Die Stadt des Nebels

B Frühlingsfest in Chongqing

Chongqing (重庆) ist die größte Stadt der Welt. So groß wie Österreich! Das muss man sich mal vorstellen.
Ungefähr 28,85 Millionen Menschen leben hier.
In dieser Megastadt fließen zwei Flüsse zusammen: der Jangtsekiang (长江 = chang jiang), seines Zeichens drittlängster Fluss der Welt und längster Fluss Chinas; und der Jialing
(嘉陵江).
Vielleicht ist das der Grund für einen der Spitznamen für die Stadt: 雾都 (wudu), das bedeutet: Nebelhauptstadt. Tatsächlich zeigte sich Chongqing während meines Besuchs nicht von seiner sonnigsten Seite, aber ich habe mir sagen lassen, zum Frühlingsfest
(春节, chunjie) ist in ganz China schlechtes und kaltes Wetter.

Tja, und in diese gigantische Metropole wurde ich nun von Yao, einer Freundin aus München, eingeladen, mit ihr und ihrer Familie den Wechsel zum Jahr des Drachen (龙年, long nian) zu feiern! Ich weiß, ich bin ein Glückspilz.

Es war eine wundervolle Zeit, denn jeden Tag hieß es, heute kann es regnen, stürmen oder schneien, denn ich strahlte selber wie der Sonnenschein…
Ich wurde unglaublich herzlich aufgenommen, und ich weiß nicht, ob man in Deutschland einen Ausländer einfach so zum höchsten Feiertag des ganzen Jahres dazusetzen und durchfüttern würde!

Vieles war wieder anders in Chongqing:

  • die Sprache: Trotz ihres geographisch sich südlich zugehörigen Gefühls benutzten die Chongqinger viele rrrr-Endungen – etwas, was eigentlich typisch für Peking ist
    Außerdem änderten sich beim Sprechen viele Vokale, bai wurde zu bei, xia wurde zu xiao – sodass ich nicht immer alles verstand.
  • das Essen: Aaaah, köstlich. Einmal aßen wir auswärts Hotpot, und das Neujahrsessen wurde in einem Hotel eingenommen. Doch ansonsten wurde alles eigenhändig zubereitet, oftmals mit der berühmt-berüchtigten Sichuan-Schärfe (= Chilischoten). Es gab von allem viel und zu viel, doch ich konnte nicht aufhören zu essen, weil es wieder so anders und lecker war als die mir bekannten Gerichte.
  • die Topographie: Chongqing ist extrem hügelig. Mir war gar nicht bewusst, wie eben Guangzhou eigentlich ist! Chongqing liegt teilweise in den Bergen, teilweise am Fluss, und man kann sich ja vorstellen, dass dieser Höhenunterschied in der ganzen Stadt vonstatten geht.
    Das ist auch der Grund, warum aus Chongqing die schönsten Frauen kommen.   Sie müssen viel laufen, um an ihr Ziel zu gelangen.
  • das Klima: Chongqing war kalt. Das Wetter war grau und nass und novemberlich, und die Kälte war wieder eine andere als in Guangzhou. Auch in Chongqing gibt es keine eingebauten Heizungen in den Häusern, und das wird dann bei -5 bis 0 Grad schon mal ungemütlich…
    Zum Kontrast dazu war die ganze Stadt wundervoll mit knallroten Lampions geschmückt. Es sah wahnsinnig schön aus.
  • das Geld: In Chongqing wird bis auf wenige Ausnahmen nur Bargeld angenommen. Nun, es war lustig zu sehen, wie in der Haupteinkaufszeit, nämlich vor dem Frühlingsfest, die Leute ihr iPhone nur mit 100 Yuan-Scheinen bezahlten; ich hätte einigen fast geraten, mit einem Schubkarren vorzufahren =)
  • die Veränderung: Yao hat ihre Kindheit in Chongqing verbracht, und doch erkennt sie die Stadt teilweise überhaupt nicht mehr wieder. Der rasante Wandel der Stadt, das Tempo, in dem ganze Straßen neu aufgebaut oder -gezogen werden, ist für den einzelnen Menschen kaum nachvollziehbar.
  • die Sicherheit: Bis vor kurzem hatte Chongqing mit einer hohen Kriminalitätsrate zu kämpfen. Auch die Triaden (das ist die chinesische Mafia) sollen dort ihr Unwesen getrieben haben. Ich finds verständlich, bei der Größe…
    Das hat sich jetzt geändert, nachdem die Stadt mit einer Kampagne 平安重庆 ping’an chongqing = sicheres Chongqing, so Art Checkpoints eingerichtet hat. In einem kleinen Abstand findet man immer wieder ein Polizeistatiönchen. Die Präsenz hat Wirkung gezeigt; es finden weniger Verbrechen statt.
  • die Tradition: Die letzten Stunden des alten Jahres werden vor dem Fernseher verbracht. Dort wird seit Ewigkeiten schon ein fünfstündiges Unterhaltungsprogramm gezeigt, mit Tänzen, Reden, Theater und Gesang.
    Geböllert wird fröhlich schon nachmittags und noch eine Woche später hört man Feuerwerkskörper explodieren. Ich war erschrocken, wie laut ein Feuerwerk in den Straßenschluchten sein kann.
    Am ersten Tag des neuen Jahres isst man mit der Familie zusammen Klebreisbällchen, gesüßt oder ungezuckert.

Es war eine große Ehre, das Frühlingsfest bei einer chinesischen Familie zu feiern, die ich teilweise sogar schon kannte, und auch die anderen Familienmitglieder kennen und schätzen zu lernen! Ich kann mich nur noch einmal herzlich bedanken!!!

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3 Antworten zu Die Stadt des Nebels

  1. Moma sagt:

    Danke, meine liebe Clara, mal wieder für Deinen ausführlichen – und so unglaublich gut gegliederten Bericht : eine phantastische Zusammenfassung!
    Durch die angfügten Fotos konnte ich mir diesmal alles noch viel besser vorstellen! Danke! Laß Dir’s noch gut gehen. Fühl Dich geherzt von Deiner Moma

  2. Florian B. sagt:

    Also muss ich Freunden auf Brautschau raten, in eine hügelige Stadt mit schlechter Infrastruktur zu fahren, ja? Wahrscheinlich sind die schönen Frauen dann nur leider immer genervt von den weiten Wegen, die sie zurücklegen müssen…

    Und um noch was produktives zu hinterlassen: Gutes neues Jahr, zum zweiten Mal!

    • Clara No sagt:

      Hihi, ja, das stimmt wahrscheinlich 🙂
      Da hast du aber ne gute Gleichung aufgestellt!
      Wenn alle Stricke reißen, solltest du über eine Karriere als Mathematiker nachdenken!

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