Mein Jahr in China

Hankou – Hautnah

Mein heutiger Morgen fing ganz gemütlich an: Ich besorgte mir mit einer Amerikanerin, die auch an meiner Mittelschule unterrichtet, an der Straße ein kleines Frühstück. Zwei kleine mianbao, also Hefeklöße, die für mich auch bei zukünftigen Frühstücken eine gute Alternative zu Nudeln oder Reis werden könnten, außerdem warme Sojamilch und frittiertes Gebäck. Damit haben wir uns zum „Work-Out Place“ der älteren Generationen begeben. Am Abend treiben die chinesischen Omas dort meistens Sport, dehnen sich oder machen Sit-Ups. Die Amerikanerin und ich frühstückten also auf einer der blaugelb gestrichenen Eisenwippen und genossen die Sonnenstrahlen, die sich durch den dunstigen Himmel gekämpft hatten.

Schließlich machten wir uns auf die Suche nach einem Taxi, weil ich an diesem Tag noch mit David, einem anderen Freiwilligen, verabredet  war. Während der einstündigen Fahrt durch Wuhan versuchte der Fahrer vergeblich, ein Gespräch mit mir zu beginnen, aber ich konnte leider nur mit den Schultern zucken. An uns zogen hunderte Hochhäuser, Baukräne und Seitenstraßen vorbei, in denen wiederum unzählige Händler ihre Kastanien, Fleischspieße, kandierte Früchte und niedliche Hundewelpen verkauften (ich dachte erst, dass wären Kuscheltiere!). Heimlich habe ich beobachtet, in was für einem rasantem Tempo das Taxi, in dem ich saß, von rechts und links und auf dem Seitenstreifen fahrend andere Autos, überladene Pickups und Busse überholte. Blinken finden die Chinesen übrigends uncool, Lichthupen oder das Hupen an sich wirkt viel nachhaltiger! :)

Als ich das Taxi verließ, fand ich mich in einer völlig anderen Welt wieder. Das Stadtviertel, in dem ich David traf, quoll über vor Menschen, noch mehr Läden und Essenständen. Im Vergleich dazu herrscht in dem High-Tech-Viertel, in dem meine Wohnung liegt, absolute Idylle. Während wir auf Joe, die Chinesin, die uns begleiten wollte, warteten, aßen wir  grüne Mandarinen und ich schaute mir Davids „Luxuswohnung“ an (also im Vergleich zu meiner, die ich eventuell in dieser Woche noch streichen will).

Mit Joe ging es weiter zur Metro, wo wir einige Einkäufe erledigten (u.a. endlich eine große Dose Insektenkiller, die auch schon heute Abend gleich zu ihrem ersten Einsatz kam).  Im Doppeldeckerbus fuhren wir nach Hankou, in das Buisnessviertel Wuhans, das auf der anderen Seite des Jangste-Flusses liegt. Ich hatte nicht daran geglaubt, aber in Hankou waren NOCH mehr Menschen unterwegs, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, erahnen zu können, wie groß die Zahl 10 000 000 ist. Überwältigt von den vielen Eindrücken – Werbebanner, Luftballonträger, Tofu- und allgemein Essensgerüche, beinah Umgefahren-Werden auf der Straße und Klimpermusik – ließ ich mich durch die Menschenmassen mitschleifen. Zum ersten Mal habe ich es dabei sogar geschafft, Fotos zu schießen, wie ihr seht.

Am Ende haben wir uns dann bei Starbucks ausgeruht und unsere Rückfahrt geplant
wir ließen Joe zurück und nahmen einen unheimlich vollgepropften Bus zurück. Ich glaube, es waren mindestens 100 Leute, die sich bis an die Frontscheibe drängten. Das hielt den Busfahrer aber nicht davon ab, bei jeder Haltestelle weitere Passagiere mitzunehmen, und jedem in seiner Reichweite einen Stoß in die Seite zu versetzen, mit der Anweisung, ein Stück weiter nach hinten zu „gehen“. Mein Rucksack federte glücklicherweise einiges ab.

Als dann doch kein Bus mehr in mein High-Tech-Viertel weiter fuhr, musste ich noch einmal das Taxi nehmen (6€/1h). So brauste ich durch die Dunkelheit, vorbei an bunten Neonröhren, qualmenden Hinterhöfen,-  den Weg durch die letzten paar Straßen konnte ich dem Fahrer sogar zeigen, und wieder war ich glücklich und erstaunt, an diesem Abend heil in meiner Wohnung gelandet zu sein.


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