Kulturschock

Das war er also, der viel diskutierte Kuturschock. Der mir nach meiner Ankunft so fern lag und der mich in der letzten Woche umso härter mit voller Wucht erwischt hat. Ich habe das Gefühl, noch nie so viele Schrereien auf einmal gehabt zu haben.

Da wäre nicht nur die Sache mit der Maus, die mir den Schlaf genommen, die Angst vor dem großen leeren Haus wiedergebracht und mich paranoid gemacht hat. Nein, da ist auch das Entsetzen über vieles was mir erzählt wird und einiges was ich sehe. In der Schule, im Kulturtreff, in der Stadt und in der Umgebung. Da wären die Einsamkeit und die Sehnsucht, die jetzt auch gemeinsam auftreten, das Heimweh und die Erinnerungen, das Kranksein, die fremde Sprache, die mir immer wieder einen Knoten in die Zunge zaubert, wenn ich versuche mich auszudrücken, mir aber dann doch alles fehlt, die Frustration bei der Arbeit (Abreit – wo???), der fehlende Berlin-Flair und das Wissen, wo man abends hingeht oder neue Leute kennenlernt. Und immer wieder die Sprache, immer wieder die Einsamkeit.

Aber dann sind da die Momente, wenn ich in der kalten Herbstsonne durch die Stadt laufe und sich das Licht im Wasser des Flusses bricht und der Wind die Blätter tanzen lässt. Wenn ich in die 3. Klasse komme und die Kinder strahlen, mir um den Hals fallen oder „Super!“ rufen. Wenn ich es schaffe, eines der Kinder nach einem Weinkrampf vor dem Kotzen zu bewahren und zu beruhigen. Wenn eines der Kinder zum anderen geht und sagt „Wenn du weiterweinst muss ich auch gleich weinen“. Und wenn ich von der Schule komme und mich zu C. ins Büro setze und wir uns erstmal ausquatschen. Die Momente, wo ich einfach mal loslassen kann, tanzen oder mich mit jemandem unterhalten, sei es nun auf deutsch oder mit Händen und Füßen, weil es sowieso zu laut für alles ist.

In solchen Momenten bin ich wieder da, merke ich, dass alles wirklich so passiert und dass ich diese riesige Chance nutzen kann. Und auch, dass ich glücklich bin, dass es so ist, wie es ist. Dass ich mich trotz allem Heimweh und Weihnachtserinnerungen doch lieber in das Abenteuer kulturweit stürze und Weihnachten ganz unbedingt in Ägypten verbringen will! Ich denke an alles was kommt, an die Misswahl, den Ausflug mit der 3. Klasse, Sankt Martin, Istanbul und Sombor, die Besuche von so vielen liebe Menschen, Ägypten und alles was dann kommt. Und ich freue mich, freue mich so unfassbar auf die Leute, die zu den unterschiedlichen Sachen gehören. Freue mich auf die neuen Orte und Erlebnisse. Und habe im Hinterkopf, dass die Flüge von Budapest nach Berlin sonst ja regelmäßig gehen und Bregenz eigentlich auch nicht so weit entfernt ist. Aber das ist auch okay.

7 Gedanken zu „Kulturschock

  1. Dein (bisher) schönster Text! Wir können uns gut vorstellen, wie es Dir geht. Courage!!
    Bisous Papa

  2. Mmh. Alleinsein in einer kleinen, fremden Stadt ist scheußlich. Vor allem, wenn die Tage kürzer werden. So fühlt sich das Leben manchmal an. Aber das Gute daran: Die schönen Momente sind als Kontast deutlich erkennbar. Meine private Strategie gegen lange, einsame Abende in der Vorweihnachtszeit: Kekse backen. Bei Bedarf schicke ich Dir gern Rezepte.

  3. Mein liebes Cousinchen! Es ist so mutig von dir, dass du auch die negativen Seiten zulässt, die Scherereien beim Namen nennst, aber dich hoffentlich auch wirklich nicht unterkriegen lässt…! Ich wünsch dir weiter viele happy-go-lucky-Momente, die dich entschädigen und dir hoffenltich auch einmal helfen werden, diese Zeit jetzt als wahres Geschenk zu sehen. Bin in Gedanken bei dir…. Dein Cousinchen!

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