ich 320 Dollar, den Monat bezahlen müsste. Ich glaub ihnen das auch. Es ist wohl wirklich eine sehr teure Gegend hier. Naja aber ich kann mir das nicht leisten, weil ich ja auch noch reisen will und man kann hier wirklich von 150 Dollar im Monat tadellos leben. Ich hätte auch schon andere Angebote, aber meine Gastmutter will auf keinen Fall, das ich ausziehe, weil wir uns so gut verstehen und sie will, das ihre Familie meine bolivianische Familie wird und mir gefällt es hier auch so gut, fühle mich schon sehr heimisch hier. Ich will aber nicht, das die Familie für mich drauf zahlt…da würde ich mich sehr schlecht fühlen. Dieser Konflikt steht im Moment vor mir und macht mich ein wenig traurig, weil ich wirklich nicht weiß, wie ich reagieren soll. Ich hab ihnen schon gesagt, das ich 200 Euro im Monat zahlen könnte (was hier wirklich wahnsinnig viel Geld ist, alle meine bolivianischen Freunde meinten, ich solle auf keinen Fall mehr als 150 Euro zahlen, meine Kolleginnen an der Schule verdienen im Monat 180 Euro und leben davon gut), irgendwie glaub ich auch wieder nicht, das es wirklich so viel Geld ist, was ich verbrauche, ich meine von dem Geld könnte ich mich im Hotel einmieten und jeden Tag essen gehen. Mal sehen….
Nun zu meiner Arbeit. Im Moment ist meine Schule geschlossen, weil vier Schüler die Schweinegrippe haben und somit die ganze Schule desinfiziert wird. Ich muss aber für ein Projekt arbeiten, das kann ich auch zu Hause. Im Moment befindet sich die Schule im Endspurt, es sind nur noch zwei Wochen Schule und im Moment werden alle Examen geschrieben. Die Schule nennt sich deutsche Schule, aber das Niveau ist wirklich sehr schlecht. Nach elf Jahren Deutschunterricht können die Schüler nur Präsens. Das liegt zum einen daran, dass die Schüler wirklich sehr undiszipliniert sind und nichts für den Deutschunterricht machen, zum Beispiel kennen es die Schüler hier nicht, dass man Vokabeln lernen muss. Infolgedessen wiederholen die Lehrer ständig dasselbe, weil es die Schüler nicht können, dies langweilt die Schüler und desmotiviert sie. Die Schüler haben in der 5. und in der 11. Klasse dasselbe Buch, ich glaube, das würde mich auch desmotivieren. Jetzt überlegt die Schule, bzw. die Eltern (die einen großen Einfluss haben, dadurch, dass es eine Privatschule ist) Englisch abzuschaffen, weil die armen Schüler sind ja so überfordert mit allem. Ich würde sagen, das ist der größte Fehler, den sie machen können. Englisch beherrschen die Schüler noch einigermaßen. Es kommt sehr darauf an, mit welchen Klassen und mit welchen Lehrern ich zusammen arbeite, ob mir die Arbeit Spaß macht. Es gibt Lehrer, die schreien die ganze Zeit, was überhaupt nichts hilft und mir nur Kopfschmerzen macht. Aber mit den jüngeren Klassen arbeite ich gerne, die sind noch sehr interessiert und lernen schnell. Generell muss ich leider sagen, ist meine Schule wirklich nur was für die Reicheren hier und meine Arbeit ist überhaupt nicht sozial, was ich sehr schade finde. Trotzdem ist sie interessant und ich weiß jetzt auf jeden Fall, dass ich nicht Lehrerin werden will. Deswegen habe ich mich noch nach etwas Sozialem umgeschaut und heute mein ersten Arbeitstag in einem Internat für Straßenkinder gehabt. Diese Arbeit ist wirklich was komplett anderes. Ich werde nun immer von acht bis um zwei in der Schule arbeiten und danach so ab vier in diesem Internat. Das Internat sammelt Kinder von der Straße auf, die von zu Hause abgehauen sind oder ähnliches. Die Kinder können im Internat eine Weile wohnen und die Organisation bemüht sich Adoptionseltern oder Pflegeeltern für diese Kinder zu suchen. Solange die Kinder dort wohnen, haben sie keine Schule (die sie davor auch nicht hatten). Sie müssen helfen, zu putzen, zu kochen, ihre Wäsche zu waschen etc. Ihnen wird vorallem Disziplin beigebracht… Die meisten Kinder können nicht lesen und schreiben und zum Teil ist ihr Spanisch sehr schlecht, was es mir nicht besonders leichter macht. Ich habe mir aber auf jeden Fall vorgenommen, den Kindern, die es wirklich wollen, schreiben und lesen beizubringen….Mal sehen, was aus diesem Vorsatz wird. Die Kinder haben zum Teil sehr schwere Schicksale erlebt. Heute hat zum Beispiel ein Junge sehr viel geweint, ich habe dann ein wenig mit ihm geredet und er hat mir erzählt, das seine Eltern nicht genug Geld für ihn und seine drei Geschwister hatten. Und seine Mutter somit ihn (den Ältesten) in das Internat gegeben hat, damit die Leute ihm Pflegeeltern suchen. Er ist natürlich sehr traurig und vermisst seine Familie sehr. Ich mein, was kann ich da schon groß sagen, außer das er tapfer sein muss und es bessere Zeiten geben wird. Wie schlimm muss das sein, wenn man von seinen eigenen Eltern weggegeben wird.
Ich werde da bestimmt noch andere Schicksale kennen lernen.
Ich bin sehr gespannt, wie das alles weiter läuft.
Ich denke sehr viel an euch!
Saludos y Besitos Claudia