Vom Sommer in Bolivien und Straßenblockaden

Halli-hallo meine lieben Blogleser*innen! Lang ist der letzte Eintrag her und viel ist seitdem passiert…..

In den letzten Monaten bin ich durch viele Hochs und Tiefs gegangen, bin über mich selbst hinausgewachsen, hab Land und Leute noch intensiver kennengelernt und schlussendlich kann ich sagen: Ich habe mich ein klein wenig in Bolivien verliebt. Und während ich vor einem Monat kaum abwarten konnte, wieder in Deutschland zu sein, macht mich der Gedanke an meinen Rückflug heute traurig. Denn plötzlich ist meine Zeit in Bolivien schon fast zu Ende. In knapp 2 Wochen sitze ich wieder im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland und lasse alles, was ich in so schneller Zeit kennen und lieben gelernt habe, genauso schnell wieder los. Irgendwie verrückt, wie man durch Zufall an einen Ort geschickt wird und sich ein Leben aufbaut, um am Ende wieder in sein gewohntes Umfeld in Deutschland zurück zu fliegen und alles zurück zu lassen. Bevor es aber so weit ist, versuche ich hier nochmal meine schönsten, intensivsten und aufregendsten Momente aus den letzten Monaten festzuhalten.

Anfang Dezember haben die Sommerferien in Bolivien angefangen und auch ich nutzte die Gelegenheit, um Land und Leute näher kennenzulernen.

Irgendwie komisch, dass in Deutschland die Adventszeit anfing, während ich mit anderen Freiwilligen das Land bereiste. Denn während in Deutschland alles weiß verschneit war, wanderte ich schwitzend durch die Berge eines Nationalparks, verbrannte mir die Füße auf Sanddünen und fuhr gemeinsam mit meinen Eltern durch die menschenleere Natur des Salar de Uyuni. Nur die kitschige Weihnachtsbeleuchtung aus den Städten erinnerte mich daran, dass Weihnachten vor der Tür stand.

Man kann kaum beschreiben, wie unglaublich vielfältig Bolivien ist. Die Klimazonen und Landschaften ändern sich in diesem Land wie ich meine Socken. Von tropischen Regenwäldern mit stechenden 40 Grad über mediterrane Landschaften auf 2000 Metern über menschenleere Salzwüsten, bunte Lagunen und trockene Felslandschaften auf 4000 Metern Höhe. Auf einer Bolivien-Rundreise fühlst du dich, wie auf einer Reise durch 5 verschiedene Länder. Und ich glaube genau das fasziniert mich so an diesem Land.

Mit den anderen Freiwilligen fuhr ich nach Samaipata, einem kleinen Städtchen in der Nähe von Santa Cruz. Hier ging es für mich das erste mal ins Grüne, da ich sonst nur die Natur in einer Höhe von über 3000 Metern kennengelernt hatte und dort zwar Lamas und Alpakas leben, aber sonst nur Gestrüpp wächst. Samaipata wirkte auf mich wie eine kleine Freiheitsinsel. Hier leben super viele Europäer*innen, die ausgewandert sind. Irgendwie geht dadurch die typische bolivianische Kultur, wie man sie aus Oruro oder La Paz kennt, verloren, doch das Leben hier wirkte auf mich super friedlich und ausgeglichen. Unsere Tageswanderungen aus Samaipata führten uns in den Nationalpark Amboro. Innerhalb von 2 Tagen tauchten wir in komplett unterschiedliche Klimazonen ein, denn es kann in Bolivien sein, dass du nach einer Stunde Autofahrt das Gefühl hast, in einem ganz anderen Land zu sein, da die Klimaunterschiede so extrem sind. Neben Sonnenbrand, einer verlorenen Schuhsohle und einem Tausendfüßler in meinem Bett, belohnten uns unsere Tageswanderungen mit einem unvergesslichem Ausblick. Weit und breit keine Menschenseele, nur wir mitten in der Natur.

Die atemberaubende Natur, die Bolivien zu bieten hat, erkundete ich einige Wochen später, gemeinsam mit meinen Eltern auf einer 3-Tagestour zum Salar de Uyuni. Der Salar de Uyuni ist mit 10.000 Quadratkilometern der größte Salzsee der Welt und wirkte wie von einem anderen Planeten.

Doch neben den wunderschönen Eindrücken auf der Tour, beschäftigte mich eine andere Sache sehr. Neben all den positiven Seiten, die Bolivien zu bieten hat, kann oder sollte man die Realität nicht aus den Augen verlieren. Durch mein Umfeld bewege ich mich hauptsächlich in der privilegierteren Schicht Boliviens, doch das Land ist und bleibt ein Entwicklungsland. Die Schere zwischen Arm und Reich ist erschreckend groß und überall in Bolivien sichtbar. Auf unserer Tour durch den Salar de Uyuni ist mir abermals bewusst geworden wie unendlich privilegiert wir im Westen leben. Die Arbeitsbedingungen in einigen Berufen in Bolivien, wie z.B. die des Guides auf unserer Uyuni-Tour, erinnern, soweit ein touristisches Auge das beurteilen kann und aus westlicher Sicht, an Ausbeutung. Während privilegierte Touristen Urlaub in Bolivien machen, schuften sich die Einheimischen ihren Arsch ab, um die Touristen zufrieden zu stellen. Es fühlt sich irgendwie falsch an, wie wir in Europa über eine 4-Tage-Woche diskutieren, während am anderen Ende der Welt Menschen 20 Tage am Stück gefühlt 24 Stunden am Tag arbeiten (nach 20 Tagen gibt es 4 Tage frei) und dabei nur einen Bruchteil soviel wie in Europa verdienen. Die Welt ist unfair und gemein und wir sind total verweichlicht!

Ich nutzte die Sommerferien auch, um meinen Sprachkurs zu machen. Da es in Oruro leider keine Sprachschule gibt, beschloss ich, in Cochabamba den Sprachkurs zu absolvieren. So wohnte ich für eine Woche in Cochabamba, wo ich mittlerweile auch meine kleine Freundesgruppe aus Bolivianern und Internationals gefunden habe. (Mit Freund*innen in Oruro hatte ich bis dato irgendwie nicht so viel Glück.) Nach einer Woche Sprachkurs beschlossen wir noch über das Wochenende in der Nähe von Cochabamba campen zu gehen. Nach ganz viel Fleisch auf dem Grill und 2 Nächten ohne Isomatte oder Schlafsack, fuhren wir am Montag wieder zurück nach Cochabamba. Mein Plan war es, am gleichen Tag noch von Cochabamba zurück nach Oruro zu fahren, doch leider machten Straßenblockaden einen Strich durch meinen Plan. Da der Ex-Präsident Evo Morales sich nicht für die nächsten Präsidentschaftswahlen aufstellen lassen darf, wurde zu Landesweiten Blockaden aufgerufen. Ni modo, dachte ich. Eine Nacht mehr oder weniger in Cochabamba ist ja nicht so schlimm. Doof nur, dass die Blockaden am Dienstag nicht wieder aufgelöst wurden und es auch nicht bekannt war, wie lange die Blockaden anhalten würden. So schloss ich mich mit einer anderen Freiwilligen aus Tarija, die genau wie ich in Cochabamba feststecke, zusammen. Gemeinsam lebten wir von Tag zu Tag, übernachteten in Hostels, bei Freunden oder im AirBnb, in der Hoffnung bald zurück in unsere Städte fahren zu können. Groß und breit wurde angekündigt, am nächsten Montag würden wieder Busse fahren können, also warteten wir. Hoffnungsvoll gingen wir am Montag zum Busbahnhof, doch der sonst von Menschenmassen überlaufene Bahnhof war wie leergefegt. Es fuhr kein einziger Bus. Also noch eine Nacht in Cochabamba… Am Dienstag entschied ich mich dann mit einem Minivan über eine Umleitung nach Oruro zu fahren. 7 bis 8 Stunden sollte die Fahrt dauern, aber von einem Abenteuer, das ich so schnell nicht mehr vergessen werde, war nicht die Rede. So fand ich mich am Dienstag Nachmittag mit 10 Bolivianer*innen in einem altem, schrabbeligen Bus, der für den Stadtverkehr gedacht war, ohne Federung, Bewegungsfreiheit oder Heizung wieder. Nach knapp 10 Stunden auf einer Schotterpiste durch die Berge irgendwo zwischen Cochabamba und Oruro landeten wir schließlich auf einer gepflasterten Straße, die uns an unser Ziel bringen sollte. Erleichtert darüber, dass ich die kurvigen Wege am Abhang der Berge im Nebel und nur im Autoscheinwerferlicht überlebt hatte, war ich fest davon überzeugt, dass wir bald doch noch mehr oder weniger gut ankommen würden und das Schlimmste hinter uns hatten. Leider ging es nur dann doch nicht so einfach weiter. Felsen und Steine „zierten“ die Straße. Man hatte einen Berg so gesprengt, dass die Durchfahrt über die Straße kaum möglich war. Vor uns hatten aber auch schon andere die Idee, über diese Straße nach Oruro zu fahren, so hieß es auch für uns mit den Händen Steine wegräumen und Slalom fahren. Doch auch das half nur bis zu einem Punkt, an dem wir von Felsen und Menschen aufgehalten und nicht durchgelassenen wurden. Zu diesem Zeitpunkt, durchgefroren und übermüdet von der bereits 12h langen Fahrt, hatte ich keine Ahnung mehr was passiert und ob wir jemals ankommen würden oder womöglich umdrehen müssten. Trotz Diskussionen mit den 5 Menschen, die die Straße blockierten, drehten wir um. Ein anderer Weg sollte uns laut Auskunft ans Ziel bringen. Mittlerweile fuhren wir schon in Richtung Morgendämmerung. Wir bogen schließlich von der asphaltieren Straße auf eine Steinpiste, die nur annähernd einer befahrbaren Straße glich, ab. Die Straße erlaubte dem klapprigen Bus nur eine Geschwindigkeit von knapp 30kmh zu fahren, so protestierten nach 10 Minuten einige Fahrgäste. Wir sollten umdrehen und an den Blockaden vorbeilaufen, in der Hoffnung auf der anderen Seite der Blockaden einen Bus zu finden, der uns ans Ziel bringen sollte. Zurück bei den Blockaden ließen wir also alle bis auf 3 Leute raus und fuhren mit den verbliebenen zurück auf die Holperpiste. Nach 5 Stunden sollte uns diese Straße ans Ziel befördern. Irgendwann ging es nur leider nicht weiter, weil der Weg so matschig wurde, dass unsere Reifen durchdrehten und nicht den Berg hochfahren konnten. So hieß es aussteigen und anschieben. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jegliche Hoffnung aufgegeben, dass wir noch ans Ziel kommen würden. Doch nach einer Stunde vergeblicher Versuche, den Berg hochzukommen, schafften wir es tatsächlich und konnten weiterfahren. Um die Odyssee etwas abzukürzen: nach über 20 Stunden erreichten wir tatsächlich das gute alte Oruro, wo ich komplett übermüdet in mein Bett fiel.

Heute, 3 Tage später, habe ich den Horrortrip etwas verarbeitet. Hier hat mittlerweile offiziell die Karnevalszeit begonnen, d.h. ganz viel Alkohol und jeden Tag feiern. Aber von meiner Karnevalserfahrung werde ich in meinem letzten Beitrag berichten. Für jetzt heißt es Daumen drücken, dass sich die Blockaden bis zum großen Karnevalsact auflösen, damit ich Besuch aus ganz Bolivien empfangen kann.

Bis ganz bald im kalten Deutschland!

Lg von mir und meinem Freund

 

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