Jetzt also wieder hier – Zuhause. Oder: zumindest länger als geplant noch einmal in Deutschland sein, nachdenken, essen, reden, vielleicht auch streiten. Eigentlich sollte es anders sein; sollte ich schon in Windhoek sein und es für ein knappes Jahr mein Zuhause nennen – ein, mein Leben und Mikrokosmos aufbauen.
Schon vor dem Vorbereitungsseminar musste ich notgedrungen improvisieren. Das Visum zu beantragen, verlief kompliziert – wurde es bei meinen beiden Mitfreiwilligen schon drei Wochen nach deren Antrag genehmigt, wartete ich nach drei Monaten immer noch auf ein Lebenszeichen der namibischen Behörden. Dem Goethe-Institut dauerte das wohl auch zu lange: es beauftragte eine Visums-Agentur, sich um meinen Fall zu kümmern. Aber wieder: nichts tat sich – oder zumindest nichts, von dem ich etwas mitbekam. Also wurden die Namibia National Commission for UNESCO und andere Stellen gebeten, zu unterstützen. Drei Wochen später die ersehnte Nachricht des namibischen Ministry of Home Affairs: „Your application was approved until […] to work for Goethe-Institut Namibia only.“
Wunderbar, dann kann Namibia ja kommen. Doch zu diesem Zeitpunkt machte ich noch nicht Bekanntschaft mit dem Schweben. In meinem sprudelnden Übermut dachte ich, ich könne es locker schaffen, mit dem E-Scooter über den hohen Straßenrand zu fahren. Hat geklappt, für eine kurze Zeit schwebte ich in der Luft. Und fiel auf den harten Asphalt. Notgedrungen musste ich in die Notaufnahme schwe–… fahren. Noch in der Nacht wurde ich geröntgt; einige Stunden später rief mich die Ärztin. „Die gute Nachricht: Ihr Fuß ist nicht gebrochen. … Die schlechte: Ein Teil Ihrer Handwurzel ist herausgebrochen.“ – Richtig toll, so eine Woche vor dem Vorbereitungsseminar. Aber vielleicht kann ich kulturweit-Sticker auf den Gips kleben? Na ja, the best-laid plans of mice and men often go awry.
Sticker klebte ich zwar nicht auf den Gips, aber die Menschen verwendeten ihn als icebreaker. „Wo gehst du hin? Ach, was ist eigentlich mit deiner Hand passiert?“ Mit der Erklärung des Bordsteinschwebens waren die Leute jedoch nicht zufrieden. Vielleicht hätte ich improvisieren sollen? Handgelenk gebrochen wegen eines Armdrückens mit einem Elchen. Die gibt es in Brandenburg, kein Scherz – sogar bis zu 15. Doch die Improvisation wieder verworfen; auch zu fantasielos.
Acht Tage voller Zeit am See, Ideen, Diskurs, Menschen zogen an mir vorüber. Und dann: Menschen mit Masken. Corona-Test positiv. Abreise.
So bin ich wieder im Schwebezustand; hier, im Noch-Zuhause. Denke nach, lasse Gedanken in mir arbeiten, bin offen für all das Inspirierende und Neue, was noch kommt. All die Begegnungen, Auseinandersetzungen, die Natur, das Lebendigsein. Vielleicht gehört es einfach zum Reisen: improvisieren. Sich einlassen. Und am Montag geht die Reise dann los – in die Welt, nach Namibia.
Das Beitragsbild zeigt den Werbellinsee, an dem das kulturweit-Vorbereitungsseminar in der „Europäischen Jugenderholungs- und Begegnungsstätte“ in Joachimsthal, Brandenburg, stattfand.
Geniale Verwendung aller Kniffe und Tricks deutscher Orthographie. Lustig zu lesen, auch wenn es mehr die Ironie als thematisierter Inhalt ist. Mehr davon. Liebe Grüße aus Ghana!