Zwei Wochen Ferien lagen ab Mitte November vor mir! Unsere Reiseroute war fantastisch: Lago Titicaca mit Isla del Sol, Puno (Staedtchen am Titicaca auf peruanischer Seite), Cusco, Machu Picchu, Yogacenter von Hare Krishna bei Lima, Lima.
Nachdem wir drei Tage auf der Isla del Sol von Kindern bewirtschaftet wurden und uns am ruhigen Strand des Titicacasees vom Trubel in La Paz erholt haben, stand die Weiterreise von Copacabana nach Puno an. Diese wurde allerdings aufgrund von Strassenblockaden kurz nach der peruanischen Grenze verhindert. Strassenblockaden sind in Bolivien keine Seltenheit, bisher wurde ich allerdings von ihnen verschont. Das hatte nun ein Ende. Es ist anscheinend selbstverstaendlich hier, dass man aufgrund von fehlendem oder zu teurem Gas auf die Strassen geht und somit den gesamten nationalen und internationalen Verkehr lahmlegt… Da uns Copcabana ziemlich unsympathisch war (wir wurden sogar hoeflich aus einem Reisebus geschmissen, der trotz Blockade nach Puno fahren wollte, da wir von der Reiseagentur als ziemlich problematisch eingestuft wurden) und die Hostelnacht genauso viel gekostet haette wie ein Busticket zurueck nach La Paz, fuhren wir etwa fuenf Stunden zurueck nach La Paz. Am naechsten Tag machten wir uns Nachmittags dann auf den direkten 11-Stunden Busweg nach Cusco (Puno liessen wir aus). Diesen Bus haetten wir aufgrund von Strassenblockaden in La Paz auch beinahe verpasst. Ich habe also innerhalb von zwei Tagen mehr Erfahrungen mit Strassenblockaden gemacht, als mir lieb war, zumal der Grund ziemlich fragwuerdig war: Es gab zu wenig Milch, da es zu wenig regnete und die Kuehe in den Doerfern somit nicht genug Milch abgaben. Kann man mit Strassenblockaden, die ein regelrechtes Stadtchaos hervorbringen, den Regen beschwoeren? Die Bolivianer glauben scheinbar daran.
Nunja, elf Stunden Busfahrt und ein Grenzuebergang spaeter, kamen wir wohlbehalten im wunderbaren Cusco an. Cusco ist wirklich toll und obwohl es von Touristen, die zum Machu Picchu wollen, nur so wimmelt, bleiben die „Cuscaner“ stets freundlich und interessiert – etwas, was man von den Paceños nicht gerade behaupten kann. Schnell kamen wir mit saemtlichen Schmuck- und Textilverkaeufern und einer sehr sympathischen Saftverkaeuferin ins Gespraech und fuehlten uns sehr herzlich aufgenommen. Wir begaben uns auf die Suche nach dem guenstigsten Machu Picchu Angebot und wurden auch nach drei Agenturen findig. Am naechsten Tag ging es dann also los zum Machu Picchu. Die Reise dauerte ziemlich lange und beinhaltete sowohl sieben Stunden Minivanfahrt als auch drei Stunden Fussweg (wir waren zu geizig, den vollkommen ueberteuerten Zug zu nehmen, der nach Aguas Calientes fahren sollte). Wir kamen aber auch zu Fuss einigermassen wohlbehalten in Aguas Calientes an (wer meinen El Choro Blogeintrag gelesen hat weiss, dass ich laufen nicht mag, aber der Weg war ok). Aguas Calientes ist ein fuer Machu Picchu-Touristen erschaffenes Dorf, das ausschliesslich aus Hotels, Restaurants und Souvenirshops besteht. Als wir dort ankamen, war allerdings keine Spur von unserer Agentur zu sehen und wir hatten keinen Schimmer, wo wir uns mit dem Menschen treffen sollten, der uns ins Hostel bringen sollte. Schnell bewies auch ein Securitymann die Gastfreundschaft der Peruaner. Er rief mit seinem Handy (unsere bolivianischen Handys funktionierten in Peru nicht) bei unserer Agentur in Cusco an, die wiederum rief bei dem Empfangsmenschen an und der kam dann zu uns, um uns abzuholen – alle total nett!
Nachdem wir im Hostel eingecheckt, ein Abendessen in grosser Tourirunde gegessen und etwa fuenf Stunden geschlafen haben, standen wir um 5h inmitten einer Tourischlange, um einen der ersten Busse zum Machu Picchu zu ergattern. Man haette auch laufen koennen, aber diesen steilen Aufstieg ersparten wir uns… Und puenktlich um 6h standen wir am Eingang zum Machu Picchu und betraten ihn inmitten der Tourimassen. Unsere gefuehrte Tour haben wir waehrend dessen vollkommen vergessen und sind sofort bergauf auf den Aussichtspunkt gestapft um den typischen grandiosen Postkartenblick auf Machu Picchu zu erhaschen. Als uns die Tour dann wieder einfiel, sind wir mindestens genauso schnell wieder hinunter gestapft und haben gerade noch den Anschluss an unsere Tour gefunden – Glueck gehabt.
Die Tour war wirklich interessant und die Geschichte um den Machu Picchu machte die ganze Szenerie noch beeindruckender. Machu Picchu ist eine uralte Inkastadt aus dem 15 Jahrhundert, die Anfang des 20. Jahrunhunderts wieder entdeckt wurde und 1983 zum UNESCO- Weltkulturerbe erklaert wurde. Nach einem Picknick in der Sonne mit Blick ueber die alte Inkastadt, machten wir uns auf den Rueckweg zu dem Ort, an dem unsere Minivans zurueck nach Cusco starten sollten (2,5 Stunden Fussweg). Nach gefuehlten zehn Stunden und mit laut knurrendem Magen erreichten wir den Ort auch endlich. Nach 45 Minuten warten konnten wir dann mit den anderen Touris losfahren. Der Fahrer wirkte leider leicht betrunken und mindestens dreimal baten wir ihn, nicht wie ein Verrueckter um die steilen Kurven zu fahren auf Strassen, wo links ein Berghang und rechts ein Abgrund war – Leitblanken Fehlanzeige, aber von seiner Hupe machte der Fahrer dafuer vor jeder Kurve mehr als notwendigen Gebrauch. Ausserdem sagte er uns, muessten wir nach zwei Stunden den Minivan wechseln… Auch das kein Problem, dachten wir.
Als wir nach zwei Fahrtstunden an dem Ort ankamen, an dem wir „umsteigen“ sollten, herrschte auf der Strasse reinstes Chaos. Viele Autos standen mitten im Weg oder parkten am Wegrand, Menschen standen ratlos auf der Strasse und Einheimische haben gleich ihren Geschaeftssinn entdeckt und sassen mit Getraenken und Suessigkeiten am Wegesrand. Doch das, auf das alle Menschen starrten, war etwas ganz anderes: Menschen, die ohne Sicherung einen unfassbar steilen Berghang hinab kletterten. Ich fragte mich, wieso diese Menschen so dumm seien und das machen, fallen doch wenige Meter weiter links grosse Steine in regelmaessigen Abstaenden den Berg hinab. Wuerde eine Person fallen, wuerde sie auf die anderen fallen und alle wuerden fallen – total bekloppt, dachte ich mir. Grund dafuer war ein Erdrutsch auf der Strasse, weshalb die Strasse unpassierbar war. Und schnell stellte sich heraus, dass wir diesen Berghang hinauf klettern sollten. Da oben wuerde dann der Minivan auf uns warten, in den wir umsteigen sollten, sagte uns der Fahrer in unsere fassungslosen Gesichter. In meinem Kopf kreisten vier Worte: Das ist ein Scherz. Ich wusste nicht, ob ich lachen, schreien oder weinen sollte. Wie konnte es sein, dass wir auf der Strasse zum touristischsten Ort der Welt einen Berghang ohne Sicherung oder Halterung hinauf klettern sollen? Verzweiflung und Angst machten sich in mir breit, die nicht weniger wurden, als unsere belgische Freundin beschloss, da nicht hoch zu klettern, sondern zurueck nach Aguas Calientes zu fahren. Was sollte ich also tun? Ich wollte wirklich nicht zurueck nach Aguas Calientes. Das war sicher. Also beschlossen Elisabeth und ich, mit dem Rest der Gruppe aus dem Minivan den Berg hoch zu klettern. Meine Haende zitterten und waren schwitzig, mein Herz pochte und am liebsten haette ich vor Verzweiflung angefangen zu weinen. Dafuer war aufgrund der nahenden Dunkelheit aber keine Zeit. Erde und Steine kullerten bei den ersten beiden Schritten unter meinen Fuessen hinweg. Nach 50 Metern wusste ich nicht mehr, wo ich mich festhalten oder wie ich diesen Berg weiter hochklettern sollte. Dank eines super netten Kolumbianers (Christian), der mich desoefteren mit seiner Hand an besonders heiklen Stellen hochzog, habe ich es geschafft, nicht abzustuerzen. Nachdem wir also 20 Minuten an einem Steinhang und durch einen Waldteil (der einfacher war, da es dort Wurzeln und Baeume zum festhalten gab) entlang geklettert waren, lagen wir uns oben angekommen alle fast schluchzend in den Armen. Ich glaube, ich hatte noch nie so grosse Angst wie bei diesem Aufstieg. Nachdem wir nach weiteren vier Stunden Autofahrt mehr oder weniger wohlbehalten in Cusco ankamen, habe ich erstmal all meinen Lieben eine Ich-Lebe-Nachricht geschickt. Das war wirklich ein Abenteuer….
Am naechsten Tag kam dann auch unsere belgische Freundin wieder in Cusco an. Sie hat morgens den ersten Zug zurueck genommen (hat sie wahrscheinlich ein Vermoegen gekostet) und wir waren heilfroh, sie wieder zu sehen. Sie musste tatsaechlich in der Finsternis die 2,5 Stunden nach Aguas Calientes laufen. Durch den Dschungel nur mit ihrer Handytaschenlampe bewaffnet und fuehrte dabei die Gruppe an, die mit ihr im Bus sass (die Agentur sah es nicht fuer noetig, eine erfahrene Person mitzuschicken). Wahrscheinlich passiert ein Erdrutsch in dieser Groessenordnung nicht einmal alle zwei Jahre. Aber wenn Elisabeth, Amandine und ich unterwegs sind, dann muss das natuerlich passieren!
Nach diesem abenteuerlichen Trip waren wir reif fuers Hare Krishna Yogacenter am Meer, zwei Stunden ausserhalb von Lima. Dort sollte unser Zwischenseminar von kulturweit stattfinden. Nachdem Paul, Elisabeth und ich fast eine Stunde zu spaet auch endlich ankamen (der Taxifahrer wusste erst nicht, wohin er fahren muss und hatte dann auch noch sogutwie kein Benzin mehr, wodurch wir dann noch umher gefahren sind um an Benzin zu gelangen) stellte sich schnell heraus, dass wir hier tatsaechlich zur Ruhe kommen koennen. An jedem Ort hoerte man das Wellenrauschen des Pazifiks und Yoga wurde auch jeden Morgen angeboten (theoretisch, praktisch ist es in fuenf Tagen zweimal ausgefallen). Wir genossen leckeres vegetarisches Essen und das Meer und tauschten unsere Erfahrungen aus, die wir in den letzten zwei Monaten gesammelt hatten. Wir verstanden uns in der Gruppe mit zwanzig Leuten unfassbar gut und hatten jede Menge Spass. Ausserdem erfuhren wir viel ueber den Glauben der Hare Krishnas: Vegetarier, keine Eier, Milch ist aber erlaubt; kein Alkohol, kein Rauchen (vor der Eingangstuer war das aber auch in Ordnung); Eco Toiletten… ueberraschend hygienisch und nicht-stinkend, wurden zum Glueck jeden Morgen ausgeleert; alltaegliche Zusammenkunft um zu Beten, Singen und zu Lesen (daran mussten wir nicht teilhaben, konnten es aber). Vorher wusste ich recht wenig ueber die Hare Krishna Gemeinschaft und von daher war es sehr interessant, fuer fuenf Tage in ihrer Gegenwart zu leben. Wir waren dann aber auch froh, als wir die Hare Krishnas verliessen und in Lima unter eine warme Dusche und auf eine eruopaeische Toilette gehen konnten.
In Lima uebernachteten Elisabeth und ich in einem Couchsurfinghost in einer Wohnung von einer ueberaus sympathischen Peruanerin. Mit ihr verbrachten wir dann auch den Freitagabend und den gesamten Samstag. Sie fuehrte uns ein bisschen durch das Zentrum von Lima und zeigte uns dann ihren Lieblingsstadtteil an der Kueste. Obwohl Lima uns am Anfang nahezu erschlagen hat mit seiner Groesse (10 Millionen Einwohner, so viele wie ganz Bolivien) waren wir schnell ziemlich begeistert von der Riesenstadt. Die kolonialen Haeuser sind alle toll erhalten und allgemein die Leute sind so freundlich und nett. Die Steilkueste ist wunderbar und wir sassen in einer Bar mit Blick ueber das Meer. Wirklich toll.
Deswegen waren wir auch ein bisschen traurig, dass wir Lima so schnell wieder verlassen mussten. Aber nach zwei Wochen reisen und unfassbar vielen Erlebnissen war es auch an der Zeit, wieder nach La Paz zurueck zu kehren.