Mein Jahr in China

Jugend denkt um.welt

Zur Internationalen Workshopwoche nach Deutschland

Es ist, als hätte mich jemand in ein Schüttelglas gesetzt. Gerade noch China – dann 10 Tage heimatliches Deutschland. Mit einem Bein stehe ich zwar noch immer in Wuhan, kann dieses Abenteuer nicht loslassen, es gibt so viel zu tun – doch gleich am ersten Tag schüttelt dieser jemand so lange, bis die chinesische Schülergruppe, mit der ich jetzt in Deutschland über ein Feld wandere, von einem plötzlichen Regenguss völlig durchnässt ist. „Wie schnell das Wetter hier wechselt“, wundert sich ein Schüler. In Wuhan kann man an den schweren Dunstwolken meist einen Tag zuvor vorhersagen, dass es regnen wird.

Wir aber eilen jetzt zurück zum Bernsteinsee, wo noch am selben Tag der internationale Klimaworkshop des Projekts „Jugend denkt um.welt“ starten soll. 11 Nationen sind in diesem Umwelt-Projekt vertreten, und Schülerteams aus Ägypten, Indien, Peru, Bulgarien, China, Namibia, Italien, Brasilien, der Türkei und Deutschland sind angereist.

In der Workshopwoche in Deutschland diskutieren die Teams gemeinsam über den Klimawandel und den Aufbau ihrer lokalen Nachhaltigkeitsprojekte. Es wird hart gearbeitet, die Themenfelder nachhaltiger Energieresourcen sind weit. Eine Woche lang lernen sie in Vorlesungen und Workshops verschiedene Lösungsansätze des Klimawandels kennen. Es sind Nichtregierungsorganisationen wie „Germanwatch“ vertreten, Hochschulprofessoren oder auch der Journalist Franz Alt. Dann sind die Schüler dran – sei es in Ergebnispräsentationen oder Diskussionsrunden mit den Experten, zum ersten Mal treten sie als Klimabotschafter ihres Landes auf. Fest steht am Ende für alle, dass lokale Nachhaltigkeitsprojekte der beste Weg sind, um einen Wandel in der Gesellschaft zu beschleunigen, und zu einem nachhaltigeren Leben anzuspornen.

Das Aufeinandertreffen so vieler verschiedener Kulturen mit der gemeinsamen Aufgabe, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, hat mich besonders beeindruckt. Über 200 Schüler aus vielen verschiedenen kulturellen Hintergründen – da lohnt es sich, aufmerksamer hinzuschauen.

Und der Kulturschock für unsere chinesische „Delegation“ beginnt auch schon am Anreisetag: Bei 15 Grad laufen kreischend vier aufgedrehte Mädels in den See, der Bikini rutscht, das Wasser spritzt, dann springen ihnen die drei Jungs vom Steg hinterher. Die meisten meiner Schüler haben bis jetzt noch nicht einmal Schwimmen gelernt – „Are Germans always crazy like that?“.

Die erste Nacht überstehen aber alle gut, weil hundemüde, und auch in den nächsten Tagen fällt es niemandem schwer, die 16 m2 der 8-Bettzimmer im Schulwohnheim gegen die Holsblockhütten mitten in einem Waldstück eintauschen zu müssen. Die sind nämlich sehr gemütlich um Auszuruhen, nach langen Nächten und des Workshops (8-18Uhr) wo es heißt, alles zu geben.  Obwohl der Wecker auch in Deutschland wieder um sechs klingelt, genieße ich es, eine Woche lang nicht vom Lärm der Baustellen oder dem der Marschmusik zum Frühsport aufgeweckt zu werden.

(…)

Dass man in Bulgarien in der Oberstufe schon einen Freund haben darf (in der Mittelschule meiner chinesischen Truppe streng verboten und kontrolliert!), dass man beim Essen in Deutschland auch zwei Mal gehen darf, um Nachschub zu bekommen (unmöglich bei 4000 Schülern in einer chinesischen Mensa) und dass die Ägypter sogar auf den Stühlen tanzen… All diese Erfahrungen sammelt unsere Schülergruppe in Deutschland und lernt dabei, auch einmal über den eigenen Schatten zu springen. Für ihre Ziele als zukünftige Klimabotschafter, zu denen sie in dem Projekt ausgebildet werden sollen, ist das sehr wichtig.

Der Projektinitiator Helmut Spiering meint: „Internationalität ist das, was unser Projekt so stark macht“. Am Ende der Woche gibt es ein Lagerfeuer unter Sternenhimmel am See, an einem Kulturabend wird gemeinsam getanzt, gesungen und es werden fremde Spezialitäten probiert. Man schließt Freundschaften, Ländergrenzen spielen dabei keine Rolle mehr. Jedes Land hat seinen Stand, unsere Schüler schreiben Namen in chinesischer Kalligraphie und tanzen später zu „Nobody, nobody but youuuu“ in Schuluniform.

Ich bin als Betreuerin dabei, erkläre, gebe Tips, oder schupse anfangs oftmals die Schüler an, ihre Scheu zu verlieren. Am Ende der Woche brauche ich das aber nicht mehr. Die Schüler sind viel selbstständiger geworden, organisieren ein Treffen mit dem brasilianischen Team, gehen zum Fußballschauen ins Bistro oder üben einen Tanz, den sie am Kulturabend aufführen wollen. Meiner Meinung nach ist das soviel mehr wert, als ein Leben für die Schule zu führen, in dem die Welt der Noten und das Zepter des Klassenlehrers zählt. Kommunikation ist Leben und Lernen zur gleichen Zeit.

In Wuhan wollen wir nun an den Ergebnissen des Umweltworkshops weiterarbeiten, und ein Recyclingprojekt an der Schule aufbauen. Zur Webseite des Projektes geht es hier: www.youthinkgreen.org, oder bei Facebook, und zu näheren Infos der Umwelt-AG an meiner Einsatzstelle als Freiwillige hier!

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