„Can’t believe you survived.“

Jetzt ist die „Goldene Woche“ hier in China auch schon fast vorbei. Ähnlich wie die Schulkinder in Deutschland ihre Herbstferien genießen, nutzte die Bevölkerung hier die einwöchige Ferienzeit, um zu verreisen, Freunde und vor allem Verwandte zu besuchen.

Schon seit meiner Ankunft tümmelten sich an einigen Orten Menschenschlangen, die gegen Schnipseln etwas umtauschten. Irgendwann erfuhr ich dann durch Zoey, dass man sich in China für das „Mid-Autumn-Festival“ einige Wochen vorher gegenseitig Gutscheine für Mondkuchen schenkt, um sie dann am Mondfest (ein Fest der Harmonie) zusammen mit der Familie isst und den Mond betrachtet, der dieses Jahr am 30.09.(letzten Sonntag) besonders hell leuchtete.

Es gibt unzählige Sagen zum Mondfest. Eine bekannte handelt von dem heldenhaften Bogenschützen Hou Yi.
In der Zeit vor der unseren gab es zehn Sonnen und eine Sonnengöttin Xi He, die dreifüßige Ungeheuer gebar, welche die Erde verwüsteten, vertrockneten und verdorrten. Hou Yi stieg daraufhin den Kunlun-Gipfel empor, wo er die neun Sonnen abschoss und der übrigbleibenen Sonne befahl jeden Tag pünktlich auf-und unterzugehen.
Für seine holde Tat bekam Hou Yi eine Pille der Unsterblichkeit, die seine Frau Change schluckte. Sie schwebte auf den Mond und lebt seitdem auf dem Mond in einem Palast.

Bis zu diesem Fest durchdrang mich nie das Gefühl der Melancholie oder des Heimwehs. Doch wenn ein Tag vor dem Festival (Samstags mussten die Kinder in Shanghai aufgrund der folgenden Ferienwoche in die Schule – ich demnach auch) alle Lehrer im Office gut gelaunt rumalbern und sich einfach auf das familiäre Beisammen sein freuen, man von jedem gefragt wird, was man denn für die kommende Woche geplant hat (nämlich nichts) und von jedem erzählt bekommt, dass er oder sie verreist und ach so tolle Sachen unternimmt, da sinkt die persönliche Vorfreude einfach auf null und der Neidfaktor ins unermessliche. Das war die erste Situation wo man ernsthaft darüber nachdachte einfach in den nächstbesten Flieger zurück nach Deutschland einzusteigen.

Um diesem Gefühl bewusst entgegenzuwirken, schlenderten Christina und ich an dem Tag die breite Hauptstraße entlang, wo wir an modernen Hochhäusern vorbeigingen und sehnsüchtig in die mit Kronleuchtern erhellten Wohnzimmer nachsahen. Insgeheim fragten wir uns, wieviel solch eine Wohnung pro Monat wohl kosten mag.
Nach einer halben Stunde Fußmarsch erreichten wir ein modernes Einkaufszentrum. Natürlich stürmten wir sofort Läden wie H&M oder GAP, aber zu unserer Überraschung entdeckten wir auch einen gut sortierten, westlichen Supermarkt. Beim Anblick von Leibniz-Keksen oder Haribo Packungen quietschten wir entzückt auf, im nächsten Moment verflog unser kindliches Grinsen als wir die Preise lasen – 23 RMB (3 Euro) für Gummibärchen? „Nein danke“, vertröstete ich mich, „da kann ich auch mit den nationalen Süßigkeiten fett werden“.
Nach der heimischen Wohltat beschlossen wir uns zur Feier des Tages ein Eis bei der marktführenden „Häagen Dazs“-Kette zu gönnen.
Immer wieder fasziniert es mich, wie sich so teure Läden etablieren können. In Deutschland hatte ich nie ein „Häagen Dazs“-Eiscreme Store gesehen, hier findest du sie wohl genauso oft wie McDonald’s. Auch sind die Lokale immer gut besetzt und ein permanenter Ansturm ständig vorhanden.

Ein Kellner servierte uns zur Erfrischung Zitronenwasser und schien bei Christinas Anblick leicht verunsichert, weil er sich den Inhalt der unservierten Becher über seine Uniform schüttete. Peinlich gerührt überließ er unsere Bestellung zur Kenntnis und verschwand mit hochrotem Kopf aus unserem Blickwinkel.
Wir warteten über eine halbe Stunde auf unser Eis, was bei den hohen Preisen (Christina zahlte 63 RMB=8 Euro und ich 88RMB=11 Euro) schon beinahe unverschämt, was bei der späteren Geschmacksexplosion jedoch schon fast vergessen war.
Desweiteren machten wir den Fehler an dem Tag auf die Nanjing Lou zu spazieren, von der ich euch bereits berichtet hatte. Die Chinesen die in der Umgebung wohnen, haben wohl den Feiertag genutzt um sich Shanghai anzugucken. Da die Straße eine Touristenattraktion ist, mussten wir uns wohl nicht wundern, als wir uns gegenseitig an die Hand nahmen und uns keuchend den Weg durch das Menschenlabyrinth bahnten. N i e  w i e d e r – schworen wir uns anschließend bei einem Abendessen bei McDonald’s, wofür wir jeweils 2,50 Euro für ein komplettes Menü bestehend aus Cola, großer Pommes und Hamburger ausgaben – halt sehr passend zum Mondfest ;).


Am darauffolgenden Tag verabredeten wir uns mit Nico und Sally zu einem Besuch im Botanischen Garten. Dazu verabredeten wir uns Mittags am Schultor der Donghui-Schule. Weil wir Schlafmützen morgens noch nichts gegessen hatten, kam uns der „Baozi-Stand“ sehr gelegen. Diese runden gefüllten Teigtaschen sind preisgünstige und leckere Snacks für unterwegs. Nur wer sich „rou-bao“ (mit fleischgefüllte Teigtaschen) kauft sollte beim Verzehr besonders achtsam sein. Es mag zwar lächerlich klingen, aber ich habe ganz hübsche Fettflecken auf meiner Kleidung – also Baozi essen sollte gelernt sein!

Der Botanische Garten ist wohl der erste öffentliche Platz der nicht mit Menschenmassen überfüllt war, eine Oase der Ruhe zum doch recht gehetzten und stressigen Alltagsleben.

In den folgenden Tagen machten wir die Nacht zum Tag. Mal gab es eine Homeparty oder es wurde ein Geburtstag gefeiert. Im Anschluss durfte natürlich der nächtliche Clubgang in Shanghai nicht fehlen. Wobei das Thema „Feiern“ hier so eine Sache ist. Für Chinesen bedeutet „feiern“ sich in einem Club – wenn überhaupt – zu treffen um meistens ausschließlich zu trinken. Dazu mietet man eigene Tische, wodurch die Atmosphäre sehr diskret und privat ist, weil die Leute in ihren Freundesgruppen bleiben und es schwierig wird ein trivialen Club mit großer Tanzfläche zu finden, der nicht mit Ausländern verstopft ist.
Glücklicherweise kann ich euch dennoch zwei sehr gute Clubs empfehlen. „GPlus“ und „Zeal“, bei dem man einen Panoramablick auf die Pudong Skyline hat.

Wobei die Nacht nach dem Clubbesuch bei „Zeal“ wohl für Christina, Malte (ebenfalls kulturweit-Freiwilliger, der in der Umgebung von Shanghai eingesetzt wurde) und mich unvergesslich war.
Wir bezahlten unsere 40RMB (5,50 Euro) Taxigebühren und eilten Richtung Wohnung. Malte wartete bereits auf uns, da er vorher zurückgefahren war. Der Haupteingang im ersten Stock war verschlossen, wir hatten uns quasi ausgesperrt. Den Schlüssel für den Eingang hatten wir zwar, doch lies sich die Tür auch mit Fluchen und Tritten nicht öffnen. Sogar die Guards, die sogut wie an jedem Eingang eines Wohnblocks in ihrem Wachhäuschen sitzen, versuchten mit Taschenlampe und ihrem Schlüsselwerkzeug zu helfen. Letztendlich gaben sie uns jedoch zu verstehen, dass wir bis zum Morgengrauen warten mussten, bis die alten Omas und Opis aus ihren Wohnungen gehen und sich zum morgendlichen Tai Chi treffen.
Dem Wasser nahe trotteten wir den Guards in das Wachhaus, legten den Kopf auf den Tisch und versuchten improvisorisch zu schlafen, was aufgrund der flackernden Flachbildschirme der Überwachungskameras unmöglich war. So wälzten wir uns von 2 bis 4 uhr morgens und standen mit verkrampften Nacken ächzend auf. Christina und ich wollten uns die Füße verteten, was wir nach wenigen Minuten aufgrund der klirrenden Kälte bereuten. Wir waren neugierig ob der „Family Mart“ – ein Convinient Store zu dieser Uhrzeit bereits geöffnet hatte und trauten uns bei der letzten Kreuzung zunächst gar nicht um die Ecke zu biegen, weil uns die Befürchtung heimsuchte die gesamte Strecke umsonst gelaufen zu sein. Doch wir atmeten beruhigt auf, als wir Licht aus dem Laden schien. Wahrscheinlich hatte der Store erst geöffnet oder er wurde einfach nur neu einsortiert. Ganz entzückt wie sauber und gut aufgefüllt der Family Mart zu dieser Zeit war, denn immer wenn ich einen besuchte, war meistens über die Hälfte schon aufgekauft.
Bis um 5 Uhr morgens saßen wir dort und kauten unsere Nudeln – um 6 uhr morgens hatten wir es geschafft in die Wohnung zu gelangen. Ich für meinen Teil hatte aber um 9 Uhr bereits eine Verabredung, sodass zwei Stunden wohl kein erholsamer Schlaf ist. Zumal meine Verabredung eine Stunde zupät kam.

Ein Kumpel schrieb mir am besagten Abend noch eine SMS:

„Can’t believe you survived.“

Ein Gedanke zu “„Can’t believe you survived.“

  1. Ohaaa..
    Das sieht alles soo schön aus *o*
    Mit Family Mart habe ich auch schon Bekanntschaft gemacht ^^
    Aber nicht so wie du, glücklicherweise. du arme. Immerhin bist du um eine Erfahrung reicher ;D
    Ich kenne eigentlich auch nur einen Häagen Dazs Laden hier in Deutschland. XD
    Der ist ziemlich klein und am Kuhdamm. Eis habe ich dort aber noch nicht probiert. Werde ich bei Gelegenheit mal machen =)
    Muah. Shanghai ist soo schön *o*
    Ich will dich besuchen kommen! XD Es reicht mir hier 😛

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