Mache einen schlechten zu einem guten zu einem schlechten zu einem guten Tag!

Um einen richtig guten Tag zu haben muss man ihn erst einmal, richtig, schlecht beginnen. Demnach waren meine Voraussetzungen heute morgen also tatsächlich die Besten, als ich vergeblich auf die Frau F., die mich morgens immer mit dem Auto mitnahm, wartete. Sie hatte die letzten Tage in Temeswar verbracht, weswegen ich die halbe Stunde zu Fuß gelaufen war, aber da ich wusste, dass sie wieder da sein musste, war ich einfach vom gewohnten Treffpunkt ausgegangen.. Das war wohl aber nichts. Also machte ich mich auf den Weg mit der Aussicht entweder mindestens 10 Minuten zu spät in eine noch unbekannte Klasse zu kommen oder einen Teil des, wegen einer hohen langen Brücke, sehr anstrengenden Weges rennen zu müssen. Als dann aber nach den ersten 50 Metern ein offensichtlich leeres Taxi heranrauschte trat ich kurzentschlossen auf die Straße und hielt meine Hand heraus. Es hielt auch prompt und nach kurzen Anlaufschwierigkeiten verstand der Fahrer auch, wo es hingehen sollte; „Liceul german??“ „Da!“. So kam ich innerhalb weniger Minuten am Ziel an, zahlte die 6 Lei (ca 1,50 €) und kam gut gelaunt und eine viertel Stunde zu früh in die Schule. Genug Zeit also, mich noch zu meiner Klasse durchzufragen.

Der Gedanke an meine erste allein gemeisterte Taxifahrt versüßte mir auch die sehr anstrengenden ersten drei Stunden. Die 1. Klasse war zwar eine der besten, die ich bis jetzt gesehen habe, da viele Kinder schon im deutschen Kindergarten gewesen waren, doch die Lehrerin schien sich über jedes Lob erhaben zu fühlen. Stattdessen ließ sie die Kinder im Chor das gestern Gelernte aufsagen, doch als sie ein paar Fragen stellte schien höchstens die Hälfte der Klasse verstanden zu haben, worauf sie hinauswollte. So viel also zu sapere aude! Danach ließ sie die Schüler drei Stunden lang Schreibübungen machen und der kleinste Mucks wurde mit einem bösen Blick bestraft. Für mich gab es also nichts zu tun, vor allem traute ich mich nicht herumzugehen, da sie mich nach der Bestätigung, dass sie die 1 X wären nicht eines Blickes gewürdigt hatte. Also verbrachte ich meine Zeit damit vom Taxifahren, Rumänischsprechen, Hamams, Wiedersehen und vergangenen Tagen zu träumen. Dabei half auch die Aussicht auf Herbstferien, die ich in einem aushängenden Kalender gesichtet hatte, die mir aber noch nicht bestätigt wurden.

Als ich die Klasse dann wie üblich um 11 verließ um in die Bibliothek zu ziehen erlebte ihre Lehrerin dann aber einen plötzlichen Sinneswandel, woraufhin sie mir anbot gerne immer wiederzukommen. Vielleicht war die Zurückhaltung für den Anfang einfach ganz gut, damit sie sich nicht bedroht fühlte oder so.

In der Bibliothek verbrachte ich dann meine Zeit dann erstmal mit ein bisschen rumänischer Grammatik, Steigerungsformen um genau zu sein. Selbstveständlich nicht hochinteressant, aber ein gutes Gefühl etwas zur Verständigung beizutragen. Um 12 h machte ich mich dann wie üblich auf den Weg in die Kantine, wo in dem kleinen Lehreresszimmer aber deutlich mehr Leute als üblich saßen. So lernte ich gleich wieder ein paar Menschen kennen, unter anderem die fürs Theater verantwortliche junge Lehrerin, mit der ich ja wohl noch viel zu tun haben werde. Es war eine ausgesprochen lustige Runde, auch wenn ich kaum etwas verstand und das Essen sich hier sowieso meist auf 20 Minuten beschränkt.

Danach zog ich mich also wieder in die Bibliothek zurück, wo ich mir ein bisschen meine wirren Gedanken von der Seele schrieb, die „Literatur“ zu Ende katalogisierte und die Aussicht auf einen frühen Feierabend und die Gedanken an diesen guten Tag genoss.

Um 14 h ging es also ab nach Hause, nicht ohne zuvor noch einmal von einer Traube Kinder umarmt worden zu sein. Dort telefonierte ich erst einmal eine Stunde mit meiner lieben Caro, wie immer sehr erleichternd, las mein Buch aus, begann ein anderes und beschloss dann schließlich einkaufen zu gehen um morgen mal wieder ein Frühstück genießen zu können.

Kaum hatte ich den Park vor meiner Haustür durchquert stieß ich auf meinen „Kollegen“ Herrn S., der die freie Stunde vor dem Chor nutzte mich noch auf einen Kaffee einzuladen. Also gingen wir in ein supercooles Café, das im Winter, wenn man nicht mehr draußen sitzen kann, mein Stammlokal werden wird, mit guter Musik und gutem Kaffee und lästerten über Lehrer und Schüler. Ich habe Herrn S., der nicht allzu viel älter ist als ich, immer für einen sehr netten, lustigen und intelligenten Menschen gehalten, was er natürlich nach wie vor ist, doch eine Bemerkung seinerseits erwischte mich kalt.

Wir sprachen gerade über ein etwas zurückgebliebenes Mädchen, als er sagte: „Tja, L.* ist halt einfach dumm. Die hat Zigeunerblut, die können nicht lernen. Zum Arbeiten sind sie gut, aber so…“. In meiner großen Überraschung fiel mir keine bessere Erwiderung ein, als, dass das Mädchen meiner Meinung nach einfach geistig etwas zurückgeblieben wäre, also noch nicht auf dem Stand einer neunjährigen, vergaß aber über den Schock zu betonen, dass das meiner Meinung nach nicht am Blut liegen würde. Im ersten Moment bedrückte mich die Aussage und die Tatsache, dass ausgerechnet so ein offener Mensch das gesagt hatte, sehr, doch ich beschloss, mir meine Laune nicht vermiesen zu lassen, das nächste Mal vorbereitet zu sein und solcherlei Dingen ausdrücklich zu widersprechen.

Meine gute Laune wr also gerettet und steigerte sich sogar noch, als ich erfuhr, dass wir mit dem Chor am Sonntag zur Partnergemeinde in Großkarol fahren und dort den Tag verbringen würden. Wieder eine Möglichkeit ein bisschen vom Land zu sehen und neue Leute kennenzulernen, wie schön. Ein bisschen davon musste ich bei einem Zigeunerwitz, über den so gut wie alle lachten, einbüßen, doch das bekräftigte nur meinen zuvor gefassten Entschluss und wurde danach auch schnell wieder ausgeglichen.

Als die Probe zu Ende war, machte ich mich also noch einmal auf den Weg, Frühstück erbeuten. Das klappte sehr gut, der Spaziergang durch die Nachtluft war schön, ebenso wie die Schuhe in den Schaufenstern und ich beschloss, auf dem Rückweg vom Supermarkt noch einmal nach anstehenden Konzerten zu gucken. Also machte ich einen kurzen Umweg zum Hotel Dacia um die Plakate dort zu studieren. Mit Freuden stellte ich fest, dass tatsächlich gleich morgen wieder ein Sinfoniekonzert ist, das auch noch sehr schöne Komponisten wie Dvořák, Brahms und Lehár zeigen soll. Sollte ich also bis morgen Abend herausfinden, wo ich Karten herbekomme, steht ein Konzertbesuch an. Alleine, aber das passt mir eigentlich ganz gut.

Jetzt sitze ich also hier, freue mich auf mein Bett, aber auch, endlich die Aussicht auf skypen mit Tarek zu haben, freue mich über den gelungenen Tag und auf den morgigen Abend und überhaupt sehr viel und genieße die Musik vom Holstuonarmusigbigbandclub.