Liebes 2011,
wenn ich ehrlich sein soll – und ich denke, das kann ich, da ich dich bald sowieso nicht mehr sehen muss – fand ich dich echt nicht so berauschend. Ich mochte dich nicht, ganz und gar nicht. Ich mag dich immer noch nicht, auch im Rückblick.
Du hast mir zuerstmal einen Haufen Lernerei beschert. Das war anstrengend und hat keine Zeit für Freunde gelassen.
Und dann, zack, hatte ich auf einmal mehr Zeit als genug ohne je darauf vorbereitet geworden sein, wie man dieses Loch auf einmal stopft. Also habe ich nichts mit mir anzufangen gewusst und mich selber mit meiner Tatenlosigkeit genervt.
Die Sommerferien waren sehr schön, aber kann man Ferien wirklich genießen, wenn man sowieso die ganze Zeit frei hat?
Kulturweit hat mich angenommen, schön und gut, das war schon sehr nett von dir, aber musste es unbedingt Rumänien sein? Wo ich am Tag, als die Ergebnisse kamen gerade noch zu D. gesagt hatte, sie sollten mich lieber ablehnen als zum Beispiel nach Rumänien zu schicken, dann würde mir die Entscheidung wenigstens abgenommen werden.
Dann die ganzen Abschiede, die Großen und Kleinen, die jeder für sich irgendwie wehgetan haben. Dann ist da auch noch jeder anders und man muss sich dauernd auf was Neues einstellen, ich sag dir, das ist anstrengend und traurig, Menschen zu verlieren, egal wie.
Jetzt bin ich hier und wirklich glücklich macht mich das auch nicht.
Und was das schlimmste ist, 2011, du hast mich jammerig gemacht. Schau dir das dochmal an, sowas schreibt doch keine Optimistin.
Aber weißt du was, 2011, ich bin auch ganz schön stolz auf uns. Wir haben uns gemeinsam durchgebissen und sind jetzt hier und schau dir bloß an was wir alles geschafft haben:
Ich hab mein Abi geschafft und das besser als ich gedacht hätte.
Ich hab in der Zeit uneimlich viel dazugelernt und mir ist jetzt wieder einmal noch ein bisschen klarer, was ich studieren will, wenn ich zurück bin. Es hat mir total Spaß gemacht mich in ein Thema einzulesen und Mathe immer wieder durchzugehen, so anstrengend das auch gewesen sein mag.
Und dann hat mich kulturweit angenommen und ich war auf dem Vorbereitungs- und Zwischenseminar. Ich habe unglaublich tolle Menschen kennengelernt, die mich hier bei allen Schwierigkeiten unterstützen, die auch mal einsam sind und wissen wie ich mich fühle. Ich habe aber vor allem auch nicht alle Leute von früher verloren.
Ich habe gelernt über meinen Schatten zu springen und in ein Land zu gehen, das nicht nur nicht erste, sondern eher letzte Wahl war. Ich habe gelernt dieses Land zu lieben und anzukommen, auch wenn gewisse Eigenschaften hier mich nach wie vor nerven.
Das alles haben wir zusammen geschafft, 2011 und ich bin stolz auf uns.
Aber jetzt, jetzt brauch ich Ruhe von dir. In dieser Zeit zwischen den Jahren will ich dich erstmal nicht sehen, du ärgerst mich nach wie vor und so viel auf so hartem Weg zu lernen braucht auch seine Gegenpole. Deswegen bin ich jetzt weg.
Ich brauche diesen Raum ohne Zeit, gerne auch Ferien genannt.
Ferien in einem Land, das gerade viel Schlimmeres als ich mit dir durchmacht. Und dessen Bewohner wohl ähnlich von dir denken wie ich: Sehr stolz, auf das, was ihr schon zusammen erreicht habt, aber trotzdem auch enttäuscht, dass nicht alles ganz so funktioniert wie gewünscht.
Aber das reicht hier, ich möchte meine Ruhe genießen und die Vorfreude auf deine Nachfolger. Das Studium wartet, aber auch viele Reisen, ein bisschen weiter in meine Rolle als Freiwilliger hier hineinzuwachsen und insgesamt vermutlich noch viele andere große und kleine Schritte.
Ich würde ja sagen ich werde dich vermissen, aber das glaube ich nicht gerade. Wenn ich die Schulzeit oderalte Freunde vermissen will vermisse ich 2010 oder so und wenn ich die kulturweit – Leute vermisse, dann hab ich ja noch das Nachbereitungsseminar 2012.
Also machs gut, 2011, auf Nimmerwiedersehen.