Where YUGO, I go.

Odlazak || Abfahrt

Meine Reise beginnt, an einem wolkenverhangenen und kühlen Samstagmorgen, wohlgemerkt einen Tag vor Nikolaus. Weil ich aber meine Schuhe nicht putzen will, habe ich beschlossen meine Stiefel einmal richtig dreckig zu machen und sie nicht mehr Zuhause im Schuhregal einstauben zu lassen, sondern auf Reisen zu gehen. Es wird Zeit, dass ich mal wieder rauskomme, mal wieder irgendwo hin.
Deshalb sitze ich in einem Intercity, der mich nach München bringen soll und über viele verschiedene Umwege nach Bjelovar. Bjelovar wird für die nächsten 9 Monate  meine neue Heimat in Kroatien werden.

völliger Sonnenschein im Alpenvorland

Mit deutscher Pünktlichkeit durchquere ich Süddeutschland und gelange schließlich nach München, von wo aus meine nächste Verbindung nach Salzburg gehen soll. Schon erfasst mich der erste Kulturschock meiner Reise, als der bayrische Zugbegleiter mein Abteil betritt, in dem ich nach Salzburg fahre. Mit einem sehr, sehr, sehr starken bayrischen Akzent redet er auf mich ein. Erst, als er innehält und mich erwartungsvoll anschaut, merke ich, dass er nur meine Fahrkarte sehen will. Zum Abschied nuschelt er noch irgendwas mit: “Es gibt keinen Zugverkehr in Österreich, weil es dort 2 Meter geschneit hat…” Ungläubig schaue ich aus meinem Zugfenster auf das Alpenvorland, nirgendwo irgendwelcher Schnee. Vielleicht habe ich mich ja auch verhört, denke ich mir.

Ein bischen Schnee kann man da schon erkennen

Falsch gedacht merke ich, als ich in Salzburg am Bahnhof stehe und feststelle, dass der Zugverkehr in Mittelösterreich nicht mehr stattfindet und ein Bus mich bis nach Villach bringen soll. Wird schon klappen. Auch in Salzburg liegt nirgendwo irgendwelcher Schnee. Als gebürtiger Hallenser ist Schnee seltener als ein 6er im Lotto, deshalb freue ich mich total darauf wieder wenigstens einen klitzekleinen weißen Fleck in der Landschaft zu sehen. Dieser bleibt mir allerdings verwehrt, bis ich in den Schienenersatzverkehr steige, der in Form eines Buses auf mich wartet.

Dann plötzlich, nachdem ich aus einem der tausend Tunnel gefahren bin, die hier in Österreich die Autobahn säumen, entdecke ich den Winter. Mit voller Wucht hat er die Täler eingeschneit und der Scheibenwischer des Busfahrers kann nur mit Mühen die Windschutzscheibe vom Schnee befreien. Die Sicht ist so schlecht, dass man kaum die Gipfel der Berge erkennen kann, die aus dem Tal emporrangen. Die Wolken reichen tief in das Tal hinein und alles ist in tiefen Nebel getaucht. Trotzdem reißt hier oder dort die Wolkendecke kurz auf und belohnt mich mit einem kleinen Ausblick auf die Gipfel, die das Schneegestöber gut versteckt.

So, komme ich nach einigen Stunden in Villach an,  einer Grenzstadt, die eigentlich fast schon in Slowenien liegt. Alle Achtung, nicht nur hatte der Bus gar keine Verspätung, sondern er war auch überpünktlich. Das erlebt man selten… und schon gar nicht bei der Deutschen Bahn. Die wäre nämlich bei dem Wetter schon gänzlich zusammengebrochen.

die Drau in Villach

eine wunderschöne Stadt, leider ohne Menschen

Villach ist ein ganz charmantes Städtchen, was durch irgendeinen Fluss durchquert wird, er sieht ganz sympathisch aus, aber nach seinem Namen kann ich ihn leider nicht fragen. Auch die Stadt ist wirklich hübsch, allerdings hat sie an diesem Samstag, wo ich da bin geschlossen. Um Corona einzudämmen, haben die Österreicher ähnlich wie in Deutschland einen Lockdown verhängt. Umso komischer ist es nun als Tourist diese Stadt zu durchqueren. In gewisser Weise mache ich gerade das, was man am wenigsten machen sollte, verreisen. Meine Zugfahrt mit dem Zug quer durch Europa wäre normalerweise der Traum eines Jeden, der eine Interrail-Karte besitzt oder einmal viel von Europa kennenlernen will. Gerade würde mich dieses Unterfangen sehr schnell zu einem Superspreader machen. Ich kann mir in meinem Kopf wahrlich schon den Hass vorstellen, den die Corona-Kontaktverfolger auf mich haben müssten, wenn ich Corona-positiv durch Deutschland, Österreich, Slowenien und Kroatien reise. Ein Glück bin ich nicht positiv, zumindest hoffe ich das. Einen Tag vor meiner Abreise habe ich einen Corona-Test machen lassen, denn um in Kroatien einreisen zu können braucht man ein negatives Testergebnis, was nicht länger als 48h alt ist. Mein Problem ist allerdings, dass ich das Testergebnis noch nicht zurückbekommen habe. Ich muss also Pokern und hoffen, dass ich bis zum Abend weiß, ob ich positiv bin oder nicht.

Nach dem kleinen Stadtrundgang versuche ich anschließend meine Busverbindung bzw. meinen Bus zu finden, den die Deutsche Bahn mir gebucht hat. Doch, auch hier verläuft mal wieder nichts nach Plan. Während eine Anzeigetafel anzeigt, dass vor dem Bahnhof der Bus abfährt, entdecke ich am Steig, dass nirgendwo von dem besagten Bus nach Ljubljana eine Spur ist. Selbst meine einzige Hoffnung, die Österreichischen Schaffner, vertrösten mich mit den Worten (bitte österreichischen Akzent vorstellen): “Gehen sie zu der 2 da wird schon ein Bus fahren, wenn nicht sagen sie einfach nochmal Bescheid…”

Na prima denke ich mir und tue das, was ich am besten in solchen Situationen machen kann: Ich stelle zu der nächstbesten Gruppe an Menschen dazu und tue als würde ich auch auf deren Bus warten. In der Tat habe ich Glück, denn ich kann auf ein Phänomen bauen, was wahrscheinlich auf alle Ex-Jugo Länder zu trifft. Sobald sie aufeinander treffen, fangen sie an sich in Grüppchen zu unterhalten und angeregt zu plaudern. Bei der Gruppe, wo ich bin, wird tatsächlich Slowenisch (oder vielleicht auch Kroatisch?) gesprochen. So falsch kann ich da schonmal nicht sein. Und tatsächlich, kommt nach einer gefühlten Ewigkeit tatsächlich ein Bus. Zwar parkt er an einer komplett anderen Stelle als eigentlich gesagt und fährt auch nicht nach Ljubljana laut Fahrplan, aber als ich mit meinen paar Brocken Kroatisch: “U Ljubljana ?” (Nach Ljubljana?) frage meint der Busfahrer nur: “da da” (Ja) und signalisiert mir einzusteigen. So eine wirkliche Wahl habe ich auch nicht wirklich. Das ist schließlich der letzte Bus nach Slowenien.
05.12.2020
Deutschland-Österreich

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