Veronika hat sich von mir einen Gastbeitrag zu ihrem Blog gewünscht, keine leichte Aufgabe, denn da ich nur ein etwas längeres Wochenende hier in Satu Mare zu Besuch bin, kann das alles nur recht oberflächlich werden. Aber immerhin: ein paar erste prägende Eindrücke habe ich schon:
Eigentlich fing alles schon in Bukarest an, wo ich von Billa, Trinkjoghurt, iPhone-schwenkenden Managern und überheizten Temperaturen im Flughafengebäude empfangen wurde: wer mit einem Bild von postsozialistischer Rückständigkeit in Rumänien ankommt (ich hatte eigentlich gar nicht so viele Bilder vorher im Kopf, aber irgendwie hat die Berichterstattung seit Jahren letzteres doch in die Hirne gepustet), wird schon hier eines Besseren belehrt. Natürlich findet man die postsozialistischen Verhältnisse dann doch immer wieder und an vielen Ecken, von den Gebäudeungetümen aus Beton und heruntergekommenen Altbauten, bei denen man die alte bürgerliche Herrlichkeit der k.u.k.- und Zwischenkriegszeit noch erahnt, bis hin zu einigen unwahrscheinlicheren Spuren in der Landschaft: den letztlich sehr sozialistisch-monumentalen Denkmälern zur Ehre des antikommunistischen Kampfes.

Aber ansonsten ist doch sehr vieles sehr globalisiert-westlich, bis hin zum Pappkaffeebecher in der ÖMV-Tankstelle.
Dass Rumänien aber kein reiches Land ist, sieht man auch sehr bald, nicht nur an den oft kaputten oder gar ungepflasterten und dann im Regen sehr matschigen Bürgersteigen hier in der Stadt. Man sieht auch richtige Armut, schnüffelnde Kinder in der Stadt und heruntergekommene Hütten auf dem Land (gestern auf unserer Fahrt nach Cluj). Da ist die Kluft zu den Managern mit ihren Laptops und iPhones sehr krass. Aber die Leute sind nett, offen und sympathisch, nicht nur wenn Veronika mal wieder dolmetscht und ihre vielleicht noch rudimentären, aber schon beeindruckend flüssigen Rumänisch-Kenntnisse vorführt.
Zudem erweist sich das Land, von dem ich ja bisher nur zwei kleine Ecken kenne, als ungemein mitteleuropäisch. Das fängt schon bei der Speisekarte in der Kneipe um die Ecke an, die man genauso in Prag oder Österreich finden könnte. Die herrlichen Altbauten im Stadtzentrum von Satu Mare, von denen Veronika bereits schrieb, wie auch in Cluj/Klausenburg zeugen auch von dieser Vergangenheit, in der Wien und Budapest hier nicht nur geographisch näher lagen als Bukarest. Sehr nett in dieser Hinsicht das Interview mit dem Leiter des Filmfestivals von Cluj, der Bukarest eine „balkanische Hektik“ vorwarf…

Aber dann die Schweine. Zuerst hatten wir sie gar nicht erkannt, als wir gestern morgen mit C. in aller Früh im Auto nach Cluj aufbrachen. Wir wunderten uns nur, in den Dörfern auf dem Weg immer mal wieder kleine Feuerchen am Strassenrand vor den Häusern zu sehen. Erst dann sahen wir, dass hier toten Schweinen die Borsten abgebrannt wurden. Und dies nicht nur in einem Dorf, sondern nahezu überall auf dem Land an diesem Schlachtwochenende vor Weihnachten. Das ergab einige skurile Anblicke: ein totes dickes Schwein auf einem kleinen Karren etwa, der hinter einem Pferdefuhrwerk hergezogen wurde, oder eines, das aus einem kleinen Geländewagen japanischer Bauart herauslugte. Vorweihnachtszeit auf rumänisch – ein eindrücklicher Kontrast zu den „Jingle Bells“, die einem bei Kaufland aus den Lautsprechern entgegenströmten!
Jakob


CE QUE DIT LE COCHON…
Pour parler, dit le cochon,
Ce que j’aime c’est les mots porqs :
glaviot grumeau gueule grommelle
chafouin pacha épluchure
mâchon moche miche chameau
empoté chouxgras polisson.
J’aime les mots gras et porcins :
jujube pechblende pépère
compost lardon chouraver
bouillaque tambouille couenne
navet vase chose choucroute.
Je n’aime pas trop potiron
et pas du tout arc-en-ciel.
Ces bons mots je me les fourre sous le groin
et ça fait un poëme de porq.
Jacques Roubaud, Les Animaux de tout le monde.
Die Mitte liegt tatsächlich ostwärts. Ich bin auch immer wieder platt, wenn ich weiter und weiter nach Osten fahre und mich immer noch zuhause fühle. Nur: Wo ist denn der Osten? Gibt es ihn wirklich?
Herzliche Grüße
Sabine