Beobachtungen: Frauen(rollen)

„Dhaka ist nicht Bangladesh. Du musst in die Dörfer fahren, da lernst du Bangladesh kennen.“ So oder so ähnlich wird es mir immer wieder erzählt. Nicht selten wird mir „das Dorf“ als ein Paradies ausgemalt – mit grünen Feldern, neugierigen Kindern, gastfreundlichen Familien und idyllischer Ruhe. Was soll ich sagen? Stimmt wohl. Zumindest auf den ersten Blick.
Mehr als einen Streifzug auf die Dörfer haben Zeit und politische Situation bisher nicht zugelassen. Aber, liebe Bangladeshis, Dhaka ist auch nicht so schlecht. Auf den zweiten Blick zumindest. Deswegen nun ein paar Feldnotizen aus der Großstadt (Megacity?). Würde der folgende Beitrag eine wissenschaftliche Arbeit werden, so wäre dies sein Titel:
Ethnografie der Frauen Dhakas.
Unvollständige Feldnotizen.

Dhaka ist bunt. Ihre Frauen auch. Salwar Kameez, Saree, Niqab, Hijab, Tschador, Jeans und T-shirt – alles in den buntesten Farben, Mustern und deren Kombinationen, von denen wir in Europa noch nicht geträumt haben. Der Salwar Kameez und der Saree sind die beliebteste Bekleidung. Wobei vor allem Mädchen und junge Frauen den Salwar Kameez (gespr. Schalwar Kamez) bevorzugen. Dabei handelt es sich um ein dreiteiliges Kleidungsstück mit einer Hose die je nach belieben pluderig oder eng geschnitten ist. Darüber wird ein Tunika ähnliches Oberteil getragen, dass mindestens das Gesäß bedeckt. Dazu gehört ein Tuch quer über beide Schultern, oder lässig nur über eine Schulter gelegt. Gerne haben die Hose und das Oberteil unterschiedliche Muster und Farben. Das Tuch hält beides ästhetisch zusammen, da es zumeist die verschiedenen Muster und Farben in sich vereint. An diesem Vorbild orientiert sich auch die Jeans und T-shirt Mode. Selten habe ich ein Oberteil gesehen, welches nicht zumindest den Po bedeckt hat und häufig wird auch ein Schal dazu kombiniert.
Ein Saree (gespr. Schari) besteht aus einem knöchellangen Unterrock, einer bauchfreien Bluse und einer meterlangen Stoffbahn, die nach vielen verschiedenen Methoden in und um Unterrock, Bluse und Frau gewickelt werden kann. Zumeist von älteren und verheirateten Frauen getragen und zu Festivitäten von unzähligen weiblichen Wesen. In diesen Kleidungsstücken bewegen sich Frauen auf eine ganz eigene Art und Weise. Im Salwar Kameez z.B. muss eine Frau sehr aufrecht gehen, sich anders hinsetzten, bücken und gestikulieren, damit ihr das Tuch nicht ständig von den Schultern rutscht. (Über den Saree schreibe ich ein anderes Mal, wenn ich es selbst ausprobiert habe.)

Es gibt jene Frauen, die diese Kleidungsstücke mit viel Spitze, Glitzer, Rüschen und Tannt verzieren; dazu schöne Flip Flops oder Sandalen mit Steinchen, Blumen und Allerhand. Auf der anderen Seite, gibt es die, deren Kameez oder Saree verwaschen sind. Bei dem die Muster der verschiedenen Teile nicht zusammen passen und die einfache Gummilatschen tragen. Diese Frauen kommen aus den Slums oder von der Straße. Sie sind wahrscheinlich gerade auf dem Weg in eines der Apartments der Frauen, die zuvor beschrieben wurden, um dort zu putzen, zu kochen, Kinder zu hüten etc.

In den Shops in Dhaka sitzen keine Frauen, auch an den Teeständen nicht, bei den Straßenschneidern nähen sie nicht und sie lenken keine Rikshaw, keine CNGs, keine Autos keine Busse. Ich kenne zwei Frauen, die arbeiten beim Konditor „Cooper’s“ auf der Mirpur Road und es gibt die Frauen im Camouflage Salwar Kameez, ich habe zwei gesehen. Und auf dem Werbeplakat für die Bangladeschische Luftwaffe, an dem einen Kreisverkehr Richtung Gulsan, da ist eine eine Frau drauf. Ansonsten arbeiten die Frauen in Dhaka im „geschlossenen“, privaten Raum Im Beauty Palour oder in den Häusern der Reicheren, nicht zuletzt in den Fabriken. Während die Männer in der Öffentlichkeit, im offenen Raum ihr Geld verdienen. Frauen, deren Männer es sich leisten können, müssen nicht arbeiten. Unverheiratete Frauen, die vielleicht studieren, helfen auch mal im Supermarkt aus. Hier im Shwapno die Straße hoch, gibt es ein paar verschüchterte Mädchen „Can I help you Mam?“ – aber nicht an der Kasse, nur im Verkaufsraum.
Natürlich arbeiten Frauen auch als Ärztin, Lehrerin, Büroangestellte, und als was weiß ich noch. Dennoch gehören sie häufig nur als Passanten ins Straßenbild, nicht als fester Bestandteil.

Es gibt noch die Frauen, die in ihrer verwaschenen Kleidung Löcher haben und die nicht einmal Gummilatschen tragen. Sie arbeiten im informellen Sektor neben den Männern unter freiem Himmel, im öffentlichen Raum und verkaufen Handtücher oder Blumen, Fächer oder Wasser an die Menschen die im Stau stecken geblieben sind.

Ich als Frau hier, passe da überall nicht rein. Wenn ich nicht diese furchtbaren Flip Flops trage, die ich mir hier gekauft habe und die mir die Füße aufreiben, dann mache ich große, energische Schritte und laufe viel zu schnell. Ich trage meine Umhängetasche quer über der Schulter, während Frauen hier ihre Tasche nur auf einer balancieren. Noch dazu habe ich ständig mit meinem Tuch zu kämpfen, weil ich nicht gelernt habe mich so zu bewegen, dass es nicht ständig von meinen Schultern rutscht.
Das die Frau immer zu einem Mann gehört (Vater oder Ehemann) ist in vielen Köpfen drin. Selbst wenn es vermehrt Bangladeshis abstreiten, mit der Begründung sie mögen diese „traditionellen“ Muster nicht. Ein Vergleichsversuch: Ein deutscher Mann der bei einem Film weint, oder sich selbstverständlich an die Nähmaschine setzt und den Faden einspannt – das finden wir nicht weiter schlimm, aber es löst einen gewissen Moment der Verwirrung in unseren deutschen Köpfen aus (ohne das wir das unbedingt zugeben wollen). Ein den deutschen vielleicht unverständliches, da zu unseren Vorstellungen verschiedenes Höflichkeitskonzept verlangt nun, dass sich ein Fragender an den begleitenden Mann richtet, wenn er etwas von der Frau wissen möchte – Was habe ich den armen Kerl im Restaurant verwirrt, als er die Frage an meinen männlichen Begleiter richtete: „Apnar ki kaben?“ (Was werden Sie essen?) und ich beherzt von der anderen Seite des Tisches meine Bestellung aufgab. Da wusste er gleich gar nicht, wem er nun die Rechnung geben soll. Auch die zahlreichen Handykamerahobbyfotografen, die unsere (wenn vorhanden) männlichen Begleiter nach einem Foto von uns fragen, schauen erst einmal ganz verdutzt, wenn ich ohne zu gefragt zu werden und das Ende ihrer Konversation abzuwarten, zum Spaß zwischen 10 und 100 Taka für ein Foto von mir verlange. (Ich gebe zu vielleicht liegt es auch an der Forderung an sich…)
Das ich in diese Rollen nicht so richtig reinpasse und das es bisher anscheinend zu wenig von meiner Sorte gibt, als das man mir hätte eine gemütliche Schublade vorbereiten hätte können, hat Vorteile und Nachteile. Ich darf mir manchmal mehr erlauben manchmal auch weniger. Von Zeit zu Zeit haben auch Männer das Gefühl, sie dürfen mehr, wenn andere sich mir gegenüber distanzierter verhalten. Ein negativ Beispiel: Mir hässliche und/oder anzügliche Worte hinterher rufen. Zudem: Wenn dich jemand von hinten anspricht oder anruft, ist das eigentlich ein schlechtes Omen in Bangladesh – Das sind gleich zwei Unverschämtheiten auf einmal. Ih pfui (an dieser Stelle ein ironisches Zwinkern meinerseits vorstellen).

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„Dhaka is not Bangladesh. You have to see the villages, there you get to know real Bangladesh.“ Something like that people would always tell me. Very often they would describe „the village“ as a paradise with green fields, curious kids, hospitable families and idyllic peace. What can I say? As for the first glimpse they are right. I just had very little insight due time capacities and political situation. But, my dear Bangladeshis, Dhaka is not bad either. If you look closer. That’s why I will present you some fieldnotes taken from this Megacity. If this would be an piece of academic writing, it would be called: Ethnography of women in Dhaka. Uncomplete fieldnotes.

Dhaka is colourful and so are it’s women. Salwar Kameez, Saree, Niqab, Hijab, Tschador, Jeans and T-shirt – most coloful, with pattern and in combinations we didn’t even dream of in Europe. Salwar Kameez and Saree the favorites. Young woman and girls prefer the Salwar Kameez. It is a three piece. You will need trousers, which can be wide or tight, as preferred. Additionally a long tunic, which covers at least down till the bottom and a scarf worn across both shoulders, or casual just above one shoulder. It is common that tunic and trousers have different colours and pattern. The scarf will match both. This kind of fashion is also copied with the Jeans and Shirt outfit. I rarely see short shirts that don’t cover the bottom and often there will be a scarf combined with both.
The Saree consist of an ankle length petticoat, a belly blouse and an enormous piece of fabric that will be wounded around women in various kinds of ways. Often older ladies and married women would wear a saree. On festivals almost all female creatures will show off one.
In those clothes woman will move in their very own way. In Salwar Kameez for example, women have to walk upright, sit, bend and gesture in a different way, so that the scarf will not always slip from their shoulders.

There are those women who will decorate their clothes with lots of lace, glitter, quillings and thing like this; to that they will wear sandals with little stones, flowers and other beautiful stuff. On the other side, there are those women, who wear salwar kameez and saree in faded colours, of which the pattern will not match together. Those women wear simple rubber sandals. They are coming from the slums or the streets, maybe they are on their way to an apartment of the women mentioned above to clean and cook there.

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